Folk Club Nr. 53 – Simon Kempstons dritter Streich
Ab dem dritten Mal betrachtet
der Rheinländer ein Ereignis als Tradition, wenn nicht sogar als Brauchtum
(Achtung: Anwartschaft auf Weltkulturerbe). Simon Kempstons dritter
Auftritt im Folk Club (und das jedes Mal im Dezember!) darf somit als
traditionell gewertet werden. Die Gefolgsleute seiner Musik hatten sich denn
auch zahlreich eingefunden. Diesmal war Simon mit seinem langjährigen
Weggefährten Adam Nash erschienen, der zu Simons Gitarrenmusik die einfühlsame
Begleitung lieferte.
Aber wie immer: Lasst uns von
vorn beginnen!
Den Anfang machte wie gewohnt
Master John Harrison, der nach
adäquater Begrüßung zusammen mit Paolo
Pacifico das Thema des Abends mit dem Lied „Whisky and Women“ einleitete,
nach eigenem Bekunden wunderbar politisch unkorrekt („Give me strong whisky and
weak women, everything will be just fine. Give me weak whisky and a strong woman You'll break this heart of
mine”). John spielte auf seiner Tri Cone Resonator Gitarre und Paolo auf
seiner geliebten Mundharmonika. Die beiden sind ein wirkliches Team. Damit war
der Einstieg in das Thema des Abends – „Wine, Women and Whisk(e)y“ gleich
geschafft.
Weniger witzig als das
Einstiegslied war danach Johns Eigenkomposition „Trouble and Strife“. Der Text
beschreibt die unglaublich traurige Situation im Sarajewo des Jahres 1991, als
Scharfschützen von den Häusern aus wahllos Passanten abknallten. Paolo konnte
hier seine wunderbare stimmliche Begabung bei der Gesangsbegleitung zeigen.
In der Folge hätte Arthur
Schnitzler seine Freude gehabt, nur dass der anschließende kleine Reigen
weniger erotischer als musikalischer Natur war und sich anders als bei
Schnitzler der Kreis am Ende nicht schloss: Paolo (diesmal Gitarre und Gesang) setzte die Reihe zusammen mit Svenja Jesumann (Geige und Gesang) mit
Bob Dylans Lied „One More Cup of Coffee for the Road“ fort. Svenja und Paolo
harmonierten in den Duopassagen wunderbar.
Anschließend musste Paolo
weichen und Svenja stimmte zusammen
mit Bastian den einst von Lee
Hazlewood und Nancy Sinatra gesungenen Klassiker „Summer Wine“ an – perfekt!
Damit war der kleine Reigen
beendet und weiter ging’s mit unserem neuen Fan Lothar Prünte, der mit seiner unglaublichen Stimme „Whisky in the
Jar“ anstimmte. er wählte dabei die fetzige Version von Thin Lizzy und brachte
seine Stimme, die klang, als sei tatsächlich Whisky drin, perfekt zur Geltung.
Das Publikum kam so langsam in Wallung und verlangte eine Zugabe, die es auch
erhielt mit dem Lied „Black to Black“ der unvergessenen und unglücklichen Amy
Winehouse. Eigentlich sollte es schwer fallen, ein Lied von Amy adäquat zu
interpretieren, aber Lothar ist hierfür der Richtige. Mit seiner ungeheuer
variablen Stimme, die auch in der Höhe klar und leicht tönt, gab er dem fantastischen
Lied eine ganz eigene Prägung. Amy wird sicher am Himmelspöötzche geklatscht
haben so wie das Publikum.
Zuwachs im wahrsten Sinne des
Wortes gab es mit Annette, die zusammen mit Routinier Werner
Krotz-Vogel im Folk Club ihr Debüt gab. Mama Claudia Huismann wird
sicherlich mehr gebibbert haben als Tochter Annette, aber so sind Eltern nun
mal. Mit noch etwas verhaltener aber schön geführter Stimme sang sie das
vieldeutige Lied Lilac Wine von James Shelton, das von Liebeskummer handelt,
der möglicherweise mit Wein erheblich erträglicher gestaltet werden kann. Mit
Annettes schöner Stimme und Werners professioneller Begleitung wurde das
kunstvolle Lied ein Erlebnis. Was haben wir doch für ein tolles Thema des
Abends. Kaum ein Auftritt, der sich am Thema vorbeimogelt, wer will dies auch
schon! Leider hatten die beiden nur das eine Stück im Gepäck. Hoffentlich gibt
es eine Neuauflage.
Jörg Bohnsack und Steve Perry
steuerten danach ihre Interpretation des Themas mit dem Lied von Ian Tyson
„Navajo Rug“ bei. Hier geht es etwas deftiger zu als im zarten, zuvor
vorgetragenen Lied. Passend zum Country-Stil des Stückes spielte Steve seine
Viola Caipira als Slide Instrument. Besonders schön klang der zweistimmige
Refrain des Liedes.
Wir bleiben bei der
Country-Musik, aber die Truppe um Jörg und Steve wird deutlich
aufgebohrt: Thomas Bandholtz, Barbara Kloep, GW Spiller
und Paolo Pacifico sorgen für den richtigen Sound beim Lied „Cigareets,
Whuskey and Wild, Wild Women“ von Tim Spencer – eindeutiger geht’s nicht mehr.
Dem Dreivierteltakt sei Dank – sofort kam Schunkelatmosphäre auf – der Karneval
naht! Beim Einspielen schien GW Spillers Tuba besonders den bis dahin ganz
ruhig zuhörenden Airedale Terrier mächtig zu beeindrucken – Das gute Tier
wollte auf einmal auch mitsingen!
Kleiner Stilwechsel: Bei „Femme
Fatale“ und „Pale Blue Eyes“ von Velvet Underground lebte die Zeit der 60er
Jahre wieder auf! Zum Abschluss gab’s noch ein Stück der 17 Hippies: „Marlène“.
Hierbei kam Barbaras Geige besonders schön zur Geltung.
Endlich durften die lang
erwarteten Gäste aus Schottland ran: Simon Kempston begrüßte die Zuhörer
auf Deutsch! Die viele Zeit, die er bei seinen Tourneen in deutschsprachigen
Ländern zugebracht hat, ist offenbar nicht spurlos an ihm vorüber gegangen.
Simon hatte erstmals seinen langjährigen Begleiter Adam Nash
mitgebracht, der mit seiner Geige Simons Liedern einen zarten und
eindringlichen Rahmen gab. „To The Wilderness“, „The Underdog Soldier“, „The
Bleeding Mile“, „Roland“ und “A Young Soldier in Fort George” waren die Lieder
des ersten Sets. Den zweiten Teil startete Simon mit einem wunderbar
transparenten Instrumental-Intro („The Flotterstone“), das ansatzlos in das
Lied „The Consequences of a Kiss“ überging – eine schöne Kombination. Die Titel der weiteren Stücke
lauteten „Estranged“, „Ladies’ Lookout“, „Careless Interventionist“, „The Dust
and the Paint“ und „Bus to Nairn“. Großer Applaus für die beiden
begnadeten Künstler, die sich schon für den Dezember 2015 angemeldet haben.
Es ist beeindruckend zu erleben,
wie sich Simons Musik weiterentwickelt und von Jahr zu Jahr immer neue Facetten
hinzu kommen. Auch bereits bekannte Lieder klingen immer wieder anders. Simon
erfindet stets leicht abgewandelte, kunstvolle Gitarrenbegleitungen. Überdies
ist Adams Geigenspiel mehr als nur eine Umrahmung der Lieder, sondern formt ein
filigranes Tongewebe, das Simons ausdruckvolle Lieder perfekt ergänzt.
Nach der Pause wurde es
weihnachtlich: Unterstützt von Barry, Detlef und Paolo
wurde „Stille Nacht, Heilige Nacht“ in drei Sprachen vorgetragen und das
Publikum nahm die Aufforderung zum Mitmachen dankbar an.
Jutta Mensing, Mario
Dompke und Janero del Rosario setzten das Weihnachtsthema fort und
erinnerten mit einer Adaption von Mike Hardings Lied an Weihnachten 1914, als
es zu dem vielzitierten weihnachtlichen, friedlichen Treffen der feindlichen
Truppen zwischen den Schützengräben kam – herzergreifend.
Neulinge im Folk Club aber alles
andere als Neulinge in der Musik sind Jan Hoffmann (Gesang und Gitarre)
und Volker Lindner (Geige), die sich als Duo „Folkscheuche“ vorstellten.
Es wurde aber niemand verscheucht und schon gar nicht der Folk. Im Gegenteil,
mit ihrer fetzigen Musik machten sie Lust auf Mehr. Den Start bildete ein
Instrumental, das sinnigerweise „Vogelscheuche“ hieß. „Urlaubsangst“ war der
Titel des folgenden Liedes. Mit dem Lied „Wie beim allerersten Mal“ machten die
beiden musikalische Anleihen bei englischer Volkstanzmusik (Jig) und leiteten
am Ende über in ein Thema der Rockband East of Eden – sehr apart.
Ute (Flöte) und Genia
(Gitarre) zeigten, dass auch rein instrumentale Stücke sehr einnehmend sein
können. Sie spielten wunderbar melodisch alte und neue Tänze unter anderem mit
französischen Wurzeln, wie den An Dro, den bretonischen Drehtanz. Eine Mazurka
hingegen war eine französische Neukomposition. Den Abschluss bildete ein
schottisches Stück von Andy Cutting und seiner Band Blowzabella.
Wieder ging ein Abend mit
zahlreichen Überraschungen und musikalischen Glanzlichtern zuende, allerdings
nicht ohne dass Musiker und Publikum den alten Rausschmeißer „Jock Stewart“
gebührend besungen hätten.
Wir freuen uns auf das sechste
Jahr Folk Club Bonn.
Auf Wiedersehen im Januar 2015.
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