Mittwoch, 30. März 2016

Marios Bericht von FCB Meet Nr. 67 März 2016

Achterbahn der Emotionen?

Völlig untypisch für mich, habe ich mir sehr viel Zeit gelassen, um diesen Bericht anzugehen. Warum? Ehrlich gesagt – darüber bin ich mir immer noch nicht ganz im Klaren. Ich habe ein zwiespältiges Gefühl, was meine eigene Reaktion auf die emotionale Unterschiedlichkeit der Künstler des vergangenen Folkclubs angeht. Aber dazu im Bericht gleich mehr.

Laaadies and gentlemen...... - das Karussel begann, und wie immer begann es mit dem Zeremonienmeister himself John Harrison. Wie häufig lebte er den Blues nicht nur in der musikalischen Darbietung, sondern auch in der Gesellschaftsform – drücke aus, was du fühlst und teile dies mit Gleichgesinnten. Und so kam der wohlbekannte Kämpe Paolo Pacifico mit auf die Bühne – natürlich in Begleitung seiner vielfältigen Mundharmoniken, die er nicht nur von Stück zu Stück wechselt – nein, auch während eines Stückes greift Paolo ganz lässig in seine Tasche, zieht eine Mundharmonika in einer anderen Stimmung heraus und spielt weiter – eben genau die Töne, die in der Ursprungsstimmung nicht ins Publikum geschmettert hätten werden können. Ein wenig erinnert mich Paolo dann immer an Bruce Willis (ich hoffe er nimmt mir diesen Vergleich nicht übel), der in ausweglosen Situationen dann doch noch ein As (oder eine Waffe, oder eine Auto oder eine Flugzeug) aus dem Ärmel zieht :-). Nun ja, auf alle Fälle wurde so der Blues von John emotional angereichert. „From Four Until Late“ handelt zwar von der immer wiederkehrenden Geschichte zwischen Mann und Frau (oder eher zwischen Männern und Frauen) – das Thema des Abends lässt sich aber auf vielfältige Weise herauslesen. Zwischen 4 und spät in der Nacht scheinen Sterne, die angehimmelte Frau ist ein aufgehender Stern (insbesondere, wenn, wie im Lied beschrieben, ein Mann durch ihre Unterwäsche kriecht und so weiter und so weiter. Das zweite Lied drehte diese flüchtigen Sterne in einen langanhaltenden strahlenden Stern: „I Wasn't Expecting That“ erzählt von einer gedachten kurzen Affäre, die dann doch in einer lang anhaltenden Ehe endet – mit Kindern, Haus und allem drum herum, aber es wäre kein Blues, wenn nicht doch noch alles schrecklich endete – Blues ist halt das wahre Leben und so erlischt auch in diesem Lied ein Stern. Das Thema des Abends direkt ansprechend rezitierte John dann Shakespeare mit dem Sonnet XIV und erzählte im folgenden Lied sowohl von den Sternen, wie auch von seiner Beschäftigung in Bonn als englischsprachiger Nachtwächter-Stadtführer (Night Watchman Blues). Mit dem „St. James Infirmary Blues“ beendete John gemeinsam mit Paolo die Einleitung.

John als Moderator sollten wir noch häufiger am Abend zu Gesicht bekommen – Paolo indessen blieb auch als Musiker gleich auf der Bühne. Mit einem neuen Folkclub Rekord konnte er aufwarten. Noch nie zuvor (im Folkclub) hat ein Musiker spontan oder vorbereitet in so vielen unterschiedlichen Formationen gespielt. Auch das Emotion pur (da ist das Thema wieder). Gemeinsam mit Nick Nutall, John Hay und Christian Schuster verbreitete er Emotionen pur. Einfach in der Darbietung, schafften sie es, das Publikum mit bekannten Bob Dylan, Donovan und Gordon Lightfoot Songs zum mitsingen zu animieren. Einfach schrieb ich, aber nicht einfallslos, denn was zwischen den Mitsingteilen an kleinen Gitarrensoli von Christian oder Harpeinlagen von Paolo geboten wurde war wirkliche Klasse. Dann die Stimme und Stimmführung von Nick und die unaufdringliche Zweistimmigkeit der Gruppe – hier zeigte sich, dass Einfachheit wesentlich mehr sein kann als Lagerfeuerromantik. Und das Thema des Abends wurde auch getroffen In „Baby, Stop crying“ ist einmal von der Sonne dir Rede, „Knocking on Heaven's door“ spricht von einem Himmelskörper direkt (oder war die Himmelstür doch etwas anderes?); „Catch The Wind“ ist ja ein Spiel, welches sich zwischen den Himmelskörpern abspielt und „The Circle Is Small“ - nun wahrscheinlich sind die besungenen Augen wie Sterne.

Die Heimat des Folkclubs Bonn ist nicht umsonst das Haus Müllestumpe – gibt es auch immer mal wieder unterschiedliche Auffassungen in Details der Zusammenarbeit, so ist doch eines klar – das gemeinsame Ziel, eine Welt des Zusammenhaltes ohne Vorurteile gegen einzelne Gruppen und die Gestaltung des Weges zum Ziel mit viel Kreativität wird in beiden Formen der Arbeit zum Ausdruck gebracht. Nachdem im letzten Folkclub Christian Storm, der Geschäftsführer für den Bereich „Betreutes Wohnen“ über die Arbeit des Hauses berichtete, ergriff diesmal Peter Kurenbach vom Vorstand die Gelegenheit, um die kreative Seite darzustellen. Welche Aktivitäten in wie vielen kleinen und größeren Werkstätten im hinteren Teil des Hauses stattfinden, sieht der „normale“ Besucher des Restaurants gar nicht. Malen, Töpfern, Holzschnitzen oder auch noch nicht ausgediente, aber nicht mehr funktionierende Geräte im Repair Cafe wieder in Schuss bringen – die Angebote sind vielfältig, werden aber alle von den Teilnehmenden mitgestaltet. Auch die Geschichte, wie aus einem dem Abriss preisgegebenen Haus eine Heimstatt für soziales Engagement wurde, sollte jeder Besucher einmal betrachten – Hut ab und auch weiterhin viel Mut und Glück beim Beschreiten unkonventioneller Wege.

Nach dieser froh- und nachdenklich stimmenden Erläuterung betrat die „Featured Artist“ die Bühne. Lauren Napier. Extrem vielfältig - als Model (Punk Rock Doll), als Konzertmanagerin, Journalistin, Kurzgeschichtenschreiberin und Cellistin - präsentierte sie sich im Folkclub natürlich als Songschreiberin und -sängerin. Lauren lebt zurzeit in Berlin und von dort war sie direkt angereist – mit Verspätung, dem Fernbusbetrieb sei es gedankt. Entsprechend noch leicht angespannt, betrat sie die Bühne und erzählte ein wenig über sich – unter anderem, dass sie Cellistin ist und die Gitarrenbegleitungen zu ihren Lieder sehr einfach ausfallen würden. Dann begann sie zu singen – eine wahnsinnig ausdrucksstarke Stimme, die das einfach Gitarrenspiel in den Hintergrund drückte. Die sanft mit den Fingerkuppen gestrichenen Akkorde dienten lediglich zur Untermalung der Stimmführung. Soweit toll – aber, und das schreibe ich hier nicht als Negativum, sondern einfach als Ausdruck meiner Verwirrung, wo war die Emotion des Auftritts? Das ist der Grund, weshalb ich erst heute den Bericht schreibe - ich wollte Abstand von meinem Gefühl gewinnen. Ich war regelrecht traurig, weil ich dachte, wie können so schöne Lieder, ausdrucksstark vorgetragen mit einer so schönen Stimme bei mir den Eindruck hinterlassen, dass es sich um eine Aneinanderreihung von Liedern handelt, ohne das eine Beziehung zum Publikum aufgebaut wird. Habe ich zu Beginn noch gedacht, es läge an dem Stress der verspäteten Ankunft, so wiederholte sich mein Gefühl (wenn auch abgeschwächt) in der zweiten Hälfte des Folkclubs. Ich gebe zu, ich muss wohl noch länger darüber nachdenken und wahrscheinlich auch Lauren häufiger live erleben – vielleicht werde ich dann das Besondere gerade an dieser Vortragsform entdecken, vielleicht den Zusammenhang mit einer distanzierten Professionalität als Model – vielleicht werde ich dann ein glühender Fan eben dieser Art des Vortrages. Im Moment konzentriere ich mich noch lieber auf die Lieder als auf den Vortrag, denn diese sind einfach toll. Tiefe Lyric, ausdrucksvolle Metaphern und das Aufgreifen von Themen – alles was ein gutes Liedermacher/ Singer-songwriter Lied braucht. Mit ihren Songs „Windowsill Of Romantic Ponderings, Caught In Between, Worthwhile, Echoes of Regret, Freundian Slip und Suitor In A Black Cape“ hat Lauren nur einen kleinen Ausschnitt ihres Schaffen gezeigt, aufgeschrieben in einem kleinen Notizbuch, welches den Eindruck erweckte immer dabei zu sein, um jeder Idee sofort einzufangen.

Dann Frischluft – notwendig, weil der Folkclub immer so gut gefüllt ist, dass eine Pause angeraten ist. Doch nach einigen Atemzügen (für die Raucher mit Qualm :-) ) erklang bereits wieder Klaviermusik aus dem Haus. Barry Roshto schaffte es in seiner kaum nachahmbaren Art durch einfaches, langsam anschwellendes und Schritt für Schritt aus einem improvisierenden Klimpern auf konkrete Musikstücke hinsteuernden Klavierspiels das Publikum nicht nur zurückzuholen, sondern auch in eine Konzentration für die nachfolgenden Vorträge zu bringen. Mit dem Stück „If I Said You Had A Beautiful Body Would You Hold It Against Me” vollbrachte er nicht nur dieses Kunststück, sondern gab auch noch eine Lehrstunde in Hamronielehre (VI-II-V-I ist eine typische Akkrodreihenfolge für Jazzharmonik: „Blue Moon" & "Stars Fell on Alabama") - und Himmelskörper waren auch enthalten: Engel, Körper, Sonne, Mond und Sterne........

Steve Perry unterstützte das Thema „Himmelskörper“ mit „All Through The Night“ in Walisischer Sprache, (Ar Hyd Y Nos), wobei es sich um die Sterne als Himmelspforte und als Trost für alte Menschen handelt. Schade, dass niemand das Walisische verstehen konnte. Wieder voll konzentriert durfte das Publikum nun Sebastian Landwehr lauschen – der Musiker, der nach dem Studium wieder zurück nach Bonn kam, um seine treue Gefolgschaft dem Folkclub zu erweisen (hatte sicherlich auch andere Gründe:-) ). Mit den Liedern „Sag mir alter Mann“ (Noch immer wird viel Hoffnung auf Antworten aus der Lebenserfahrung von Menschen gelegt), „Muss jetzt geh'n“ (hier wird beschrieben, wie die Rückkehr von Sebastian nach Bonn begann) und Hey Freunde“ (Halt ein Lied über Zusammenhalt und Freunde) zeigte er ein umfangreiches Spektrum seines Könnens und bewies, dass Lieder aus jedem Gefühl etwas machen können. Wenn ich sprachlos bin, dann singe ich und wenn es das Lied, welches passt nicht gibt, dann schreibe ich es. Das ist Liedermachertradition, in der auch das Werken von Sebastian beheimatet ist.

In zwei aufeinandert folgenden Folkclubs auftreten – nein, das geht natürlich nicht, dazu ist der Andrang von Künstlern zu groß – aber wenn ein Künstler Musiker bei verschiedenen Formationen ist, dann kann es schon vorkommen, dass einzelne Gesichter auch zweimal hintereinander auftauchen. Diese Regel beherzigend hat Dennis Ledermann sich kurzerhand seinen Bruder gespannt und erklomm mit ihm die „Bühne“. War es schon großes Kino ihn solo zu hören, so hat das Duo der Ledermann Bros dies noch übertroffen. Mit einem Dennis Song „Circles“ begann der Reigen. Natürlich durfte dann ein Marvin Ledermann Stück (Nightwatch) nicht fehlen – und hier waren dann auch die Himmelskörper beheimatet. Aber auch das Kunststück aus Coversongs etwas eigenes zu machen beherrschten die Zwei. Den „Lieblingsmenschen“ von Namika brachten sie bravourös, so dass das Stück zwar erkannt wurde, aber zu einem Ledermann wurde. Eine Zugabe wurde nach dem brausenden Applaus Pflicht, die mit dem Song „I See Fire“ auch gegeben wurde. Mal schauen, welche Familienmitglieder zum nächsten Folkclub gefunden werden :-).

Gedichtzeit ist seit einigen Folkclubs eine gute Tradition, um das gesamte Spektrum des Liedermachens aufzuzeigen. Ich habe (in früheren Jahren) lange gebraucht, um meine Enttäuschung, bei dem Liederbuch „Des Knaben Wunderhorn“ zu verwinden, dass ich nicht eine einzige Melodie gefunden habe. Aber wer sich mit der Materie beschäftigt weiß schon lange, Lieder sind eine Ausdrucksform Texte/ Inhalte in gesungener Form dem Zuhörer nahe zu bringen – das dies mit eigenen Melodien zu geschehen hat, ist erst eine Erfindung der Neuzeit. In diesem Sinne rezitierte Christoph Thiebes ein Gedicht von Ringelnatz und zeigte dem erstaunten Publikum wieder einmal, dass die Form der Mitteilung über Gedichte, die wir in der Schule fast alle mehr oder weniger gehasst haben, sehr viele Möglichkeiten zeigt, Emotionen zu schildern, aber auch versteckte Botschaften zu transportieren.

Mit einem Kuss als Starthilfe ermuntert (zwar nicht von Maria, sondern von Regine) brachte Bob Marabito die West Side Story in den Folkclub. Bob, der immer gut für Überraschungen und vor allen Dingen nicht auf bestimmte Bereiche festgelegt ist, besang mit „Maria“ einen klingenden Himmelskörper („All the beautiful sounds of the world (also auch der von Himmelskörpern) in a single word“. Warten wir auf die nächste Überraschung von Bob.

Den zweiten Teil des Featured Artist Auftritts von Lauren Napier habe ich bereits oben mit beschrieben. Bliebe zu sagen, dass die kurze Erholung im Folkclub nach der Busfahrt sich schon in einer besseren Entspanntheit von Lauren äußerte.

Finale durfte auch diesmal nicht fehlen. Der Gutsherr Jock Stewart besungen von allen – ohne Ausnahme – beendete nicht nur das Programm, sondern lud auch gleich wieder für den 1. April ein, wenn es um Aprilscherze geht („Joke“ Stewart?)

Sonntag, 6. März 2016

Detlefs Bilder vom Folk club Nr. 67 am 4. März 2016

Die Gitarren warten
John Harrison
 

Paolo Pacifico


Paolo Pacifico, Nick Nuttall, John Hay, Christian Schuster - Quartett (noch) Ohne Namen


 

Lauren Napier





Barry Roshto


Steve Perry

Mario Dompke und Jutta Mensing


Sebastian Landwehr singt eigene Lieder


Die Brüder Dennis und Marvin Ledermann




Christoph Thiebes trägt ein Gedicht von Ringelnatz vor

Bob Marabito sngt "Maria" aus der Westside Story


Peter Kurenbach vom Vorstand des Vereins Haus Müllestumpe

Jock Stewart - der Rausschmeißer

Freitag, 4. März 2016

Detlefs Bericht über den Folk Club Nr. 66 am 5. Februar 2016


Folk Club am 5. Februar 2016 – Freiheit für den Folk Club

Welches Thema könnte besser zum Folk Club passen als „Freiheit“? Und natürlich passt es besonders in die Thematik unserer Tage, sind doch Millionen Menschen  aktuell ganz augenfällig auf der Suche nach Befreiung von allen möglichen Formen der Bedrängnis, die sie jeden Tag erfahren und nehmen bei ihrem Bemühen, diese Freiheit zu finden, schier unvorstellbare Gefahren in Kauf. All dies findet mitten in der heißen Phase des rheinischen Karnevals statt, der in seinem Wesen auch eine Form der zeitweiligen Befreiung von Zwängen des Alltags darstellt und in der autoritären Zeit früherer Jahrhunderte auch ein Mittel des Protests gegen die Obrigkeit war. Von Karneval war beim Folk Club allerdings recht wenig zu spüren, über Freiheit gab es hingegen viel zu hören.
Den Anfang machte unser Protagonist John Harrison mit dem selbstverfassten Lied „Garden Gnomes“ (Gartenzwerge), das er für die drei eingesperrten „Whistleblower“ Edward Snowden, Bradley/Chelsea Manning und Julian Assange aus der Konserve geholt hat. Das Lied hatte John bereits in den siebziger Jahren – wie man sagt, des vorigen Jahrhunderts – geschrieben. John ist nun mal seiner Zeit voraus. Die drei Gartenzwerge in seinem Lied haben es sehr schwer und träumen davon, mal raus zu kommen, um eine Gartenzwergband zu gründen. John wird von Paolo Pacifico auf der Mundharmonika begleitet, der mit einem tollen Solo glänzen darf.
Etwas traditioneller ging es zu beim klassischen Blues „Rambling“ von Robert Johnson, bei dem das Zusammenspiel von John und Paolo wunderbar harmonierte und beide tolle Soli auf ihren Instrumenten ablieferten. John wäre nicht John, hätte er nicht noch ein besonderes Schmankerl im Gepäck. Rudyard Kiplings wunderbares Gedicht „If“, das ein unsterbliches Vermächtnis des Vaters an seinen heranwachsenden Sohn darstellt trug er in einer a capella gesungenen Version vor – herzerwärmend! – toller Applaus für John und natürlich auch für Paolo.
John Hurd, der regelmäßig über den Folk Club in seinem englischsprachigen Internetmagazin 3SongsBonn berichtet, griff selbst zur Gitarre und brachte dem vor kurzen verstorbenen David Bowie ein Gedenkständchen. „Heroes“ war sein schöner Beitrag.
John Harrison hatte die Gelegenheit ergriffen, das Thema des heutigen Tages mit einem etwas ungewöhnlichen Beitrag von Christian Storm, dem Geschäftsführer für den Bereich „Betreutes Wohnen“ im Haus Müllestumpe anzureichern. John hatte Christian gebeten, dem Folk Club-Publikum einmal einen kurzen Einblick in seine Arbeit und in das Projekt des betreuten Wohnens für behinderte Menschen zu geben. 2012 konnte der Verein Haus Müllestumpe zwölf Wohnungen für Menschen mit Behinderungen bereitstellen, die bei Bedarf in ihrem Tagesablauf unterstützt werden. Die Einrichtung schafft für die behinderten Menschen die Möglichkeit für ein Leben in Freiheit und weitreichender Selbstbestimmtheit. Das Haus Müllestumpe bietet den Bewohnern zudem eine Beschäftigungsmöglichkeit im Hause. Christian, jetzt Rentner mit viel Energie, Ideen und Idealismus stellt als Geschäftsführer ehrenamtlich sein organisatorisches Know-how und sein Engagement für diese tolle Sache zur Verfügung. Riesenapplaus für Christian Storm und das Haus Müllestumpe.
Anders, aber nicht minder ungewöhnlich, war das musikalische Experiment das unser Filmemacher Janero del Rosario anschließend wagte. Das Publikum wurde eingestimmt auf ein Medley mit mehreren Melodien, die aufeinander gestapelt wurden: „Whatever“ von Oasis, „Octopus’s Gardens“ von den Beatles und „All the Young Dudes Carry the News“ von David Bowie. Das Publikum bewies einmal mehr seine musikalischen Qualitäten, und das Experiment klappte super – Bravo Janero, das macht Spaß.
Gerd Schinkel, unser unverwüstliche Barde, hatte natürlich zum Thema Freiheit auch ein Lied im Gepäck. Diesmal bediente er sich der Melodie von Janis Joplins „Me and Bobby McGee“. Dem Lied hatte Gerd einen deutschen Text mit Road-Movie-Inhalt gegeben. „Freiheit hat nur der, der weiß, er kann nichts mehr verlier’n“ lautet der Refrain. Wie sich die Ansichten und Aspekte zur Freiheit seit Martin Luther („Von der Freyheith eines Christenmenschen“) doch verändert haben. Applaus für Gerd, dem immer etwas einfällt und der seine thematischen Ideen mit teils eigenen, teils entlehnten Melodien, gekonnter Gitarrenbegleitung und stimmlicher Brillanz präsentiert
Ein neues Gesicht präsentierte sich den Folk Club-Jüngern mit Dennis Ledermann, der schöne, selbstgeschriebene Lieder vorstellte. „The Old Me“ handelt von Grenzen im eigenen Kopf, „3000 Meilen weg“ beschreibt die Liebe, die bleibt, auch wenn man weit voneinander entfernt ist und „Oh Baby“ besingt die Schwierigkeiten, die ein Mann mit seiner schönen aber kapriziösen Freundin hat und von der er zur Weißglut getrieben wird. Kompliment an Dennis für seine einfallsreichen Lieder mit interessanten Melodien und zudem für seinen selbstbewussten Vortrag mit voluminöser und intonationssicherer Stimme. Schade nur für die Texte in englischer Sprache, dass sie für die meisten Zuhörer hier im Saal unverständlich blieben. Euer Chronist versteht es nicht oder will es nicht verstehen, warum so viele unserer deutschen Verseschmiede ihre Muttersprache für Lieder aus eigener Feder verschmähen. Es kann doch nicht an der Hoffnung liegen, mit Englisch ein größeres Publikum zu erreichen.
Uwe Gillert und Sohn Max konnten ihr tolles Zusammenspiel dem Publikum präsentieren. Ihr Repertoire bestand aus drei hörenswerten Stücken aus der alten Blues-Schule und machten mit T-Bone Walkers „She’s my Old Time Used to be“ den Anfang. Das Publikum konnte ein wunderbares Zusammenspiel zwischen den beiden Gitarren und schöne Soli und Vater Uwes markanten Gesang bewundern. Auch Eric Claptons „Before You Accuse Me“ erntete tollen Applaus. Ein viel beklatschtes Solo von Max gab es bei Peter Greens (Fleetwood Mac) „I Loved Another Woman“. Perfekt ausgesuchte Blues-Stücke, schönes Zusammenspiel, wunderbare Solos – Herz was willst du mehr – ein großes Bravo an die beiden.
Der Featured Artist (kennt jemand einen passenden deutschen Ausdruck dafür?? – ich gebe beim nächsten Folk Club dem Erfinder ein Getränk aus) des Abends, David Blair aus Kanada, hatte kurzerhand seine Landsfrau Jessica Alossery mitgebracht, die ebenfalls in Deutschland unterwegs ist und überließ ihr vor der Pause weitgehend die Bühne. David und Jessica hatten sich mehr oder weniger zufällig in London getroffen, obwohl sie sich schon zuvor über das Internet kennen gelernt hatten.
Mit ihrer Eigenkomposition „You Are the Apple of My Eyes“ stimmte Jessica das Publikum direkt auf sich ein. Trotz – oder vielleicht sogar wegen – ihrer etwas leisen Stimme war es sofort ruhig im Saal und alle konnten Jessicas gefühlvollen Gesang zu sparsamer Gitarrenbegleitung genießen. Leonhard Cohens „Hallelujah“ ist in einer solchen Stimmung genau die richtige Fortsetzung. Das Publikum nahm es dankbar auf und revanchierte sich mit bezauberndem Begleitgesang – Der Folk Club sollte einen Chor aufmachen. „Bare Feet“ lautete der Titel eines neuen Liedes von Jessica. Es dreht sich um Leute, die auf der Straße leben – In Kanada in Winterzeiten sicher eine schreckliche Vorstellung, dennoch tanzt die besungene Person.
Gemeinsam sangen Jessica und David dann vor der Pause das Lied von David Grammer „Honey I’m Good“, eine wunderbare Basis für die beiden schönen Stimmen.
Nach der Pause bevölkerte zunächst die Gruppe Zaiten-Pfeiffer aus Windeck an der Sieg die Bühne. Mit sechs Personen brachten sie richtig Schwung in die Bude. Die Gruppe besteht aus Frank Christgen (Gitarre/Gesang), Richard Wegmann (Klarinetten und Flöte), Willi Fichtel (Gesang, Flöte und diverse Saiteninstrumente), Norbert Schuster (Kontrabass), Christoph Nigg (Drehleier, Mandoline) und Monika Pleschka (Gesang). Die Gruppe, die bereits vor einem Jahr im Folk Club aufgetreten war, hatte sich thematisch super auf den Abend eingestellt: „Freiheit“ von Georg Danzer beschreibt ironisch wie die Freiheit sofort verschwindet, wenn man ihrer habhaft werden will – herrlich hintersinnig. „Wenn ich einmal der Herrgott wär“, das ursprüngliche Sauflied mit der Melodie von Karl Binder und dem Text von Eduard Amthor hatte von Zupfgeigenhansel einen neuen Text mit eher revolutionärem Inhalt bekommen, den Zaiten-Pfeiffer nun einsetzte. „Auf See“ (Frei, wie der Wind) von Santiano passt natürlich auch in die Thematik – Das Publikum gerät bei dem mitreißenden Lied in Wallung. „Ade Mein Lieb“ ist ein ursprünglich von Robert Burns geschriebenes Lied mit einem ins Deutsche übertragenen Text. Monika konnte hier ihre schöne Solostimme hören lassen. Für alle Freunde des rheinischen Idioms gab es zum Schluss noch von De Höhner „Wann jeht de Himmel widder op“ – ein Beitrag zur Flüchtlingsthematik. Riesenapplaus für die Sechs, die das Publikum restlos begeisterten.
Neu im Folk Club war Philipp Ossen aus Köln, der zwei eigene anrührende Lieder beisteuerte: „Die rote Uhr“, auf dem Klavier begleitet, beschreibt ein Erlebnis mit seiner Oma, die im Sterben lag und deren  rote Uhr ihm nun als Symbol für die Vergänglichkeit dient. „Wenn der Zeiger nicht mehr wandert, bist du endlich frei“ lautet eine Zeile. „Das kleine Licht“ – mit Begleitung auf der Gitarre – besingt witzig und doch nachdenklich die Probleme von Menschen, die niemand wahrnimmt. Egal was sie tun, es geht schief oder es wird von anderem überstrahlt. Philipp, du meinst doch nicht wirklich dich selbst, oder? Das Publikum ist jedenfalls angetan und fordert ein Zugabe. Philipp singt „Little Lionman“ von Mumford & Sons. Recherche im Internet ergibt in den amerikanischen Quellen gleich den prüden Hinweis auf „explicit language“, also schmutzige Ausdrücke mit meist vier Buchstaben („f..k“ usw. für alle, die nicht wissen, was gemeint ist). Gott sei Dank gibt es im Folk Club keine schrillen Piepser, die die unliebsamen „Stellen“ übertönen wie im amerikanischen Radio.
Stimmgewaltig, mit Gäsehautfaktor und schönem Timbre präsentierte sich Janine Schneider-Gündel aus Wesseling mit ihrem selbst geschriebenen Lied „Lead Me Home“, wunderbar einfühlsam auf der Gitarre begleitet von ihrem Mann Sascha – eine tolle Entdeckung für den Folk Club. Vielleicht dürfen wir die beiden, die sich „Second Movement“ nennen, einmal wieder im Folk Club begrüßen.
Zum Thema des Abends ließ es sich dann unser Mitstreiter Steve Perry nicht nehmen, noch eines seiner schön-schmalzigen Cowboylieder beizutragen: Ian Tysons „50 Years Ago“ – herrlich.
Zum Abschluss des Abends und nach langer Zeit geduldigen Wartens spielte David Blair bekannte und neue Lieder aus seinem Repertoire. Und wie bereits bei seinem umjubelten Auftritt vor genau einem Jahr bannte er das Publikum mit seinem Witz, seiner stimmlichen Präsenz, dem gekonnten Gitarrenspiel und seinen einfach schönen Liedern. „This is the Soundtrack to Our Conversation“, „Say No“, „When I Think of You“, und „Stronger, Higher, Faster“ lauteten die Liedtitel aus eigener Feder. Zum Schluss gab es noch als Zugabe Gänsehaut pur mit dem unsterblichen Lied von Louis Armstrong „What a Wonderful World“. David ist ein wahrer Edelstein und wir können ihm und seine Entdeckung Jessica Alossery mit ihrer Musik nur viel Erfolg wünschen. Kompliment auch an David für seine erfolgreichen Bemühungen mit der deutschen Sprache.
Nun, das Publikum und – euer Chronist ist davon überzeugt – auch die Musiker waren wieder vollgepumpt mit den allseits beliebten Glückshormonen und verabschiedeten sich wie immer mit dem traditionellen Rausschmeißer „Jock Stewart“.
Auf Wiedersehen am 4. März bei einem Abend u.a. mit der US-Amerikanerin (die momentan in Berlin lebt) Lauren Napier und dem Thema „Himmelskörper“. Wir sind wie immer gespannt und dürfen uns auf einen schönen Abend freuen.