Folk Club Nr. 49 im Juni 2014 – Musik zum Lobe des Herrn
Wenn man einen Folk Club Abend
unter das Motto „Spirituals und Gospels“ stellt, darf man sich nicht wundern,
dass es fromm beziehungsweise spirituell wird. Und so war es dann auch bei der
49. Ausgabe des Folk Clubs im Juni. Dass Musik mit dem Bezug zum Göttlichen
begeistern kann, verwundert nicht. Ist Musik denn nicht schon von sich aus ein
Ausdruck des Göttlichen auf der Erde?
Zum warm werden gab es dann aber
erst mal ein paar Kostproben aus John Harrisons weltlichem Repertoire. „Rambling On My Mind“ von Altmeister
Robert Johnson ist ein traditioneller Blues. John zauberte ein
wunderbares Gitarrensolo hervor, für das er Szenenapplaus bekam. Bei „Silver
City“ von Mance Lipscome – ebenfalls einem der alten Blues-Heroen – erhielt
John Verstärkung von Paolo Pacifico, dessen Mundharmonikaspiel immer
wieder begeistert. Paolo brillierte dann auch mit einem feinen Solo bei „Fare
Thee Well“ (auch bekannt als Dink’s Song). Das traurige Lied einer Frau, die
mit einem Kind unterm Herzen sitzen gelassen wurde und dem Mann dennoch
nachtrauert, erhielt in „Inside Llewyn Davis“ ein filmisches Denkmal. John und
Paolo entwickeln sich mehr und mehr zu einem kongenialen Duo.
So gut eingestimmt durfte sich
das Publikum auf Jutta Brockmann freuen, die mit „Above All Else“ ein
schönes Lied zum Thema des Abends beisteuerte. Das Lied ist ein religiöser
Popsong von Vicky Beeching, einer emanzipationstheologischen Kirchenikone in
England. Mit ihrer weichen und einfühlsamen Stimme gab sie dem melodiösen Lied
eine wunderbares Gewand.
Daniel Macleod aus dem
schottischen Edinburgh sang zwei selbst geschriebene Lieder. „I See You, Can
You See Me” ist eine Liebeserklärung an seine Frau. Das zweite Lied „Wedding
Bells and Heather" hatte Daniel für Freunde geschrieben, die nach ihrer
Heirat ins weit im Nordwesten gelegene Ullapool gezogen waren. Daniels volle
Tenorstimme harmonierte herrlich zur vorzüglich gespielten Gitarrenbegleitung.
Daniels Lieder haben etwas leicht Melancholisches und erinnern in ihrer Art an
die Musik unseres treuen Gefolgsmannes Simon Kempston, der ebenfalls in
Edinburgh lebt. Es erstaunt schon, dass sich beide nicht kennen.
Zurück zum Thema des Abends ging
es mit Larissa Laë, der engagierten Galeristin aus der „Kuhl“
(das ist die wahre – aber jetzt ehemalige – Bonner Altstadt am Rheinufer, im
Kriege und zum Teil auch danach völlig zerstört und später ziemlich scheußlich
wieder aufgebaut), die zusammen mit John Harrison, Steve Perry
und Paolo Pacifico den schönen und melodischen Gospel „Bright Morning
Stars Are Rising“ sang. Die vier meisterten das Lied aus den amerikanischen
Appalachen mit bezaubernder Mehrstimmigkeit – ein Hochgenuss. Auch der
Bluegrass-Gospel „Angel Band“ (von den Stanley Brothers) war für die Vier wie
geschaffen. Der Refrain „Oh bear me away on your snow white wings“ wurde von
der Gemeinde mit Inbrunst mitgesungen – Herrlich! Ebenfalls einen Bezug zum
Religiösen hat das Lied „It Ain’t Necessarily so“ aus dem Musical „Porgy and
Bess“ von George Gershwin. Der Gauner Sportin’ Life versucht seine Zuhörer
davon zu überzeugen, dass ja doch nicht alles stimme, was in der Bibel steht.
Es könnte ihm so passen! John und Paolo durften sich bei Soli austoben – Großer
Applaus.
Zum Thema des Abends passte auch
der immer wieder gern gehörte Werbespot, den Steve Perry in einem
lokalen amerikanischen Radiosender gehört hatte und hier in schönem breiten
Amerikanisch vortrug. Dabei wird der Hörerschaft eine wunderbare Familienbibel
für nur 29,99 $ und als Zugabe ein von Jesus höchstselbst signiertes
leuchtendes Bild angepriesen. Bestellen kann man das Wunderwerk unter dem Code
B-I-B-L-E – zum Piepen! (der Text ist hier nachlesbar).
Larissa hatte aber noch
ein paar Schmankerl parat. Mit ihrer schönen Stimme sang sie einige spirituelle
Lieder in „fremder Sprache“. Der Text hätte auch ein Kunstgebilde ohne konkrete
Bedeutung sein können, der mantraartige Gesang erzeugte eine schwebende
Stimmung, mit der sie die Zuhörer verzauberte – Riesenapplaus für die Vier,
aber ganz besonders für Larissa.
Ein wahres Stimmgewitter löste
danach Petra Koitka („ich bin die Petra aus der Eifel“) über uns aus.
Mit ihrer ungeheuer voluminösen Altstimme trug sie wunderbar melodisch und
eindrucksvoll ihre selbst komponierten Lieder vor. „Time in Your Life“ „Call His Name“ und „I See
the Light“ waren die Titel. Petra, die hier diesmal allein musizierte,
tritt sonst zusammen mit ihren Begleitern Oliver Fregin und Ralf Neukirch als Gruppe
„Acoustic Spirit“ auf.
Nach der Pause gab sich Simon
Wood die Ehre, der schon im Monat davor im Folk Club zwar nicht körperlich
so doch virtuell als Auslöser der Diskussion um Bonner Regelwut bei der
Straßenmusik zugegen war. Der Bonner General-Anzeiger hatte in einem Artikel am
26. April 2014 das Thema über Sinn und Unsinn von speziellen Genehmigungen und
Gebühren für Straßenmusiker aufgegriffen. Simon, der in Bad Godesberg lebt und
dort als Straßenmusiker schon Bekanntschaft mit den sperrigen Behördenregeln
gemacht hatte, war Kristallisationskern des Artikels gewesen. Der Folk Club
nahm den Vorfall zum Anlass für eine Petition an die Stadtregierung, die
Einschränkungen für die Straßenmusik zu überdenken. Wer sich noch in die Liste
eintragen will, möge sich vertrauensvoll an John Harrison wenden.
Als Vorbild für Bonn könnte, so
unsere Recherche, sogar Düsseldorf dienen.
Jawohl, D ü s s e l d o r f !
Dort
gibt es zwar auch Regeln,
die die Musiker ein wenig einschränken, aber man benötigt als Straßenmusiker
keine Genehmigung, und Gebühren werden schon gar nicht verlangt. Dass Bonn sich
ausgerechnet an Düsseldorf ein Vorbild nehmen sollte, müsste allen
kurkölnischen Lokalpatrioten ein wahrer Stachel im Fleische sein! Aber Kölsch
hin oder Altbier her, was recht ist, muss billig bleiben. Und Düsseldorf ist in
dieser Hinsicht nun mal nicht so verschnarcht und provinziell borniert wie
Bonn. Aber wen’s tröstet: Selbst die tolle Weltstadt London würgt gerade mit
abstrusen und undurchschaubaren Regeln einschließlich hierzulande undenkbarer
Eingriffe ins Privateigentum (Konfiszierung von Instrumenten zur Begleichung
von Geldbußen) die Straßenmusik ab. Bei Interesse nachzulesen in der Tageszeitung
„The
Guardian“.
Zurück zur musikalischen Seite
von Simon Wood: Der Mann ist einfach Klasse! Er motiviert junge Musiker zum
Mitmachen und schleppt drei junge Freunde mit in den Folk Club, die voller
Enthusiasmus Simon zu seinen überwiegend selbst geschriebenen Liedern
begleiten. Den Einstieg machten die Vier aber mit „The Whole of the Moon“ von
The Waterboys und zeigten dabei viel Spielfreude. Spektakulärer fand euer
Chronist hingegen die von Simon selbst verfassten Lieder, die er – oh Wunder
über Wunder – in deutscher Sprache textet. Das ist doch mal was. Viele unserer
deutschen Musiker krampfen sich etwas auf Englisch zurecht, und das deutschsprachige
Publikum versteht nur Bahnhof (vielleicht ist es ja manchmal auch besser so).
Da kommt ein Held aus Liverpool daher und zeigt, dass man auch durchaus in der
Muttersprache des Publikums singen darf, na ja, der Mehrheit des Publikums.
Witzige und nachdenkliche Texte hat Simon auf Lager und ganz ohne erhobenen
Zeigefinger – wunderbar. „Ferienprogramm“, das Lied passt gut zur Jahreszeit,
ist ein gute-Laune-Lied, das uns in bester Tote Hosen-Manier einen Monat lang
Sonne verspricht und uns auffordert: „Wir genießen das Ferienprogramm“. Das
Lied „Das ist deine Zeit“ gibt ein wenig zum Nachdenken: Simon ist davon
überzeugt, dass die Dinge, die wir nicht benötigen, von selbst von uns
wegfließen. Übrig bleibt, was seinem Zweck dient. Manchmal wünschte ich, es
wäre so. Simon, du solltest häufiger im Folk Club auftreten! – Dicker Applaus
für die Vier, die sich vom Fleck weg einen Fanclub geschaffen haben.
Kaum zu glauben, dass er noch
einige Stunden zuvor in der Fußgängerzone gesungen hatte: Daniel Cota
aus Mexiko war ein „Fundstück“ von John Harrison auf seinem Weg zum Folk Club.
Irgendwie muss man den Eindruck haben, dass in Mexiko Verstärker generell
überflüssig sind (siehe Folk Club im Mai). Daniels Tenorstimme, mit der er
„Adios Amor“ ein mexikanisches Schmachtlied sang, gleicht einem Vulkan. Bei
„Besa me mucho“ darf dann das Publikum auch wieder mitsingen. Großer Applaus
für Daniel und viel Glück mit seiner Musik.
Noch einen schönen musikalischen
Höhepunkt mit Bezug zum Thema des Abends bescherte uns die Endenicher Gruppe Funny
Thursdays. Rio Reisers („Ton, Steine, Scherben“) Lied „Über’s Meer“ sangen
sie mit schönen Stimmen und voller Inbrunst mit wunderbarer Mehrstimmigkeit.
Chorleiter Jörg Schall betätigte
sich als perfekter Motivator. Bei „Down by the Riverside“ glänzte der Chor mit
herrlichem Bass. Zum Abschied gab es dann no jet för et Jeföhl: „In unserem
Veedel” von den Bläck Fööss.
Noch einmal richtig zurück zum
Thema ging’s dann bei dem letzten Duo des Abends. Miliart nennen sich
die beiden jungen Männer, einer aus Litauen, der andere aus Albanien. „There’s
Power in the Blood of the Lamb“ ist ein Klassiker, und auch “My Redeemer Lives”
von Nicole Mullen kann sich nicht über einen Mangel an Interpreten beklagen.
Das baltisch-balkanische Duo sang seine Lieder mit tollen Stimmen und schöner
Gitarrenbegleitung. Den Abschluss bildete dann noch ein weiterer Klassiker aus
der Country-Ecke: „Praise the Lord, I Saw the Light“. Altmeister Hank Williams
muss vor Freude im Grab rotiert haben, und die Folk Club Gemeinde hing den
beiden an den Lippen – Herrlich! Und wirklich, das letzte Lied sprach die
Dankbarkeit und die Glücksgefühle aus, die uns jedes Mal am Ende eines Folk
Club Abends mit so vielen wunderbaren musikalischen Geschenken erfüllt: Praise
the Lord!
Ganz zum Schluss wurde es denn
dann doch ein wenig weniger andächtig, dafür aber umso intensiver: Die
Musikergemeinde scharte sich um den obligatorischen „Jock Stuart“ und gab dem
Abend einen würdigen Abschluss.
Auf Wiedersehen am 5. September
2014 bei der 50. Ausgabe des Folk Club mit einem besonderen Programm. Diesmal
geht es schon um 18:00 Uhr los und, es gibt zum Start der Veranstaltung einen
kleinen Umzug mit Dudelsackbegleitung durch Graurheindorf zu den früheren
Stätten der inzwischen über vierjährigen Folk Club Historie. Details zum
Programm und zum Umzug findet Ihr in einem Beitrag weiter unten auf diesem Blog.
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