Folk Club Nr. 46 im März platzt aus allen Nähten
Den
Eindruck muss man haben und zwar gleichermaßen mit Blick auf Publikum und
Akteure. Der Saal war erneut proppenvoll und unser Programmdirektor Steven
Perry hat stets mehr Mühe, die zahlreichen Auftrittswünsche mit Anstand im
Programm unterzubringen, ohne dass der Abend denn doch zu lang wird. Der Folk
Club hat offenbar seine Gemeinde gefunden, die sich jeden Monat darauf freut,
musikalisch überrascht zu werden und in einer familiären Atmosphäre einen genussvollen
Abend teilweise mit Gänsehauteffekt und
vielen interessanten Künstlern zu erleben.
Die
Erwartungen wurden auch diesmal nicht enttäuscht. Es gab Besinnliches,
Schwungvolles, schöne Stimmen und herrliches Zusammenspiel gepaart mit Humor,
Virtuosität, Phantasie und schier unendlicher Kreativität.
John Harrison, der anders als die übrigen Akteure des Organisationsteams – der
Hofberichterstatter eingeschlossen – noch keinen einzigen Folk Abend seit dem
Start im Februar 2010 ausgelassen hat, übernahm auch diesmal wieder den Warm up
mit d e m Klassiker aller Lieder, die sich mit dem „Thema River Songs/Lieder
über Flüsse“ beschäftigen. „Ol’ Man River“ aus dem Musical Showboat von Jerome
Kern und Oscar Hammerstein bildete den perfekten Einstieg in das Thema des
Abends. John begann das Lied a capella anfangs allein und dann mit zunehmend
intensiverer Gesangsunterstützung von Steve
Perry. Die beiden harmonierten sehr schön und bekamen gleich einen tollen
Applaus. Weiter ging’s mit einem anderen Duopartner Johns, dem ebenfalls im
Folk Club nicht unbekannten Werner Krotz-Vogel, diesmal aber nicht mit der Gitarre
sondern einem veritablen Kontrabass ausgestattet. Man merkte beiden an, dass
die Lieder von John Martyn „May You Never“, „Fairy Tale Lullaby“ und „Solid Air“
ihnen besonders am Herzen lagen. Beide warfen ihre ganze Virtuosität und
Spielfreude ins Rennen. Kleine Gitarrenkunde von John am Rande: „Solid Air“
baut auf dem eher ungewöhnlichen Akkord mit der Bezeichnung Cm11 (für Freunde
der Harmonielehre in anderen Worten: c moll-Septakkord mit None und
Undezime) auf. John nutzte ferner die
Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass der Schöpfer der Lieder am 29. Januar vor
fünf Jahren im Alter von 60 Jahren gestorben war.
Etwas
lyrischer aber ohne Anspielungen an Flüsse ging’s dann bei Christian
Schuster und Tom Wilke zu. Mit virtuoser Gitarrenbegleitung,
herrlichen Riffs und schönem zweistimmigem Gesang gab es von Passenger den
Ohrwurm „Let Her Go“ zu hören. Nicht minder eingängig ist „One“ von U2 und
„Heart of Golden Glory“ der schottischen Gruppe Runrig. Das Lied ist in
Schottland ein echter Heimatgefühl-Hit mit ähnlichem Gänsehaut-Faktor wie – der
Vergleich sei mir verziehen – für manchen Kölner und Bonner z.B. das Bläck
Fööss Lied „Unser Stammbaum“. Ein Ausschnitt aus dem Lied mag es verdeutlichen:
“I
caught a fleeting glimpse, Of life, And though the water's, Black as night, The
colours of Scotland, Leave you young inside”, das hat schon fast Hymnen-Charakter;
und weiter geht es mit:
“There's
a vision, Coming soon, Through the faith, That cleans your wound, Hearts of
golden glory, Will be renewed”
– Referendum über die schottische
Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich (eigentlich eher von England) ick hör
dir trapsen. Immerhin, Kurköln strebt nicht die Unabhängigkeit von Deutschland
an. Großer Applaus für die beiden!
Mit
ein wenig Schmalz (den lieben wir ja) ging es weiter bei Renate Dohm und Winfrid Bode. Herrlich gespielt und gesungen durften
wir erneut „El Paso“ hören, eines der Cowboylieder, die Steven Perrys Beitrag
zum Thema des Abends beim Folk Club im Februar war. Wunderbar kitschig der Text
über einen verliebten Cowboy, der sein Leben im Kampf um eine Amour Fou
verliert. Die entschuldigenden Worte von Winfried über den nicht mehr
zeitgemäßen Text waren eigentlich nicht nötig, denn dann müssten im Folk Club
und auch bei anderen Musikveranstaltungen recht häufig solche „disclaimer“
vorweg gestellt werden.
Nicht
minder sentimental ging es bei „Greenfields“ von den Brothers Four zu, einem
Lied aus den 50er Jahren. Renate und Winfried konnten bei diesem Ohrwurm ihre
tollen Stimmen so richtig glänzen lassen. Im Text kommt zudem ein Fluss vor.
Bei „Rivers of Babylon“, dem alten Klassiker von Boney M, der Frank
Farian-Disco-Kunsttruppe stehen die Flüsse sogar im Titel. Renate und Winfried
zogen dabei aber nicht mit einem Disco-Fox vom Leder sondern präsentierten das
Lied, das ursprünglich von der jamaikanischen Rocksteady-Gruppe Melodians
stammt, in einer sehr schönen, ungewöhnlichen, etwas verfremdeten Version,
natürlich gekonnt gesungen und gespielt von den beiden. Großer Applaus für
Renate und Winfried.
Die
als Special Guest des Abends angekündigte Gruppe musste zwar lange auf ihren
Auftritt warten, wurde aber mit viel Beifall begrüßt. Gerd Schinkel
mit Kanuten stellten sich erst
einmal richtig vor: Gerd ist ja inzwischen schon fast ein alter Bekannter im
Folk Club. Seine Begleiter sind tatsächlich Kanufreunde: Wolfgang
Kassel (Gitarre), Frank
Tschinkel (Mandoline) und Gerd-Wolfgang
Spiller (Bassgitarre). Die Truppe
startete mit dem Lied „Ausstand“ über die Erfahrungen die entstehen, wenn ein
Arbeitsleben zuende geht und man seinen langjährigen Arbeitsplatz räumt. Als
nächste gab es ein vom Alt-Barden Graeme Allwright adaptiertes Lied das Gerd
mit einem deutschen Text versehen hat mit einer Beziehung zu dem Flüchtlingsstrom, der aktuell von Afrika und dem Nahen Osten in Richtung
Europa zieht. Vielen noch gut bekannt ist das Lied aus der Atom-Protestbewegung
der Siebziger Jahre „Katastropheneinsatzplan“. „Es besteht kein Grund zur
Aufregung“ lautet die Eingangszeile des Refrains. Mit dem Lied „Es ist, wie es
ist“ beschlossen Gerd und die Kanuten unter großem Applaus den ersten Teil
ihres Auftritts.
Nach
der Pause erschien eine bunte Truppe
auf der Bühne, die sich als „Dodge City Blues Band“ vorstellte. Die Musiker waren Matthew
Robb (Gesang und Gitarre), „Fliege“
Hermann Josef Wolf (Gitarre,
Mundharmonika), Astrid
Robb (Cajón), Bijan Mahdjub (Saxophon) und Dietrich (Teekistenbass). Mit Schwung und Elan
legten sie los mit dem Blues „You Drink too Much“. Schon nach den ersten Takten
entpuppte sich die Gruppe als ein weiteres Glanzlicht des Abends und zog das
Publikum augenblicklich in ihren Bann. Der Titel des ersten Liedes und eine
kleine Bemerkung aus der Band über die trockene Luft im Raum zauberten denn
auch unmittelbar spendiertes Flüssiges für die Bandmitglieder auf die Bühne.
„Please Come Back Home“ war ein eigenes Lies von Matthew über die Liebe, die
kommt und geht. Ebenfalls selbst komponiert hatte Matthew den Beitrag zum Thema
des Abends „The River“. „There is a River That Runs Through You ... That
Runs Through Me” lautet der Refrain. Das Publikum war begeistert. Natürlich musste noch eine Zugabe her:
„Dead Men Have no Dreams“ lautete der Titel – Riesenapplaus für die fünf!
Nach
diesem Feuerwerk hatte es Janero del
Rosario etwas schwer, mit seinen etwas ruhigeren Liedern das Publikum für
sich zu gewinnen. Aber nach ein paar Takten des Liedes „Find the River“ von
R.E.M. aus dem Album „Automatic for the People, war der Bann gebrochen. Mit
schöner sicherer Stimme und feiner Gitarrenbegleitung trug er die Ballade vor,
deren Text gut zum Thema des Abends passte. Etwas aus Janeros philippinischer
Heimat war ein Lied in seiner Muttersprache, das sich ebenfalls mit dem Thema
„Fluss“ beschäftigt: Der Fluss wird als Metapher für das dahinströmende Leben
gesehen. Janero sang das Lied a capella mit einer zuvor schnell einstudierten
Rhythmus-Unterstützung durch das Publikum. Großer Beifall für Janero aber auch
ein Kompliment an das musikalische Publikum.
Als
Walk-in trug Benedict Steilmann zum Motto des Abends bei mit dem Lied „Mississippi“ von Bob Dylan.
Allerdings bezieht sich Mississippi hier nicht auf den Fluss sondern auf den
gleichnamigen Bundesstaat der USA – ein Hinweis auf den Fluss kommt aber auch
im Text vor. Benedict meisterte das schwierig zu begleitende Stück mit schönem
Fingerpicking und sang mit seiner kräftigen, intonationssicheren Stimme – ein
vielbeklatscher Beitrag.
Bob Marabitos Spezialität sind a capella gesungene Lieder ohne Schnickschnack und
Firlefanz. Sein heutiger Beitrag war das bekannte Lied „Sitting on the Dock of
the Bay“ des unvergessenen und leider sehr jung bei einem Flugzeugabsturz ums
Leben gekommenen Otis Redding. Bob machte seine Sache bei dem nicht ganz
einfachen Lied mit seinen chromatischen Passagen wunderbar und bekam den
verdienten Applaus.
Stephan Weidts Beiträge zum Folk Club sind immer kleine Edelsteine und dies gilt auch
für diesmal. „Moon River“, Henri Mancinis ebenso einprägsame wie gefühlvolle
Komposition aus dem berühmten Film „Frühstück bei Tiffany“, sang er mit seiner
wunderbar klaren, variablen und intonationssicheren Stimme zur gekonnten
Gitarrenbegleitung mit schönem Fingerpicking. Großer Applaus für Stephan.
Als ob der Abend nicht schon genug Höhepunkte gehabt hätte, ging es weiter mit einem erneuten Glanzlicht von Tom Hanusch und Birger Klein alias „Strandcafé“. „I Had a Dream“ lautete der erste Titel aus der Reihe ihrer Eigenkomposition. Die beiden glänzten mit wunderbarem zweistimmigen Gesang und schöner Instrumentalbegleitung, Tom auf der Gitarre und Birger mit meisterhafter Beherrschung seiner kleinen Handtrommeln. Verstärkt durch die schöne strahlende Stimme von Renate Dohm bekam das Lied „Sailing“ einen besonderen Glanz. „Enough is Enough“ lautete der Titel eines „Wutliedes“, bei dem sich die Stimmen der drei besonders gut bei den schwierig zu singenden Harmonien (Close Harmonies, wie im Barbershop) ergänzten. Birger setzte einen Schlusspunkt mit einem formidablen Perkussionssolo – wunderbar!
Zum
Schluss des langen Abends brachten Gerd Schinkel und seine Kanuten noch mal Leben in die Bude. „Die Geschichte
von Benjamin Button“ war die witzige Erzählung eines Lebens, das anders als
normal von hinten nach vorn verläuft – ein großer Spaß – Die Sache „endet“ bei
der Zeugung. Die Geschichte stammt von F. Scott Fitzgerald als Kurzgeschichte
aus den 1920er Jahren. Ein Lied auf der Melodie von „Across the Borderline“ von
John Hiatt und Ray Cooder erzählt vom Trugbild des Glücks, das man immer
jenseits der Grenze vermutet. Die vier harmonierten wunderbar bei dieser
getragenen, gefühlvollen Ballade. „Teil mit mir“ handelt von der Kunst des
Zusammenlebens. „Steht das im Weg, bleibt das da steh’n?“ ist ein ironisches
Lied auf fragwürdige Kunstgegenstände, die dem naiven Betrachter ihre
„Kunsteigenschaft“ nicht ohne Weiteres offenbaren – Joseph Beuys’ Fettecke und
der pragmatische, reinlichkeitsbewusste Düsseldorfer Hausmeister lassen grüßen.
In Kölscher Sprache sangen die vier dann das Lied „De Brill“ über das Elend
eines zerstreuten, vielleicht schon etwas älteren Brillenträgers, der seine
Brille vergeblich sucht, die seelenruhig hochgeschoben auf seinem Kopf thront.
Den Abend beschlossen die vier mit dem zur Gelegenheit passenden Lied „Wenn man
vom letzten Lied die letzte Strophe singt“. Großer Applaus der Gemeinde für
einen unterhaltsamen Beitrag mit schöner Musik von Gerd und seinen Mannen.
Trotz
der fortgeschrittenen Zeit fand sich noch eine Gruppe Aufrechter, die das
traditionelle Rausschmeißer-Lied „Jock Stuart“ anstimmte und tatsächlich auch
Unterstützung erhielt. Der Abend war wieder einmal voller musikalischer
Glanzlichter und garniert mit vielen Glücksgefühlen.
Wir
freuen uns auf die Session am 4. April mit der Jazz-Formation „Astatine“ als
Special Guest. Wer sich schon einmal einstimmen möchte, der schaue einmal in
unseren Bericht
vom Mai 2013. Astatine hat damals schon einmal den Folk Club entzückt. Wer John Hurds englische Berichte (mit seinen tollen Fotos)
bevorzugt, dem sei der entsprechende Artikel bei 3Songs Bonn
anempfohlen. Es gibt auch diverse Youtube-Clips der Gruppe um die Sängerin Ana
Maria Cutac – viel Vergnügen!
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