Halleluja, Geist und Verkündung, Plastik Jesus und Football Regeln
Frrrraaaaauäääään und Määääännnnnna – so (oder so ähnlich) die deutsche Übersetzung des Schlachtrufes zur Eröffnung eines jedes Folkclubs. Warum übersetze ich unser wohlbekanntes Laaadiies and..... - nun ein paar Stimmen haben mir zugetragen, dass es für nicht english speakende persons in the auditorium teilweise etwas schwer wird der Veranstaltung zu folgen. Aber, Musik ist ja eine universale Sprache, so dass das Wichtigste von allen verstanden wird. Ja und wichtig war das Thema des Abends schon – Gospels und Spirituals. Der Name Gospels wird übrigens bei Wikipedia aus zwei Wortstämmen (oder waren es Möglichkeiten) erklärt. Good spell im Sinne von Evangelium, welches aus dem Altgriechischen übersetzt nichts anderes heißt, als gute Nachricht also good spells :-) ). Womit wir auch schon bei dem zweiten Wortsstamm wären, nämlich dem altenglischen gōdspel, was auch nichts anderes als gute Nachricht heißt. Während ich dies schreibe (genauer gesagt aus Wikipedia abschreibe), habe ich schon ein klein wenig ein schlechtes Gewissen, denn der Aufruf für den Betrieb von Wiki zu spenden ist unübersehbar – und ich nutze es häufig, spende aber selten. Nur noch schlappe 5 Mio. € fehlen.....
Zurück zum Folkclub. Es war im Sinne der guten Nachrichten ein Folkclub der Verbrüderung – neue Musikformationen bildeten sich, jedes Talent wurde genutzt – auch spontan usw. usw. Bereits zu Beginn taten sich John Harrison und Werner Krötz-Vogel zusammen, um „Angel in disguise„ neu zu interpretieren. Zwei Stile, zwei Emotionen und zwei Nationen – das nenne ich good spell. Schon kurz danach eine weitere Vermischung unterschiedlicher Stile. John, noch an der Gitarre, begleitete Britta Bücher's hochprofessionelle Stimmführung in dem Lied „Sweet Georgia Brown„. Gänsehaut pur (ähh, bevor es falsch verstanden wird – ich meine meine Empfindung und nicht ….). Doch John brachte auch noch ein Solostück – nach ihm himself benannt, wurde „John the Revelator„ aufgeführt. Aber war es wirklich ein Solostück? Nein, das Publikum wurde einbezogen wenn es um die Frage nach dem Autor des Buches mit sieben Siegeln ging (das war natürlich John the Revelator). Ich merke, dass ich zuviel Zeit habe vergehen lassen zwischen Folkclub und dem Schreiben dieses Berichtes. Vieles muss ich mir anhand der aufgenommenen Lieder erst wieder ins Gedächtnis rufen. Deshalb seid mir bitte nicht böse, wenn ich nicht jedes Goldstück des Abends mit beschreibe – aber, wer ständig zwischen Juwelen lebt, nimmt diese oft gar nicht mehr wahr – und der Folkclub ist in diesem Sonne tatsächlich ein Juwelierladen. Deshalb, schon bevor ich jemand vergesse, ein riesiges Dankeschön an alle, die immer wieder und unermüdlich zum Gelingen der Abende beitragen.
Auch ist es immer wieder schön, wenn der Zweck der Musik Erfahrungen und Wissen weiterzugeben zum Tragen kommt. So auch beim 63ten Folkclub. Um sein Lied „Dropkick me Jesus„ einzuleiten musste Steve Perry am Waldzither erst einmal die Regeln des American Football Spiels erläutern, dort heißt der Torschuß halt Dropkick und somit das Lied etwa „Bring mich ins Ziel, Jesus„. Verwundert hat mich der Apell, mehr Jesus und weniger Rock'n Roll zu haben (We need a whole lot more of Jesus), weiß doch jeder, dass Jesus der Rock'n Roller und Hippie in einer Person war und nur deshalb kein Motarrad fuhr, weil es das noch nicht gab. Aber als Person des öffentlichen Lebens, kann er es halt auch nicht vermeiden, als Sohn Gottes ein Plastikabbild auf dem Armaturenbrett von Autos zu werden, um die Fahrt zu schützen (plastic Jesus on the dashboard of my car).
Wie ernst dieser Abend war, zeigte sich direkt danach. Während John Hurd Papiertaschentücher zum Auffangen der bald endlos rinnenden Tränen verteilte, erläuterte er, dass er nun das traurigste Lied singen werde, welches die Welt je gehört habe: „Oh Lord, how long„. Und seid mal ehrlich, wer hat sich die Frage nicht schon mal gestellt wie lange es noch dauert, bis der letzte Umzug auf ein ca 5m2 großes Grundstück mit unverbaubarem Blick (denn dieser ist ja schon durch eine Grasschicht verbaut) noch dauert.
Aber zurück ins pralle Leben. Wie heißt es, wenn drei geniale Gitarristen sich zusammenrotten, um ihre Kunst gemeinsam, aber auch in soli aufgeteilt darzubieten? Kings of strings – auch wenn dieser Titel bereits durch drei andere Gitarristen gecopyrighted ist; ich finde er drückt die richtige Stimmung aus. Werner Krotz-Vogel, Frank-Olaf Nagel und Thomas Monnerjahn präsentierten zuerst den wohl breit bekannten Song „Good Time Charlie's Got the Blues„ - für alle, die es doch nicht so gut kennen, in der Originalversion von Danny O 'Keefe hat das Lied tatsächlich mehr Text als nur diese Zeile. Aber auch ohne Text mit drei Gitarren gespielt – ein Genuss, der es alleine schon ausgereicht hätte, zum Folkclub zu kommen. Gefolgt wurde Charlie von „Lotus Feet„, in der Originalversion von John Mc'Laughlin. Ein Gitarrenstück, welches Spritualität nicht nur in sich birgt, sondern in der Interpretation der drei Gitarristen auch zum Publikum transprotierte.
Schon einmal als Walk in im Folkclub gesehen, machte Shay McVeigh sein Versprechen wahr und kam wieder. Mit melodischen Weisen vermochte er uns alle zu fesseln, zu verzaubern und ihm andächtig zu lauschen. „Into the Blue„ und „Bright Blue Roses„ waren seine ersten Stücke, wobei Shay erläuterte, dass er das Thema des Tages erst einen Tag vor der Veranstaltung erfahren hat. Sein Tribut hierzu war dann der indianische Spiritual „Golden Fever„. Und wieder zeigte sich, wie breit Themen interpretierbar sind und wie umfangreich Musik uns gefangen nehmen kann.
Helge Kirscht walkte in und erfreute uns mit seinem selbstgeschriebenen Lied „Halleluja„. Wer nun aber ein geistliches Lied erwartete, wurde schnell eines Besseren belehrt. Halleluja ist eine Anklage an Kriege, die im Namen der Religionen geführt werden – ein Thema, was gar nicht oft genug angeprangert werden kann. Ein weiterer walk in war unser Freund und Schriftsteller Bob Marabito – er begnügte sich zwar mit einem Lied, verpackte aber in dieses so ziemlich alles, was das Publikum an Gospels kennt. Ein Gopselmedley, das ist ganz unser Bob. Übrigens – ihr wusstet es bestimmt ebenso wenig wie ich – walk-in ist ein englischer Ausdruck für das religiöse Phänomen der Reinkarnation – aber wir wollten ja nicht immer Englisch sprechen :-).
Spirituale Wärme mit sich bringend kam SaHell – mit bürgerlichem Namen Sabine Hellmann – und interpretierte drei Gospels einzeln. So konnte das Publikum bei den Liedern „When Israel was in Egypt Land„, „Swing low sweet Chariot„ und „ I Owe my Soul to the Company Store„ mitsingen – auch das eine Eigenheit von Gopels und Spirituals.
Nach soviel Publiklerikalismus (Wortschöpfung von mir – soll soviel heißen wie Gospels and Spitituals) durfte ein Werbeblock für Familien Bibeln nicht fehlen. Steve blockte was das Zeug hielt. Wie bereits im Vorjahr verkaufte er zwar wenige Bibeln, verschaffte aber so manchem einen Bauchmuskelkater vom Lachen.
Bekanntschaften und Freundschaften haben die Eigenheit, dass sie durch Freunde der Freunde und Bekannte der Bekannten immer größer werden (wenn man es zulässt). Der Folkclub lässt das nicht nur zu, sondern befördert es. In diesem Sinne hat Janero seinen Freund Marcus Martin aus Bristol überzeugt auch einmal im Folkclub zu spielen. Marcus ist Johnny Cash Fan und Johnny Cash Interpret. Und die vielen Prison Songs, die Johnny Cash gesungen und gespielt hat, sind inzwischen auch Spirituells. So passte sich Marcus mit den Songs „Country Ways„, „Folsom Prison Blues„ und „Ain't No Grave„ in das Thema des Abends ein. Er erntete viel Applaus für die gelungenen Interpretationen und jeder hat den Wunsch geäußert, dass Marcus bald wieder kommt – sicher hat er es gehört und wird es berücksichtigen.
Sebastian Handke war zugegen und wie. Nicht nur, dass sein Vater spontan für unseren abwesenden Fotografen Detlef einsprang, nein, er fing mit seinen Eigenkompositionen schnell das Publikum ein. Auch wenn seine Lieder keine wirklichen Gospels und Spirituals waren, sie schafften es eine nachdenkliche, verträumte und somit spirituelle Stimmung zu schaffen. Es zeigte sich einmal mehr – eine Gitarre, zwei Hände und eine schöne Stimme, was braucht es mehr, um Musik zu machen.
Mit Riesenschritten ging es nun auf das Ende zu (natürlich das des Abends und keine Weltuntergangskatastrophen). Bendict Steilmann gospelte noch mal so richtig auf. Steigerungsfähig sang und spielte er das erste Stück „Make me down a pallet on the floor„ alleine, um dann von John auf der Mundharmonika begleitet „Mama's got a girlfriend now„ zu interpretieren. Aber nicht genug damit – das Stück „Will the circle be unbroken„ brachte plötzlich ein ganzes Orchester auf die Bühne. Bendict an der Mandoline, Janero an der Gitarre, Mario am Banjo, Steve an der viola caipira und spontan aus dem Publikum eine Besetzung an dem Waschbrett und dem Besenstielbass hatten nie vorher zusammen geprobt – noch eine Eigenheit von Gospels. Es wird gesungen und nicht geübt. Ich denke es war ein voller Erfolg, der noch mit dem Pete Seeger Friedenssong „We shall overcome„ abgerundet wurde.
Tja, da konnte unser Patron Jock Stewart nur noch mit seiner Aussage „So come fill up your glasses – whatever the cost I will pay„ die geschaffene Stimmung der Zusammengehörigkeit unterstreichen. Mit dieser Stimmung sind viele nach Hause gegangen, um mit eben mit dieser Stimmung am 4. Dezember zurück zu kommen.
Bis dahin
Euer Mario
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