Donnerstag, 28. Mai 2015

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr. 58 am 1. Mai 2015



Folk Club Nr. 58 am 1. Mai 2015 – Jahreszeiten

Der Folk Club im Mai ist natürlich für das Thema „Jahreszeiten“ prädestiniert, denn in welchem Monat wird mehr als im Mai über die Natur und insbesondere über das erwachende Leben in Feld und Flur geschwärmt? Leider trübte auch diesmal ein schreckliches Ereignis die Freude: Einige Tage zuvor gab es einen Zwischenfall im Bereich Betreutes Wohnen des Vereins Haus Müllestumpe, bei dem ein behinderter Bewohner durch Gewalteinwirkung eines Externen ums Leben kam. John Harrison bat die Besucher um eine Schweigeminute.
Johns Lied „St Louis Blues“ zum Einstieg in den Abend war dann auch recht passend zu dem traurigen Ereignis. Natürlich durfte zum Auftakt auch ein Gedicht nicht fehlen. „Dandelion“ ist der englische Ausdruck für den Löwenzahn (Verballhornung aus dem Französischen – dent de lion), der um diese Jahreszeit die Wiesen mit einer gelben Blütenpracht erfüllt, aber von vielen als Unkraut betrachtet wird. „The difference between a weed and a flower is an opinion“ war Johns Kommentar dazu – Recht hat er. Aber der arme Gärtner, der sein Gemüse nur mit Mühe gegen die zähen Korbblüher verteidigen kann, hat irgendwie auch Recht. Auch ein Beitrag zum Thema des Abends war Johns humorvolles Lied über die Ente „Zeppelina“, die es sich vor Jahren zum Brüten im Harrisonschen Blumenkasten in Bad Godesberg gemütlich gemacht hatte. John wurde dabei gekonnt und stilsicher von Paolo Pacifico auf der Mundharmonika begleitet.
Mit einem Lied aus Steve Crawfords schottischer Heimat ging es ins nächste Set. Steve und Sabrina Palm sangen und spielten das Lied „Mill o’Tifty’s Annie“ aus dem 17. Jahrhundert, das davon handelt, dass sich die Tochter des Schmieds in den örtlichen Trompeter verliebt. Die Sache geht allerdings eher traurig aus und endet in einem Ehrenmord der eigenen Familie an der Tochter. Steves schöne Stimme und Sabrinas gekonnte, aber sparsame Geigenbegleitung geben dem Lied die melancholische Stimmung. Lustiger ging es bei den instrumentalen Tanzstücken der beiden zu, die mit großer Spielfreude und wunderbarer Virtuosität vorgetragen wurden. Ein herzlicher Applaus für Steve und Sabrina!
Mal etwas Neues brachte Doris Meyer in den Folk Club, die eine Kurzgeschichte von Reiner Kunze rezitierte und dabei musikalisch von Steven Perry auf der Viola Caipira begleitet wurde. Doris Meyer, die Lehrerin im Ruhestand, die in Bonn durch ihr Engagement für zahlreiche Projekte vor allem für Kinder bekannt ist, gab der Geschichte „Der Dichter und die Löwenzahnwiese“ durch ihre unvergleichliche Rezitationsstimme eine wunderbare Gestalt. Das scheinbar Heitere der tiefsinnigen Geschichte um die Pflanze mit dem unbändigen Lebenswillen (siehe oben – verflixtes Unkraut!) vermochte sie ebenso leicht zu vermitteln wie die Aussage hinter dem Vordergründigen – wahrhaft meisterlich!
Heiter und beschwingt kam Amor daher, der mit seiner Ukulele ein unterhaltsames Potpourri verschiedenster Melodien darbrachte. Spektakulär war dabei, dass der Musiker es tatsächlich fertig brachte, sein Instrument während des Spielens nachzustimmen. Chapeau für Amor!
Nicht nur mit gekonnten und höchst professionellen Berichten und Bildern vom Folk Club und anderen Musikereignissen sondern gelegentlich auch mit eigenen Musikbeiträgen wartet John Hurd auf – ein Tausendsassa! Diesmal hatte er sich das Lied „And the Band Played Waltzing Matilda“ von Eric Bogle vorgenommen. Das Lied handelt von der schrecklichen Schlacht vor Konstantinopel im ersten Weltkrieg, bei der auf Seiten der Türken und der Entente insgesamt rund 100.000 Soldaten zu Tode kamen und 250.000 verwundet wurden. Das Ereignis jährte sich aktuell zum 100. Mal. Vor allem junge, unerfahrene Soldaten aus Australien und Neuseeland wurden dabei auf britischer Seite „verheizt“. Mit dem australischen Volkslied „Waltzing Matilda“ wurden damals die Soldaten beim Aufbruch nach Europa verabschiedet. Bemerkenswert ist Eric Bogles Anklage der Arroganz und Verantwortungslosigkeit der seinerzeitigen britischen Militärführung, die so viele junge Männer in einem miserabel geplanten Feldzug in den sicheren Tod führte und die Invaliden hernach einem elenden Schicksal überließ. Dies hebt sich wohltuend von vielem Heldengeprahle ab.
Hermann Josef Wolf alias „Fliege“ ging den 1. Mai als Tag der Arbeit und vor allem des Arbeiterprotests an. „Komm Bruder trink dran, der Krug ist voll“ war sein Beitrag zum Tage.
Gleich zu sechst rückte die Truppe Zaiten-Pfeifer aus Windeck an. Die Gruppe besteht aus Richard Wegmann (Klarinetten, Flöten und Gesang), Christoph Nigg (Drehleier, Ukulele und Gitarre), Frank Christgen (Gitarren und Gesang), Norbert Schuster (Kontrabass), Gabi Manns (Schlagzeug) und Marion Nigg (Gesang), die den erkrankten Willi Fichtel (Gesang, Flöten und Mandoline) vertrat. Ihre Musik sprühte vor guter Laune und heizte dem Publikum gleich richtig ein. „Mädel lass zum Tanz dich führen“, das alte Volkslied war mit der vielstimmigen Besetzung wunderbar vorgetragen. Noch gut in Erinnerung ist das Lied der niederländischen Gruppe Bots „Sieben Tage lang“, bei dem es vor allem ums Trinken geht. Das gilt auch für das Lied „Es gibt nur Wasser“ von Santiano. Vielleicht waren die Liedtitel ein Ansporn an die Müllestumpe-Besatzung, die Gäste nicht zu lang auf Getränke warten zu lassen. Jedenfalls zeigte der stürmische Applaus, dass Zaiten-Pfeifer mit ihrer schwungvollen Musik die richtigen (Z)Saiten beim Publikum zum Schwingen gebracht hatten.
Kanadische Musiker haben im Moment im Folk Club Konjunktur. Steve Perry hat offenbar seine Beziehungen in das nordamerikanische Land heftig wirken lassen – dickes Lob an Steve. Mit Don Alder durften wir erneut einen echten Profi begrüßen, der auf seinen Gitarren wirklich alles kann. Ähnlich wie Ende März Simon Wahl setzt Don seine Gitarren nicht nur für die Melodien ein, sondern nutzt das gesamte Instrument einschließlich Korpus, um zusätzlich auch Perkussionseffekte zu erzeugen. Das Ergebnis ist einfach grandios. Beschreibungen sind dafür schlichtweg zu banal. Wer nicht dabei war, muss sich Don einmal bei einem seiner anderen Konzerte anhören oder YouTube einen Besuch abstatten. Vielleicht kommt Don ja nächstes Jahr wieder nach Deutschland. Seinen Auftritt startete er mit einem Instrumental als Danklied an alle Mütter. Angeblich wollte er ja ursprünglich lieber Schlagzeuger werden, aber seine Mutter zog es vor, ihm eine Gitarre zu kaufen. So verband er seinen Wunsch mit den ihm gegebenen Möglichkeiten und nutzt nun die Gitarre zugleich auch für die Perkussion. Bei „The Loving Life“ war auch Dons schöne Stimme zu hören. Das Lied handelt von der Einsicht, dass, gleich welche Wahl man trifft, man mit dem Ergebnis leben muss. Noch einmal absolute Fingerakrobatik war bei „Going Rogue“ zu hören. Im zweiten Set nach der Pause präsentierte Don auch seine weiteren Instrumente u.a. eine Baritongitarre, mit der ein Lied über seine Großmutter spielte, die vor kurzem ihren 100. Geburtstag gefeiert hatte. Der Star seiner Gitarrensammlung war aber die große Harfengitarre, der er trotz ihrer Größe zarte und fast sphärische Töne entlockte – riesiger Applaus für einen großartigen Auftritt 
Seine Liebe zu den Bergen und sein Leben, das von häufigen Ortswechseln geprägt war, verarbeitet Bill Perry in zahlreichen seiner Lieder. Steve hatte seinen „großen“ Bruder Bill als besonderen Gast eingeladen, seine Lieder mit ihm zusammen im Folk Club vorzustellen. „Farewell Vancouver Island“ erzählt von einem solchen Abschied von der stürmischen und rauen kanadischen Westküste. Bei seinem Aufenthalt als Soldat in Deutschland hatte Bill auch deutsche Berglieder kennen gelernt. Es mutet schon etwas seltsam an, einen Kanadier „Ich bin ein Bergvagabund“ singen zu hören. Beim gekonnten Jodeleinsatz war dann die kognitive Dissonanz de Publikums komplett – großartig! Auch beim lustigen Lied im Dreivierteltakt „Too Long in the Valley“ gab es zur großen Freude des Publikums eine Jodeleinlage. Vielen ist hierzulande gar nicht bekannt, dass bestimmte Formen des Jodelns, d. h., des abrupten Wechsels zwischen Brust- und Kopfregister durchaus auch in der Musik der Cowboys in Nordamerika gepflegt wurde. Sehr witzig war die Präsentation eines alten Webejingles einer amerikanischen Wurstfabrik, bei der der Slogan „Handschuhmacher“ ziemlich stark an den heutigen Werbejingle einer schwäbischen Müslifirma erinnert. Beeindruckend war auch das Lied über einen schweren Zugunfall in den Bergen, über den Steve nachher erklärte, dass die Geschichte legendenhaft übertrieben worden sei. Dabei habe es sich lediglich um einen entgleisten Milchsammelzug gehandelt, und niemand sei zu Schaden gekommen. Mit „Bear Tracks“ besangen die beiden den großen Bär in den Appalachen und mit einem Lied über den Walfang, den es in den Jugendjahren der beiden vor der Küste von Connecticut und Massachusetts noch gab, beendeten sie Ihren Auftritt – Bravo Bill und Steve.

Die Gitarristen Sascha Cohrs und Janis Hecht, unterstützt von Thomas am Cajon treten unter dem witzigen Namen Pony und Kleid auf und präsentierten zwei eigene Lieder: „Die Idee ist gut, doch die Welt ist noch nicht bereit“ beschreibt die Situation, wenn man mit seinen gut gemeinten Ideen bei den Mitmenschen auf Unverständnis und „gar keine Zeit“ trifft. Zur Melodie von Lou Reeds „Walk on the Wild Side“ gibt es das Lied „Junge, du könntest so heiß sein“. Anders als nach der Ankündigung von Sascha zu vermuten, ist es aber nicht ein flottes Sommerlied sondern besingt das eher traurige, gescheiterte Leben von Heinz-Jürgen, der nicht von der Mutter loskommt.
Ja und das war noch nicht alles! Pisco Sour nennt sich eine Truppe überwiegend südamerikanischer Musiker um John Hay. Darin spielt Juan Maria Isaza-Kazolis die Panflöte und singt, John spielt Gitarre und singt, Maria und Adriana singen, José bedient das Schlagzeug, und Thomas Monnerjahn verstärkt die Truppe mit seiner Gitarre. Pisco Sour ist das Nationalgetränk der Peruaner und los geht’s mit einem Lied, das als Nationallied der Peruaner gilt: „Ojos Azules – Blaue Augen“. Weiter bewegt sich die Gruppe nach Kolumbien mit dem Lied „La Tierra del Olvido – Das Land des Vergessens“ – Lebensfreude pur. Weiter Richtung Süden zieht Pisco Sour nach Brasilien und spielt den Partyhit „Ai Se Eu Te Pego“ von Michel Telo, der ansatzlos in Bob Marleys „No Woman No Cry“ übergeht – großer Spaß und viel Applaus für Pisco Sour!

Nach diesem proppenvollen Programm zeigte die Uhr gut 23 Uhr, aber Zeit für den abschließenden Rausschmeißer „Jock Stewart“ musste natürlich sein.
Auf Wiedersehen beim nächsten Folk Club am 5. Juni. Wir erwarten dann als besondere Gäste Frank Engelen und Piet Vanhoutte aus Belgien, die bereits im Oktober 2013 im Folk Club auftraten. Ferner hat sich Linda Sutti aus Italien angekündigt. Wir dürfen wieder auf einen spannenden und unterhaltsamen Abend hoffen.

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