Laaaadiiiees and Gentlemen – Steve Perry’s Stimme
dröhnte durch den Saal! Wie jetzt? Hab ich was verpasst? War das
nicht immer John‘s Part? Natürlich, so auch diesmal zum 59ten
Folkclub in Bonn – nur Steve wurde aufgefordert gleich zu Begin des
Clubabends auf die zentralen Video- und Tonaufnahmen hinzuweisen, mit
denen die Künstler ein Dankeschön für ihren unendgeld(t)lichen
Auftritt erhalten und gleichzeitig ein Wildwuchs von Handyaufnahmen
bei youtube verhindert werden soll. Nun, um diese Botschaft
rüberzubringen verschaffte er sich mit einem zweiten Laaaadiiiees…
den Rest könnt ihr euch denken.
Aber dann ging es los. Mit dem kleinen Wörtchen „If“, welches als
Einleitung des Konjunktives die Welt verändert, führte John
Harrison in gesungener Gedichtsform in das Thema des Tages – A Capella – ein.
A Capella bezeichnet nach Wikipedia in der Ära ab dem späten 16.
Jahrhundert eine Kompositionsweise für mehrstimmige kirchliche
Vokalensembles mit fakultativer Instrumentalbegleitung, ab dem 19.
Jahrhundert Chormusik ohne Instrumentalbegleitung, heute ein Genre
der Popmusik, bei dem ein Close-Harmony-Vokalensemble ohne oder mit
minimaler Instrumentalbegleitung auftritt und einen Teil eines
Musikstücks der Popmusik, bei dem die Instrumentalbegleitung
aussetzt. Nun wisst ihr’s .
Weiter ging es mit einer a-capella Interpretation des allseits bekannten
irischen Liedes „Danny Boy“. Lieber John, das war große Spitze.
Ähnlich gerührt war ich bei diesem Lied bisher nur vom Vortrag von
Sinead O’Connor – natürlich auch a-capella.
Paolo Pacifico setzte den Reigen mit dem Lied "Birds been blue" fort. Eine
Annette, die er von seiner Wanderschaft durch Frankreich mitgebracht
hat – viel Zeit zum Singen hat man ja beim Wandern.
Den ersten Bruch in der a-capella Reihe brachte John Hurd
mit seiner Hommage an B.B. King und dem Lied „One kind favour“
auf die Bühne, nämlich eine Gitarre. Aber erstens ist das ja nach
Wikipedia erlaubt (minimale Instrumentalbegleitung) und zweitens
wollte John eine Überleitung zum ersten special Guest des Abends
bereiten. Nach dem beeindruckenden Vortrag von John Hurd blieb
nämlich die Gitarre gleich auf der Bühne. Diese hatte er sich von
Linda Sutti geliehen, die nun mit einer unwahrscheinlich schönen und zugleich
ausdrucksstarken Stimme ein paar ihrer eigenen Lieder vortrug. Leider
ist Linda es nicht gewohnt ohne Anlage zu spielen und so schön ihre
Stimme ist, sie ist auch leise. In Kombination mit dem schönen
Wetter, vielen Besuchern (und anderen Gästen), die auf der Terrasse
saßen, und weit geöffneten Türen kamen so ihre schönen Texte von
„Hurry“ und „With a thrill“ nicht über die ersten zwei
Reihen des Publikums hinaus. Beim dritten Lied „Sunday“ hatte sie
aber das Publikum in der Hand. Jetzt war Aufmerksamkeit pur angesagt
und Linda erlebte, was es heißt im Folkclub Bonn zu spielen. Keine
Musik aus Lautsprechern, aber ein Publikum was auch in großer
anwesenden Anzahl leise, konzentriert und mit viel Spaß zuhören
kann. Um es vorweg zu nehmen. Auch in ihrem zweiten Teil hatte Linda
die gesamte Aufmerksamkeit auf ihrer Seite. Jeder konnte ihr dann
auch ansehen, wie sie sich selbst wunderte und sich über die
einzigartige Atmosphäre des FCB freute, die sich in der freudige
Entgegennahme von Musik als Geschenk und der spontanen Fähigkeit des
Publikums mit zu machen ausdrückt. Drei weitere, eigene komponierte
Lieder waren in ihrem zweiten Auftrittsteil zu hören: „Wild Skies“
gleichzeitig auch Titel ihrer CD, „Down on the Road“ mit dem sie
bewies, dass sie auch abwechslungsreich Gitarre spielen kann und
„Biggest fish in the River“ sind alle auch auf ihrer CD zu hören.
Aber damit nicht genug. Eine Zugabe war Pflicht und lautstark
forderte das Publikum auf ihre Frage „You want an original or a
cover“ natürlich ein original – wenngleich mit dem Zusatz „und
danach ein cover“. Also zwei Zugaben. „Bicycles“ als
Eigenkomposition (also nicht das von Queen
) und dann der schöne Aretha Franklin Titel „Chain of fools“.
Hier erklangen vokale Improvisationen als Unterstützung für Linda
aus verschiedenen Bereichen des Publikums. Linda hatte ihren Spaß
und einen großen Auftritt.
Aber Sprung zurück in die erste Hälfte des Folkclub Abends. Nach Lindas
Gesang erklommen vier Musiker die Bühne – paritätisch ausgewogen
oder gegendert, jedenfalls zwei Frauen und zwei Männer, mit dem
selbsterklärendem Namen JUST
4. Trotzdem wurde ein wenig erklärt und die Geschichte erzählt, wie sich vier
Menschen zusammenfanden, sangen und sich eben diesen Namen gaben,
dann aber einer wieder ausschied (der übrigens Santiago hieß) und
das Glück es wollte, dass Stefan, mit dem Anfangsbuchstaben „S“
zu Ihnen stieß und so der Name erhalten bleiben konnte – nicht
weiter ausgeführt, ist hier der Schluss zulässig, dass jeder
Buchstabe des Wortes „Just“ für einen Vornamen steht. Aber nicht
genug mit solchen Wortspielereien. Das erste Stück wurde eingeleitet
mit der Bemerkung, dass die Begrüßung von John „Laaaadiiieees…
(hatten wir das nicht schon mal) uneingeweihte Erstbesucher des
Folkclubs nicht nur erschreckt, sondern eingeweihte Besucher auch
happy macht – was liegt näher, als das Lied „Happy“ von Pharel
Williams zu singen (hach, wenn die Brücken dieser Welt alle so
leicht zu begehen wären). Beschwingt und vierstimmig,
intonationssicher und mitreißend brachten die vier Juster das
Publikum so richtig in Fahrt. Weiter ging es mit Bloom aus der Moon
Safari und den Abschluss macht die kalifornische Barbara, der von den
Beach Boys spontan auf einer Party ein Lied gewidmet wurde. Die Party
des Folkclubs war zwar nicht in Kaliforniern, aber die Temperatur des
Abends, die Sonne und die Stimmung ließen „Barbara Ann“ nichts
vermissen. Und wenn der Applaus die Bezahlung für die Künstler ist,
sind Just 4 reichlich bezahlt worden – wenn die sichtbare Freude
über solchen Applaus die Bezahlung des Publikums ist, so ist auch
dieses mehr als nur entlohnt worden. Ich habe selten so glückliche
Gesichter während des Applaus‘ gesehen.
Wer hätte das gedacht – eine Orgie im Folkclub und dann auch noch eine
richtig unanständige. Ein „One Night Stand“ auf
der Bühne, mit 13 Personen – wenn das nicht Feuer, Temperament und
Emotionen verspricht. Und genau das hat er gebracht. Singend kamen
die 13 mit dem Lied „Cueca Boliviana“ in den Raum, singend
bezogen sie ihr Publikum ein und singend gaben sie mit dem
walisischen Lied „Ar hyd y nos“ oder all „through the night“
Sprachunterricht – zwei Strophen walisische, zwei Strophen englisch
und eine Strophe in Deutsch. Den Abschluss sollte die Rose von Bette
Midler bilden – was für eine Vorführung. Es passte zu dem One
night Stand – hier wie dort wurde das Gefühl von Tränen, Träumen
und Traurigkeit beschrieben. Natürlich durfte nach so einem Vortrag
eine Zugabe nicht fehlen, die auch gleich mit einer wunderschönen
Interpretation von „Parting Glass“ gegeben wurde.
Nach zwei Chören kehrte der Abend sich erst mal vom a-capella Gesang ab
und eroberte den Blues. Frank en Piet – schon einmal Gast beim Folkclub gewesen
– kamen direkt aus Belgien
auf die Bühne und bluesten was das Zeug hielt. Leider habe ich den
Namen des ersten Titel nicht mitbekommen, aber Gesang, Gitarre und
Bass haben mich auch ohne Namen in ihren Bann gezogen. Später kamen
dann auch noch Mundharmonika und Tambourin auf einer Hihat
Fußmaschine hinzu und so wurden die musikalische Erklärung, was
Frank en Piet den ganzen Tag lang tun (Sing my life away), ein
weiteres biografisches Detail (I sing the blues) und als Zugabe eine
Inhaltsangabe (singing songs of freedom) zu einer Lehrstunde des
Blues. Blues ist mehr als 12 Takte in einer Kadenz aufgeteilt. Blues
ist Gefühl, Blues ist Seele, egal in welchem Takt. Auch hier ein
Sprung direkt in die zweitel Hälfte des Abends, denn Frank en Piet
machten nach der Pause dort weiter, wo sie vorher aufgehört hatte.
Mitten im Blues. Auch beim Thema knüpften sie mit dem Lied „singing
from my way to freedom“ dort an, wo sie aufgehört hatten. „Be
for real“ wurde dann noch als Lied genommen, welches aus dem Leben
von Frank en Piet erzählte. Beim letzten Song (zumindest vor der
Zugabe) nahm aber niemand die beiden mehr ernst, denn wie könnten
sie so einfühlsam für ein Publikum singen, welches sie hassen? „I
hate my public, I’m only here for money“ so ihre Aussage. Das
Publikum rächte sich natürlich sofort, indem es die beiden auch
ohne Geld einfach weitersingen ließ. Eine eindeutige Entscheidung
für die Zukunft. Franke en Piet dürfen/ sollen immer wieder kommen.
Nach den beiden wieder a-capella. Ralf Gogo freute
sich alle wieder zu sehen, was er mit seiner Interpretation des Alan
Taylor Songs „It’s good to see you“ zum Ausdruck brachte.
Danach sang er gemeinsam mit dem Publikum das große politische Lied
von Joan Baez „Here’s to you“ welches als Protestlied gegen die
Hinrichtung von Gewerkschaftsfunktionären geschrieben wurde.
Dann war wieder mehrstimmiger Gesang angesagt. Funny Thursdays kam
als Chor in großer Anzahl auf die Bühne. Ihr Chorleiter Hansjörg
Schall - in Folkclubkreisen auch Mister Paprika genannt, weil, wer so intensiv
aktiv ist, muss Paprika im A… haben
- er verstand es mit viel Witz und musikalischem Können zu zeigen,
wie harte Arbeit Spaß machen kann. Ob mit französischer Ansage die
mehrstimmige Interpretation von Champs Elysee angekündigt wurde, ob
eine sentimentale Reise (Sentimental Journey) mit kölschen
Kommentaren versehen oder ob ein 800 Jahre altes Lied als „noch
nicht so alt, die Chinesen können noch älter“ oder „ist 800
Jahre alt, aber groovt wie Teufel“ kommentiert wurde, Funny
Thursday machte vor, dass die älteste friedliche Kommunikationsform
der gemeinsame Gesang ist. In diesem Sinne wurde das Publikum direkt
mit einbezogen und musste einen kleinen Kanon als Begleitung des
großen Kanons singen.
Last but not least (auch, weil ja danach der zweite Part von Linda Sutti
kam, aber darüber habe ich ja schon berichtet), kam fresh!
auf die Bühne. Schon nach dem ersten Lied (No more Sorow) erklärten
sie: Wie ihr sicher erkannt habt, das war Barber Shop (Wikipedia:
Barbershop-Gesang ist überwiegend homophone
A-Cappella-Musik mit einem vierstimmigen Akkord auf jeder Melodienote. Die Melodie
wird von der Führungsstimme („lead“) gesungen; diese liegt unter
dem Tenor. Der Bass singt die tiefsten Begleittöne, während der
Bariton die Akkorde vervollständigt.“). Und weiter ging es in
guter Frisör Manier mit Satzgesang der Melodien „You are my
sunshine“ und „Midnight Serenade“. Auch fresh! musste eine
Zugabe geben und die hatte es in sich. Trude Herr wurde sozusagen auf
die Bühne geholt, als die Aussage „Niemals geht man so ganz“
musikalisch erläutert wurde.
Was bleibt noch zu sagen?
dass John Harrison mit Linda Sutti and all together now das Prestige Auto
der Deutschen auf die Bühne holten und Janis Joplin eine Hommage mit
„Mercedes Benz“ brachten. Paolo Pacifico stellte hier wieder
einmal seine Klasse vor, indem er mal ganz spontan eine Strophe
dieses Liedes auf der Mundharmonika interpretierte.
und natürlich, dass auch diesmal wieder der Schirmherr des Club
gebührend zum Schluss geehrt wurde – Jock Stewart, ohne ihn geht
beim FCB gar nichts.
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