Folk Club Nr. 58 am 1. Mai 2015 – Jahreszeiten
Der Folk Club
im Mai ist natürlich für das Thema „Jahreszeiten“ prädestiniert, denn in
welchem Monat wird mehr als im Mai über die Natur und insbesondere über das
erwachende Leben in Feld und Flur geschwärmt? Leider trübte auch diesmal ein
schreckliches Ereignis die Freude: Einige Tage zuvor gab es einen Zwischenfall
im Bereich Betreutes Wohnen des Vereins Haus Müllestumpe, bei dem ein
behinderter Bewohner durch Gewalteinwirkung eines Externen ums Leben kam. John
Harrison bat die Besucher um eine Schweigeminute.
Johns Lied
„St Louis Blues“ zum Einstieg in den Abend war dann auch recht passend zu dem
traurigen Ereignis. Natürlich durfte zum Auftakt auch ein Gedicht nicht fehlen.
„Dandelion“ ist der englische Ausdruck für den Löwenzahn (Verballhornung aus
dem Französischen – dent de lion), der um diese Jahreszeit die Wiesen mit einer
gelben Blütenpracht erfüllt, aber von vielen als Unkraut betrachtet wird. „The difference between a weed and a
flower is an opinion“ war Johns Kommentar dazu – Recht hat er. Aber der
arme Gärtner, der sein Gemüse nur mit Mühe gegen die zähen Korbblüher
verteidigen kann, hat irgendwie auch Recht. Auch ein Beitrag zum Thema des
Abends war Johns humorvolles Lied über die Ente „Zeppelina“, die es sich vor
Jahren zum Brüten im Harrisonschen Blumenkasten in Bad Godesberg gemütlich
gemacht hatte. John wurde dabei gekonnt und stilsicher von Paolo Pacifico
auf der Mundharmonika begleitet.
Mit einem
Lied aus Steve Crawfords schottischer Heimat ging es ins nächste Set.
Steve und Sabrina Palm sangen und spielten das Lied „Mill o’Tifty’s
Annie“ aus dem 17. Jahrhundert, das davon handelt, dass sich die Tochter des
Schmieds in den örtlichen Trompeter verliebt. Die Sache geht allerdings eher
traurig aus und endet in einem Ehrenmord der eigenen Familie an der Tochter.
Steves schöne Stimme und Sabrinas gekonnte, aber sparsame Geigenbegleitung
geben dem Lied die melancholische Stimmung. Lustiger ging es bei den
instrumentalen Tanzstücken der beiden zu, die mit großer Spielfreude und
wunderbarer Virtuosität vorgetragen wurden. Ein herzlicher Applaus für Steve
und Sabrina!
Mal etwas
Neues brachte Doris Meyer in den Folk Club, die eine Kurzgeschichte von
Reiner Kunze rezitierte und dabei musikalisch von Steven Perry auf der
Viola Caipira begleitet wurde. Doris Meyer, die Lehrerin im Ruhestand, die in
Bonn durch ihr Engagement für zahlreiche Projekte vor allem für Kinder bekannt
ist, gab der Geschichte „Der Dichter und die Löwenzahnwiese“ durch ihre
unvergleichliche Rezitationsstimme eine wunderbare Gestalt. Das scheinbar
Heitere der tiefsinnigen Geschichte um die Pflanze mit dem unbändigen
Lebenswillen (siehe oben – verflixtes Unkraut!) vermochte sie ebenso leicht zu
vermitteln wie die Aussage hinter dem Vordergründigen – wahrhaft meisterlich!
Heiter und
beschwingt kam Amor daher, der mit seiner Ukulele ein unterhaltsames
Potpourri verschiedenster Melodien darbrachte. Spektakulär war dabei, dass der
Musiker es tatsächlich fertig brachte, sein Instrument während des Spielens
nachzustimmen. Chapeau für Amor!
Nicht nur mit
gekonnten und höchst professionellen Berichten und Bildern vom Folk Club und
anderen Musikereignissen sondern gelegentlich auch mit eigenen Musikbeiträgen
wartet John Hurd auf – ein Tausendsassa! Diesmal hatte er sich das Lied
„And the Band Played Waltzing Matilda“ von Eric Bogle vorgenommen. Das Lied
handelt von der schrecklichen Schlacht vor Konstantinopel im ersten Weltkrieg,
bei der auf Seiten der Türken und der Entente insgesamt rund 100.000 Soldaten
zu Tode kamen und 250.000 verwundet wurden. Das Ereignis jährte sich aktuell
zum 100. Mal. Vor allem junge, unerfahrene Soldaten aus Australien und
Neuseeland wurden dabei auf britischer Seite „verheizt“. Mit dem australischen
Volkslied „Waltzing Matilda“ wurden damals die Soldaten beim Aufbruch nach
Europa verabschiedet. Bemerkenswert ist Eric Bogles Anklage der Arroganz und
Verantwortungslosigkeit der seinerzeitigen britischen Militärführung, die so
viele junge Männer in einem miserabel geplanten Feldzug in den sicheren Tod
führte und die Invaliden hernach einem elenden Schicksal überließ. Dies hebt
sich wohltuend von vielem Heldengeprahle ab.
Hermann
Josef Wolf alias „Fliege“ ging den 1. Mai als Tag der Arbeit und vor allem
des Arbeiterprotests an. „Komm Bruder trink dran, der Krug ist voll“ war sein
Beitrag zum Tage.
Gleich zu
sechst rückte die Truppe Zaiten-Pfeifer aus Windeck an. Die Gruppe
besteht aus Richard Wegmann (Klarinetten, Flöten und Gesang), Christoph
Nigg (Drehleier, Ukulele und Gitarre), Frank Christgen (Gitarren und
Gesang), Norbert Schuster
(Kontrabass), Gabi Manns (Schlagzeug)
und Marion Nigg (Gesang), die den
erkrankten Willi Fichtel (Gesang,
Flöten und Mandoline) vertrat. Ihre Musik sprühte vor guter Laune und heizte
dem Publikum gleich richtig ein. „Mädel lass zum Tanz dich führen“, das alte
Volkslied war mit der vielstimmigen Besetzung wunderbar vorgetragen. Noch gut
in Erinnerung ist das Lied der niederländischen Gruppe Bots „Sieben Tage lang“,
bei dem es vor allem ums Trinken geht. Das gilt auch für das Lied „Es gibt nur
Wasser“ von Santiano. Vielleicht waren die Liedtitel ein Ansporn an die
Müllestumpe-Besatzung, die Gäste nicht zu lang auf Getränke warten zu lassen.
Jedenfalls zeigte der stürmische Applaus, dass Zaiten-Pfeifer mit ihrer
schwungvollen Musik die richtigen (Z)Saiten beim Publikum zum Schwingen
gebracht hatten.
Kanadische
Musiker haben im Moment im Folk Club Konjunktur. Steve Perry hat offenbar seine
Beziehungen in das nordamerikanische Land heftig wirken lassen – dickes Lob an
Steve. Mit Don Alder durften wir erneut einen echten Profi begrüßen, der
auf seinen Gitarren wirklich alles kann. Ähnlich wie Ende März Simon Wahl setzt
Don seine Gitarren nicht nur für die Melodien ein, sondern nutzt das gesamte
Instrument einschließlich Korpus, um zusätzlich auch Perkussionseffekte zu
erzeugen. Das Ergebnis ist einfach grandios. Beschreibungen sind dafür
schlichtweg zu banal. Wer nicht dabei war, muss sich Don einmal bei einem
seiner anderen Konzerte anhören oder YouTube einen Besuch abstatten. Vielleicht
kommt Don ja nächstes Jahr wieder nach Deutschland. Seinen Auftritt startete er
mit einem Instrumental als Danklied an alle Mütter. Angeblich wollte er ja
ursprünglich lieber Schlagzeuger werden, aber seine Mutter zog es vor, ihm eine
Gitarre zu kaufen. So verband er seinen Wunsch mit den ihm gegebenen
Möglichkeiten und nutzt nun die Gitarre zugleich auch für die Perkussion. Bei
„The Loving Life“ war auch Dons schöne Stimme zu hören. Das Lied handelt von
der Einsicht, dass, gleich welche Wahl man trifft, man mit dem Ergebnis leben
muss. Noch einmal absolute Fingerakrobatik war bei „Going Rogue“ zu hören. Im
zweiten Set nach der Pause präsentierte Don auch seine weiteren Instrumente
u.a. eine Baritongitarre, mit der ein Lied über seine Großmutter spielte, die
vor kurzem ihren 100. Geburtstag gefeiert hatte. Der Star seiner
Gitarrensammlung war aber die große Harfengitarre, der er trotz ihrer Größe
zarte und fast sphärische Töne entlockte – riesiger Applaus für einen großartigen
Auftritt
Seine Liebe
zu den Bergen und sein Leben, das von häufigen Ortswechseln geprägt war,
verarbeitet Bill Perry in zahlreichen seiner Lieder. Steve hatte
seinen „großen“ Bruder Bill als besonderen Gast eingeladen, seine Lieder mit
ihm zusammen im Folk Club vorzustellen. „Farewell Vancouver Island“ erzählt von
einem solchen Abschied von der stürmischen und rauen kanadischen Westküste. Bei
seinem Aufenthalt als Soldat in Deutschland hatte Bill auch deutsche Berglieder
kennen gelernt. Es mutet schon etwas seltsam an, einen Kanadier „Ich bin ein
Bergvagabund“ singen zu hören. Beim gekonnten Jodeleinsatz war dann die
kognitive Dissonanz de Publikums komplett – großartig! Auch beim lustigen Lied
im Dreivierteltakt „Too Long in the Valley“ gab es zur großen Freude des
Publikums eine Jodeleinlage. Vielen ist hierzulande gar nicht bekannt, dass
bestimmte Formen des Jodelns, d. h., des abrupten Wechsels zwischen Brust- und
Kopfregister durchaus auch in der Musik der Cowboys in Nordamerika gepflegt
wurde. Sehr witzig war die Präsentation eines alten Webejingles einer
amerikanischen Wurstfabrik, bei der der Slogan „Handschuhmacher“ ziemlich stark
an den heutigen Werbejingle einer schwäbischen Müslifirma erinnert.
Beeindruckend war auch das Lied über einen schweren Zugunfall in den Bergen,
über den Steve nachher erklärte, dass die Geschichte legendenhaft übertrieben
worden sei. Dabei habe es sich lediglich um einen entgleisten Milchsammelzug
gehandelt, und niemand sei zu Schaden gekommen. Mit „Bear Tracks“ besangen die
beiden den großen Bär in den Appalachen und mit einem Lied über den Walfang,
den es in den Jugendjahren der beiden vor der Küste von Connecticut und
Massachusetts noch gab, beendeten sie Ihren Auftritt – Bravo Bill und Steve.
Die
Gitarristen Sascha Cohrs und Janis Hecht, unterstützt von Thomas am Cajon treten unter dem
witzigen Namen Pony und Kleid auf
und präsentierten zwei eigene Lieder: „Die Idee ist gut, doch die Welt ist noch
nicht bereit“ beschreibt die Situation, wenn man mit seinen gut gemeinten Ideen
bei den Mitmenschen auf Unverständnis und „gar keine Zeit“ trifft. Zur Melodie
von Lou Reeds „Walk on the Wild Side“ gibt es das Lied „Junge, du könntest so
heiß sein“. Anders als nach der Ankündigung von Sascha zu vermuten, ist es aber
nicht ein flottes Sommerlied sondern besingt das eher traurige, gescheiterte
Leben von Heinz-Jürgen, der nicht von der Mutter loskommt.
Ja und das
war noch nicht alles! Pisco Sour
nennt sich eine Truppe überwiegend südamerikanischer Musiker um John Hay. Darin spielt Juan Maria Isaza-Kazolis die Panflöte
und singt, John spielt Gitarre und
singt, Maria und Adriana singen, José bedient das Schlagzeug, und Thomas Monnerjahn verstärkt die Truppe mit seiner Gitarre. Pisco
Sour ist das Nationalgetränk der Peruaner und los geht’s mit einem Lied, das
als Nationallied der Peruaner gilt: „Ojos Azules – Blaue Augen“. Weiter bewegt
sich die Gruppe nach Kolumbien mit dem Lied „La Tierra del Olvido – Das Land
des Vergessens“ – Lebensfreude pur. Weiter Richtung Süden zieht Pisco Sour nach
Brasilien und spielt den Partyhit „Ai Se Eu Te Pego“ von Michel Telo, der
ansatzlos in Bob Marleys „No Woman No Cry“ übergeht – großer Spaß und viel
Applaus für Pisco Sour!
Nach diesem
proppenvollen Programm zeigte die Uhr gut 23 Uhr, aber Zeit für den
abschließenden Rausschmeißer „Jock Stewart“ musste natürlich sein.
Auf
Wiedersehen beim nächsten Folk Club am 5. Juni. Wir erwarten dann als besondere
Gäste Frank Engelen und Piet Vanhoutte aus Belgien, die bereits
im Oktober 2013 im Folk Club auftraten. Ferner hat sich Linda Sutti aus
Italien angekündigt. Wir dürfen wieder auf einen spannenden und unterhaltsamen
Abend hoffen.
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