Folk Club
Nr. 55 im Februar 2015 – „Lustige Lieder”
Offenbar ist
dieses ziemlich harmlos anmutende Motto für einen Folk Club doch erheblich zu
ambitioniert, und das obwohl wir mitten im Karneval waren. Der typische Folk Club-Künstler liebt nun mal traurige
Lieder, Lieder, die von der bösen, ungerechten Welt handeln, das Thema Liebe in
allen Variationen, oftmals natürlich um das Leid, das die Liebe verursacht,
behandeln – seufz! Nun, ganz ohne lustige Lieder verlief der Abend nicht, aber
auch der unlustige Teil war wie immer äußerst hörenswert.
Den Anfang
machte traditionell John Harrison mit einem Lied im klassischen
Blues-Muster „All by Myself“ von Big Bill Broonzy. Zusammen mit Steve Perry
sang er „The Man That Waters the Workers' Beer“. Das Lied beklagt den
hinterhältigen Brauer, der das Bier der schuftenden Arbeiter mit Wasser
streckt. Steve benutzt seine Waldzither als Slide Guitar, sehr apart. In die
lustige Kategorie fällt das Lied „The Librarian’s Lament“, das John und Steve gemeinsam a capella
sangen. Das Lied benutzt ein witziges Wortspiel, das aus der Aussprache von
„pawnbroker“ (Pfandleiher) herrührt. Schnell ist eine unbeabsichtigte
Verbindung zu „Porn“ hergestellt. Das Erkennungszeichen der Pfandleiher, drei
goldene Kugeln an der Geschäftstür werden schließlich für die Aussage „he is
the man with three balls“ umgemünzt. Witzig auch Steve als Frau des
Pfandleihers mit strubbeliger Perücke.
Alles andere
als lustig war Janero del Rosarios Beitrag in seiner Muttersprache
Tagalog. Das Lied handelt über die Gedanken, die sich jemand über einen Freund
macht, nachdem dieser Selbstmord begangen hat. „Hoy, hoy Buloy“ stammt von der
philippinischen Gruppe Parokya ni Edgar (Edgars Gemeinde).
In die
Liedermacherwelt der 1970er Jahre entführte uns danach GW Spiller.
Ulrich Roskis satirisches Lied mit dem für Roski charakteristischen
Sprechgesang „Des Pudels Kern“ war damals ungeheuer populär, aber heute kennt
es kaum noch jemand – ein herrlicher Beitrag zum Thema des Abends.
Ebenfalls aus
der lustigen Kiste kam der Beitrag der „meoneo-Family“ (Claudia
Huismann und Werner Krotz-Vogel zusammen mit Claudias Kindern Annette
und Jan sowie GW Spiller). Den Nonsens-Ohrwurm „Mana-Mana“, der
durch die Puppen-Interpretationen aus Sesamstraße und Muppet-Show weltbekannt wurde, nahm das Publikum
begeistert auf. Annette und Jan steuerten sogar die nötigen Puppen-Einlagen
bei.
Werner
startete danach ein kleines Ratespiel nach dem Motto „erkennen Sie die
Melodie?“ Ratefuchs und Musikprofi Mario Dompke war der schnellste, der
nach den ersten Takten schon „Das Loch in der Banane“ identifizierte und
erhielt als Preis eine Banane. Das Instrumentalstück von Klaus Weiland diente
im NDR-Fernsehen jahrelang als Pausenmusik und gilt als eines der bekanntesten
deutschen fingerstyle-Stücke – Natürlich hat auch Werner die Melodie im
Repertoire – Klasse.
Benedict
Steilmann und seine Schlagzeugerin Julia beschäftigten sich danach
mit dem Schlaraffenland der Hobos, der amerikanischen Landstreicher. „Big Rock
Candy Mountain“ von Harry McClintock ist das Lied über das Land, wo dem
Landstreicher die gebratenen Tauben (und natürlich Zigaretten, Whisky usw.)
buchstäblich ins Maul fliegen. Ein tolles Land, wo man sogar seine Socken nicht
zu wechseln braucht. Julia machte aus der Not eine Tugend und benutzte eine
Stuhllehne als Schlagzeug.
Mit Abstand
die jüngsten Musiker des Abends waren Michael und Tilman („schon
15 oder doch erst 14?“), die sich gleich an einem Klassiker versuchten: „All
Along The Watchtower“ von Rock-Legende Jimi Hendrix. Die beiden Jungs waren
eine Wucht. Auch die nicht einfachen Gitarrensoli meisterte Michael mit
Bravour. Bei „Sweet Home Chicago“, konnten beide erneut ihre schönen kräftigen
Stimmen und ihr Können an den Gitarren bei den klassischen Blues-Riffs
einsetzen. Ein kleiner Beitrag zum Thema und die an dem Abend (leider) einzige
Referenz an die 5. Jahreszeit war zum Abschluss „Pirate“ von Kasalla. Das
Publikum war begeistert. Auch dem anwesenden Gitarrenlehrer der beiden, Ralf
Wackers, der schon mehrfach selbst mit seiner Folk Band Currach im Folk
Club aufgetreten war, gebührt ein dickes Lob für die Ausbildung der beiden
jungen Musiker – mehr davon!
Erster
„Featured Artist“ des Abends war Tom Kannmacher, der zuletzt 2011 einen gefeierten Auftritt im Folk Club
hatte. Damals trat er mit dem komplizierten irischen Dudelsack (Uilleann Pipes)
auf. Diesmal brachte er die sogenannte Gitarrenlaute mit, ein altes
traditionelles deutsches Zupfinstrument (schaut mal auf die Bildergalerie!).
Traditionell waren auch seine Beiträge, aber wer kennt diese schönen deutschen
Volkslieder noch? „Ein Spielmann ist aus Franken kommen“ handelt von einem
Spielmann, der Einlass in den Himmel begehrt. Er muss wohl ein ziemlicher
Taugenichts gewesen sein. Erst die Fürsprache der Kinder, die seine Musik so
lieben, erweicht das Herz des Herrn – ergreifend gespielt. Seitensprung und
Erpressung ist das Thema beim Lied „Der Wasserkrug“, bei dem eine Dienstmagd
beinahe Opfer der Eifersüchteleien ihrer Dienstherrin wird und sich nur durch
den Hinweis auf deren eigene außereheliche Betätigungen retten kann. Ebenfalls
um heimliche Liebe geht es bei den Liedern „Der Bettelmann aus Ungarland“ und
„Das Geigenbüwele“ – herrlich gespielt und gesungen.
Ein recht
ungewöhnliches Instrument ist die Epinette des Vosges (Vogesenspinett), das uns
Tom mit dem nächsten Lied vorstellte. Dabei handelt es sich um eine Vertreterin
der sogenannten Bordunzithern und ist mit dem Scheitholt verwandt und auch mit
dem Appalachian Dulcimer, den wir im Januar zu hören bekamen. Das Lied vom
Edelmann und seinem Knecht setzt das Thema heimliche Liebe, Untreue usw. fort.
Wieder mit
der Gitarrenlaute spielte Tom danach die Lieder „Es war einmal eine Müllerin“,
„Das Lied vom Tannhäuser“ und das mit Textpassagen auf Deutsch und Französisch
versehene Lied „Il faut toujours lustig sein“ aus Lothringen. Großer Applaus
für Tom Kannmachers wunderbare Interpretationen und seinen Beitrag, fast
vergessenes Liedgut in Erinnerung zu bewahren.
Nach der
Pause setzte Jutta Mensing mit einem wunderschön a capella gesungenen
Lied „Es war einmal ein Mädchen“ Toms Thema von kleinen Betrügereien in
Liebesangelegenheiten fort.
Einen
mittelschweren Knoten im Gehirn verschaffte uns Barry Roshto als zweiter
Aufwärmer nach der Pause mit seinem Lied „I’m My Own Grandpa“. So verwickelt
können Familienbeziehungen kaum sein, oder etwa doch? Im Internet kursieren
jedenfalls Notizen von Leuten, die sich stundenlang damit beschäftigt haben,
die durch das Kreuz- und Quergeheirate von Vater und Sohn entstandenen
verzwickten verwandtschaftlichen Beziehungen aufzudröseln – herrlich!
Gerhard Haug
sorgte dann auf dem von ihm vor der Session gestimmten Klavier (großes
Dankeschön!) mit einigen Jazz Klassikern (u.a. „Misty“ von Erroll Garner) für
Wohlfühl Effekte.
In eine
komplett andere musikalische Richtung drehte uns unser zweiter „Featured
Artist“ des Abends David Blair aus Kanada. Mit seiner ungeheuren
stimmlichen Vitalität und seinem gekonnten Gitarrenspiel gab er uns ein paar
Kostproben aus dem Repertoire seiner selbst geschriebenen Lieder. Wunderbar
poetische Texte kombiniert er mit Melodien, die dem Ohr schmeicheln. „This is
the Soundtrack to Our Conversation“, When I think of You“, „Stronger, Higher,
Faster“, What I’m Worried About“, „Nothing Left to Prove“ waren einige Titel seiner
Lieder. Witzig war seine Interpretation des Hits von Britney Spears „Baby One
More Time“, bei dem er den Refrain ins Deutsche übertrug „Schlag mich Baby noch
einmal“ – zum Piepen! Eine tolle Interpretation lieferte er ferner bei dem
Elton John Hit „Your Song“. Bemerkenswert war seine wunderbare Stimmbeherrschung
auch in der Höhe und der mühelose Registerwechsel von Brust- zu Kopfstimme –
Wir können uns glücklich schätzen, dass David bei uns auf seiner Tour durch das
nördliche Europa einen Abstecher gemacht hat, einfach Klasse.
Als Floor Spot hatte sich kurzfristig Matthew Phillips
aus London angesagt, der sich als ein echter Kracher entpuppte. „Crime And
Punishment“ und „Cold Blood“ waren die Liedtitel, die euer Chronist verstanden
hat. Dazu kam noch ein Lied über eine Begegnung eines Mannes und einer Frau bei
einem Flug über den Ozean. Das Flugzeug stürzt aber ab. Verwunschen und
hintergründig sind seine Texte, filigran und verwegen die Melodien. Seine
äußerst variable und voluminöse Stimme erinnert zuweilen an Bryan Ferry von
Roxy Music. In England ist er mit der Band Kites aktiv. Wir können nur hoffen,
dass auch er uns einmal wieder mit einem Auftritt beglücken wird.
Der Abend war wie fast immer wieder voller positiver
Überraschungen und musikalischer Glücksgefühle. Natürlich ging er nicht zuende,
ohne dass der übliche Rausschmeißer Jock Stewart gebührend gewürdigt wurde.
Auf Wiedersehen bis zum 6. März. Wir erwarten dann als
„Featured Artist“ den Kanadier Paul O’Brien. Wer Lust hat, kann sich hier schon einmal auf seine Musik
einstimmen.
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