Achterbahn der Emotionen?
Völlig untypisch für mich, habe ich mir sehr viel Zeit gelassen, um diesen Bericht anzugehen. Warum? Ehrlich gesagt – darüber bin ich mir immer noch nicht ganz im Klaren. Ich habe ein zwiespältiges Gefühl, was meine eigene Reaktion auf die emotionale Unterschiedlichkeit der Künstler des vergangenen Folkclubs angeht. Aber dazu im Bericht gleich mehr.
Laaadies and gentlemen...... - das Karussel begann, und wie immer begann es mit dem Zeremonienmeister himself John Harrison. Wie häufig lebte er den Blues nicht nur in der musikalischen Darbietung, sondern auch in der Gesellschaftsform – drücke aus, was du fühlst und teile dies mit Gleichgesinnten. Und so kam der wohlbekannte Kämpe Paolo Pacifico mit auf die Bühne – natürlich in Begleitung seiner vielfältigen Mundharmoniken, die er nicht nur von Stück zu Stück wechselt – nein, auch während eines Stückes greift Paolo ganz lässig in seine Tasche, zieht eine Mundharmonika in einer anderen Stimmung heraus und spielt weiter – eben genau die Töne, die in der Ursprungsstimmung nicht ins Publikum geschmettert hätten werden können. Ein wenig erinnert mich Paolo dann immer an Bruce Willis (ich hoffe er nimmt mir diesen Vergleich nicht übel), der in ausweglosen Situationen dann doch noch ein As (oder eine Waffe, oder eine Auto oder eine Flugzeug) aus dem Ärmel zieht :-). Nun ja, auf alle Fälle wurde so der Blues von John emotional angereichert. „From Four Until Late“ handelt zwar von der immer wiederkehrenden Geschichte zwischen Mann und Frau (oder eher zwischen Männern und Frauen) – das Thema des Abends lässt sich aber auf vielfältige Weise herauslesen. Zwischen 4 und spät in der Nacht scheinen Sterne, die angehimmelte Frau ist ein aufgehender Stern (insbesondere, wenn, wie im Lied beschrieben, ein Mann durch ihre Unterwäsche kriecht und so weiter und so weiter. Das zweite Lied drehte diese flüchtigen Sterne in einen langanhaltenden strahlenden Stern: „I Wasn't Expecting That“ erzählt von einer gedachten kurzen Affäre, die dann doch in einer lang anhaltenden Ehe endet – mit Kindern, Haus und allem drum herum, aber es wäre kein Blues, wenn nicht doch noch alles schrecklich endete – Blues ist halt das wahre Leben und so erlischt auch in diesem Lied ein Stern. Das Thema des Abends direkt ansprechend rezitierte John dann Shakespeare mit dem Sonnet XIV und erzählte im folgenden Lied sowohl von den Sternen, wie auch von seiner Beschäftigung in Bonn als englischsprachiger Nachtwächter-Stadtführer (Night Watchman Blues). Mit dem „St. James Infirmary Blues“ beendete John gemeinsam mit Paolo die Einleitung.
John als Moderator sollten wir noch häufiger am Abend zu Gesicht bekommen – Paolo indessen blieb auch als Musiker gleich auf der Bühne. Mit einem neuen Folkclub Rekord konnte er aufwarten. Noch nie zuvor (im Folkclub) hat ein Musiker spontan oder vorbereitet in so vielen unterschiedlichen Formationen gespielt. Auch das Emotion pur (da ist das Thema wieder). Gemeinsam mit Nick Nutall, John Hay und Christian Schuster verbreitete er Emotionen pur. Einfach in der Darbietung, schafften sie es, das Publikum mit bekannten Bob Dylan, Donovan und Gordon Lightfoot Songs zum mitsingen zu animieren. Einfach schrieb ich, aber nicht einfallslos, denn was zwischen den Mitsingteilen an kleinen Gitarrensoli von Christian oder Harpeinlagen von Paolo geboten wurde war wirkliche Klasse. Dann die Stimme und Stimmführung von Nick und die unaufdringliche Zweistimmigkeit der Gruppe – hier zeigte sich, dass Einfachheit wesentlich mehr sein kann als Lagerfeuerromantik. Und das Thema des Abends wurde auch getroffen In „Baby, Stop crying“ ist einmal von der Sonne dir Rede, „Knocking on Heaven's door“ spricht von einem Himmelskörper direkt (oder war die Himmelstür doch etwas anderes?); „Catch The Wind“ ist ja ein Spiel, welches sich zwischen den Himmelskörpern abspielt und „The Circle Is Small“ - nun wahrscheinlich sind die besungenen Augen wie Sterne.
Die Heimat des Folkclubs Bonn ist nicht umsonst das Haus Müllestumpe – gibt es auch immer mal wieder unterschiedliche Auffassungen in Details der Zusammenarbeit, so ist doch eines klar – das gemeinsame Ziel, eine Welt des Zusammenhaltes ohne Vorurteile gegen einzelne Gruppen und die Gestaltung des Weges zum Ziel mit viel Kreativität wird in beiden Formen der Arbeit zum Ausdruck gebracht. Nachdem im letzten Folkclub Christian Storm, der Geschäftsführer für den Bereich „Betreutes Wohnen“ über die Arbeit des Hauses berichtete, ergriff diesmal Peter Kurenbach vom Vorstand die Gelegenheit, um die kreative Seite darzustellen. Welche Aktivitäten in wie vielen kleinen und größeren Werkstätten im hinteren Teil des Hauses stattfinden, sieht der „normale“ Besucher des Restaurants gar nicht. Malen, Töpfern, Holzschnitzen oder auch noch nicht ausgediente, aber nicht mehr funktionierende Geräte im Repair Cafe wieder in Schuss bringen – die Angebote sind vielfältig, werden aber alle von den Teilnehmenden mitgestaltet. Auch die Geschichte, wie aus einem dem Abriss preisgegebenen Haus eine Heimstatt für soziales Engagement wurde, sollte jeder Besucher einmal betrachten – Hut ab und auch weiterhin viel Mut und Glück beim Beschreiten unkonventioneller Wege.
Nach dieser froh- und nachdenklich stimmenden Erläuterung betrat die „Featured Artist“ die Bühne. Lauren Napier. Extrem vielfältig - als Model (Punk Rock Doll), als Konzertmanagerin, Journalistin, Kurzgeschichtenschreiberin und Cellistin - präsentierte sie sich im Folkclub natürlich als Songschreiberin und -sängerin. Lauren lebt zurzeit in Berlin und von dort war sie direkt angereist – mit Verspätung, dem Fernbusbetrieb sei es gedankt. Entsprechend noch leicht angespannt, betrat sie die Bühne und erzählte ein wenig über sich – unter anderem, dass sie Cellistin ist und die Gitarrenbegleitungen zu ihren Lieder sehr einfach ausfallen würden. Dann begann sie zu singen – eine wahnsinnig ausdrucksstarke Stimme, die das einfach Gitarrenspiel in den Hintergrund drückte. Die sanft mit den Fingerkuppen gestrichenen Akkorde dienten lediglich zur Untermalung der Stimmführung. Soweit toll – aber, und das schreibe ich hier nicht als Negativum, sondern einfach als Ausdruck meiner Verwirrung, wo war die Emotion des Auftritts? Das ist der Grund, weshalb ich erst heute den Bericht schreibe - ich wollte Abstand von meinem Gefühl gewinnen. Ich war regelrecht traurig, weil ich dachte, wie können so schöne Lieder, ausdrucksstark vorgetragen mit einer so schönen Stimme bei mir den Eindruck hinterlassen, dass es sich um eine Aneinanderreihung von Liedern handelt, ohne das eine Beziehung zum Publikum aufgebaut wird. Habe ich zu Beginn noch gedacht, es läge an dem Stress der verspäteten Ankunft, so wiederholte sich mein Gefühl (wenn auch abgeschwächt) in der zweiten Hälfte des Folkclubs. Ich gebe zu, ich muss wohl noch länger darüber nachdenken und wahrscheinlich auch Lauren häufiger live erleben – vielleicht werde ich dann das Besondere gerade an dieser Vortragsform entdecken, vielleicht den Zusammenhang mit einer distanzierten Professionalität als Model – vielleicht werde ich dann ein glühender Fan eben dieser Art des Vortrages. Im Moment konzentriere ich mich noch lieber auf die Lieder als auf den Vortrag, denn diese sind einfach toll. Tiefe Lyric, ausdrucksvolle Metaphern und das Aufgreifen von Themen – alles was ein gutes Liedermacher/ Singer-songwriter Lied braucht. Mit ihren Songs „Windowsill Of Romantic Ponderings, Caught In Between, Worthwhile, Echoes of Regret, Freundian Slip und Suitor In A Black Cape“ hat Lauren nur einen kleinen Ausschnitt ihres Schaffen gezeigt, aufgeschrieben in einem kleinen Notizbuch, welches den Eindruck erweckte immer dabei zu sein, um jeder Idee sofort einzufangen.
Dann Frischluft – notwendig, weil der Folkclub immer so gut gefüllt ist, dass eine Pause angeraten ist. Doch nach einigen Atemzügen (für die Raucher mit Qualm :-) ) erklang bereits wieder Klaviermusik aus dem Haus. Barry Roshto schaffte es in seiner kaum nachahmbaren Art durch einfaches, langsam anschwellendes und Schritt für Schritt aus einem improvisierenden Klimpern auf konkrete Musikstücke hinsteuernden Klavierspiels das Publikum nicht nur zurückzuholen, sondern auch in eine Konzentration für die nachfolgenden Vorträge zu bringen. Mit dem Stück „If I Said You Had A Beautiful Body Would You Hold It Against Me” vollbrachte er nicht nur dieses Kunststück, sondern gab auch noch eine Lehrstunde in Hamronielehre (VI-II-V-I ist eine typische Akkrodreihenfolge für Jazzharmonik: „Blue Moon" & "Stars Fell on Alabama") - und Himmelskörper waren auch enthalten: Engel, Körper, Sonne, Mond und Sterne........
Steve Perry unterstützte das Thema „Himmelskörper“ mit „All Through The Night“ in Walisischer Sprache, (Ar Hyd Y Nos), wobei es sich um die Sterne als Himmelspforte und als Trost für alte Menschen handelt. Schade, dass niemand das Walisische verstehen konnte.
Wieder voll konzentriert durfte das Publikum nun Sebastian Landwehr lauschen – der Musiker, der nach dem Studium wieder zurück nach Bonn kam, um seine treue Gefolgschaft dem Folkclub zu erweisen (hatte sicherlich auch andere Gründe:-) ). Mit den Liedern „Sag mir alter Mann“ (Noch immer wird viel Hoffnung auf Antworten aus der Lebenserfahrung von Menschen gelegt), „Muss jetzt geh'n“ (hier wird beschrieben, wie die Rückkehr von Sebastian nach Bonn begann) und Hey Freunde“ (Halt ein Lied über Zusammenhalt und Freunde) zeigte er ein umfangreiches Spektrum seines Könnens und bewies, dass Lieder aus jedem Gefühl etwas machen können. Wenn ich sprachlos bin, dann singe ich und wenn es das Lied, welches passt nicht gibt, dann schreibe ich es. Das ist Liedermachertradition, in der auch das Werken von Sebastian beheimatet ist.
In zwei aufeinandert folgenden Folkclubs auftreten – nein, das geht natürlich nicht, dazu ist der Andrang von Künstlern zu groß – aber wenn ein Künstler Musiker bei verschiedenen Formationen ist, dann kann es schon vorkommen, dass einzelne Gesichter auch zweimal hintereinander auftauchen. Diese Regel beherzigend hat Dennis Ledermann sich kurzerhand seinen Bruder gespannt und erklomm mit ihm die „Bühne“. War es schon großes Kino ihn solo zu hören, so hat das Duo der Ledermann Bros dies noch übertroffen. Mit einem Dennis Song „Circles“ begann der Reigen. Natürlich durfte dann ein Marvin Ledermann Stück (Nightwatch) nicht fehlen – und hier waren dann auch die Himmelskörper beheimatet. Aber auch das Kunststück aus Coversongs etwas eigenes zu machen beherrschten die Zwei. Den „Lieblingsmenschen“ von Namika brachten sie bravourös, so dass das Stück zwar erkannt wurde, aber zu einem Ledermann wurde. Eine Zugabe wurde nach dem brausenden Applaus Pflicht, die mit dem Song „I See Fire“ auch gegeben wurde. Mal schauen, welche Familienmitglieder zum nächsten Folkclub gefunden werden :-).
Gedichtzeit ist seit einigen Folkclubs eine gute Tradition, um das gesamte Spektrum des Liedermachens aufzuzeigen. Ich habe (in früheren Jahren) lange gebraucht, um meine Enttäuschung, bei dem Liederbuch „Des Knaben Wunderhorn“ zu verwinden, dass ich nicht eine einzige Melodie gefunden habe. Aber wer sich mit der Materie beschäftigt weiß schon lange, Lieder sind eine Ausdrucksform Texte/ Inhalte in gesungener Form dem Zuhörer nahe zu bringen – das dies mit eigenen Melodien zu geschehen hat, ist erst eine Erfindung der Neuzeit. In diesem Sinne rezitierte Christoph Thiebes ein Gedicht von Ringelnatz und zeigte dem erstaunten Publikum wieder einmal, dass die Form der Mitteilung über Gedichte, die wir in der Schule fast alle mehr oder weniger gehasst haben, sehr viele Möglichkeiten zeigt, Emotionen zu schildern, aber auch versteckte Botschaften zu transportieren.
Mit einem Kuss als Starthilfe ermuntert (zwar nicht von Maria, sondern von Regine) brachte Bob Marabito die West Side Story in den Folkclub. Bob, der immer gut für Überraschungen und vor allen Dingen nicht auf bestimmte Bereiche festgelegt ist, besang mit „Maria“ einen klingenden Himmelskörper („All the beautiful sounds of the world (also auch der von Himmelskörpern) in a single word“. Warten wir auf die nächste Überraschung von Bob.
Den zweiten Teil des Featured Artist Auftritts von Lauren Napier habe ich bereits oben mit beschrieben. Bliebe zu sagen, dass die kurze Erholung im Folkclub nach der Busfahrt sich schon in einer besseren Entspanntheit von Lauren äußerte.
Finale durfte auch diesmal nicht fehlen. Der Gutsherr Jock Stewart besungen von allen – ohne Ausnahme – beendete nicht nur das Programm, sondern lud auch gleich wieder für den 1. April ein, wenn es um Aprilscherze geht („Joke“ Stewart?)
Mittwoch, 30. März 2016
Sonntag, 6. März 2016
Detlefs Bilder vom Folk club Nr. 67 am 4. März 2016
Die Gitarren warten |
John Harrison |
Paolo Pacifico |
Paolo Pacifico, Nick Nuttall, John Hay, Christian Schuster - Quartett (noch) Ohne Namen |
Lauren Napier |
Barry Roshto |
Steve Perry |
Mario Dompke und Jutta Mensing |
Sebastian Landwehr singt eigene Lieder |
Die Brüder Dennis und Marvin Ledermann |
Christoph Thiebes trägt ein Gedicht von Ringelnatz vor |
Bob Marabito sngt "Maria" aus der Westside Story |
Peter Kurenbach vom Vorstand des Vereins Haus Müllestumpe |
Jock Stewart - der Rausschmeißer |
Freitag, 4. März 2016
Detlefs Bericht über den Folk Club Nr. 66 am 5. Februar 2016
Folk Club am 5. Februar 2016 – Freiheit für den Folk Club
Welches Thema
könnte besser zum Folk Club passen als „Freiheit“? Und natürlich passt es
besonders in die Thematik unserer Tage, sind doch Millionen Menschen aktuell ganz augenfällig auf der Suche nach
Befreiung von allen möglichen Formen der Bedrängnis, die sie jeden Tag erfahren
und nehmen bei ihrem Bemühen, diese Freiheit zu finden, schier unvorstellbare
Gefahren in Kauf. All dies findet mitten in der heißen Phase des rheinischen
Karnevals statt, der in seinem Wesen auch eine Form der zeitweiligen Befreiung
von Zwängen des Alltags darstellt und in der autoritären Zeit früherer
Jahrhunderte auch ein Mittel des Protests gegen die Obrigkeit war. Von Karneval
war beim Folk Club allerdings recht wenig zu spüren, über Freiheit gab es
hingegen viel zu hören.
Den Anfang
machte unser Protagonist John Harrison
mit dem selbstverfassten Lied „Garden Gnomes“ (Gartenzwerge), das er für die
drei eingesperrten „Whistleblower“ Edward Snowden, Bradley/Chelsea Manning und
Julian Assange aus der Konserve geholt hat. Das Lied hatte John bereits in den
siebziger Jahren – wie man sagt, des vorigen Jahrhunderts – geschrieben. John
ist nun mal seiner Zeit voraus. Die drei Gartenzwerge in seinem Lied haben es
sehr schwer und träumen davon, mal raus zu kommen, um eine Gartenzwergband zu
gründen. John wird von Paolo Pacifico
auf der Mundharmonika begleitet, der mit einem tollen Solo glänzen darf.
Etwas
traditioneller ging es zu beim klassischen Blues „Rambling“ von Robert Johnson,
bei dem das Zusammenspiel von John und Paolo wunderbar harmonierte und beide
tolle Soli auf ihren Instrumenten ablieferten. John wäre nicht John, hätte er
nicht noch ein besonderes Schmankerl im Gepäck. Rudyard Kiplings wunderbares
Gedicht „If“, das ein unsterbliches Vermächtnis des Vaters an seinen
heranwachsenden Sohn darstellt trug er in einer a capella gesungenen Version
vor – herzerwärmend! – toller Applaus für John und natürlich auch für Paolo.
John Hurd, der regelmäßig über den Folk
Club in seinem englischsprachigen Internetmagazin 3SongsBonn berichtet, griff
selbst zur Gitarre und brachte dem vor kurzen verstorbenen David Bowie ein
Gedenkständchen. „Heroes“ war sein schöner Beitrag.
John Harrison
hatte die Gelegenheit ergriffen, das Thema des heutigen Tages mit einem etwas
ungewöhnlichen Beitrag von Christian
Storm, dem Geschäftsführer für den Bereich „Betreutes Wohnen“ im Haus
Müllestumpe anzureichern. John hatte Christian gebeten, dem Folk Club-Publikum
einmal einen kurzen Einblick in seine Arbeit und in das Projekt des betreuten
Wohnens für behinderte Menschen zu geben. 2012 konnte der Verein Haus
Müllestumpe zwölf Wohnungen für Menschen mit Behinderungen bereitstellen, die
bei Bedarf in ihrem Tagesablauf unterstützt werden. Die Einrichtung schafft für
die behinderten Menschen die Möglichkeit für ein Leben in Freiheit und
weitreichender Selbstbestimmtheit. Das Haus Müllestumpe bietet den Bewohnern
zudem eine Beschäftigungsmöglichkeit im Hause. Christian, jetzt Rentner mit
viel Energie, Ideen und Idealismus stellt als Geschäftsführer ehrenamtlich sein
organisatorisches Know-how und sein Engagement für diese tolle Sache zur
Verfügung. Riesenapplaus für Christian Storm und das Haus Müllestumpe.
Anders, aber
nicht minder ungewöhnlich, war das musikalische Experiment das unser
Filmemacher Janero del Rosario
anschließend wagte. Das Publikum wurde eingestimmt auf ein Medley mit mehreren
Melodien, die aufeinander gestapelt wurden: „Whatever“ von Oasis, „Octopus’s
Gardens“ von den Beatles und „All the Young Dudes Carry the News“ von David
Bowie. Das Publikum bewies einmal mehr seine musikalischen Qualitäten, und das
Experiment klappte super – Bravo Janero, das macht Spaß.
Gerd Schinkel, unser unverwüstliche
Barde, hatte natürlich zum Thema Freiheit auch ein Lied im Gepäck. Diesmal
bediente er sich der Melodie von Janis Joplins „Me and Bobby McGee“. Dem Lied
hatte Gerd einen deutschen Text mit Road-Movie-Inhalt gegeben. „Freiheit hat
nur der, der weiß, er kann nichts mehr verlier’n“ lautet der Refrain. Wie sich
die Ansichten und Aspekte zur Freiheit seit Martin Luther („Von der Freyheith
eines Christenmenschen“) doch verändert haben. Applaus für Gerd, dem
immer etwas einfällt und der seine thematischen Ideen mit teils eigenen, teils
entlehnten Melodien, gekonnter Gitarrenbegleitung und stimmlicher Brillanz
präsentiert
Ein neues
Gesicht präsentierte sich den Folk Club-Jüngern mit Dennis Ledermann, der schöne, selbstgeschriebene Lieder vorstellte.
„The Old Me“ handelt von Grenzen im eigenen Kopf, „3000 Meilen weg“ beschreibt
die Liebe, die bleibt, auch wenn man weit voneinander entfernt ist und „Oh
Baby“ besingt die Schwierigkeiten, die ein Mann mit seiner schönen aber
kapriziösen Freundin hat und von der er zur Weißglut getrieben wird. Kompliment
an Dennis für seine einfallsreichen Lieder mit interessanten Melodien und zudem
für seinen selbstbewussten Vortrag mit voluminöser und intonationssicherer
Stimme. Schade nur für die Texte in englischer Sprache, dass sie für die
meisten Zuhörer hier im Saal unverständlich blieben. Euer Chronist versteht es
nicht oder will es nicht verstehen, warum so viele unserer deutschen
Verseschmiede ihre Muttersprache für Lieder aus eigener Feder verschmähen. Es
kann doch nicht an der Hoffnung liegen, mit Englisch ein größeres Publikum zu
erreichen.
Uwe
Gillert und Sohn Max konnten ihr tolles Zusammenspiel dem Publikum
präsentieren. Ihr Repertoire bestand aus drei hörenswerten Stücken aus der
alten Blues-Schule und machten mit T-Bone Walkers „She’s my Old Time Used to
be“ den Anfang. Das Publikum konnte ein wunderbares Zusammenspiel zwischen den
beiden Gitarren und schöne Soli und Vater Uwes markanten Gesang bewundern. Auch
Eric Claptons „Before You Accuse Me“ erntete tollen Applaus. Ein viel
beklatschtes Solo von Max gab es bei Peter Greens (Fleetwood Mac) „I Loved
Another Woman“. Perfekt ausgesuchte Blues-Stücke, schönes Zusammenspiel,
wunderbare Solos – Herz was willst du mehr – ein großes Bravo an die beiden.
Der Featured
Artist (kennt jemand einen passenden deutschen Ausdruck dafür?? – ich gebe beim
nächsten Folk Club dem Erfinder ein Getränk aus) des Abends, David Blair aus Kanada, hatte
kurzerhand seine Landsfrau Jessica
Alossery mitgebracht, die ebenfalls in Deutschland unterwegs ist und
überließ ihr vor der Pause weitgehend die Bühne. David und Jessica hatten sich
mehr oder weniger zufällig in London getroffen, obwohl sie sich schon zuvor
über das Internet kennen gelernt hatten.
Mit ihrer
Eigenkomposition „You Are the Apple of My Eyes“ stimmte Jessica das Publikum direkt auf sich ein. Trotz – oder vielleicht
sogar wegen – ihrer etwas leisen Stimme war es sofort ruhig im Saal und alle
konnten Jessicas gefühlvollen Gesang zu sparsamer Gitarrenbegleitung genießen.
Leonhard Cohens „Hallelujah“ ist in einer solchen Stimmung genau die richtige
Fortsetzung. Das Publikum nahm es dankbar auf und revanchierte sich mit
bezauberndem Begleitgesang – Der Folk Club sollte einen Chor aufmachen. „Bare
Feet“ lautete der Titel eines neuen Liedes von Jessica. Es dreht sich um Leute,
die auf der Straße leben – In Kanada in Winterzeiten sicher eine schreckliche
Vorstellung, dennoch tanzt die besungene Person.
Gemeinsam
sangen Jessica und David dann vor der Pause das Lied von
David Grammer „Honey I’m Good“, eine wunderbare Basis für die beiden schönen
Stimmen.
Nach der
Pause bevölkerte zunächst die Gruppe Zaiten-Pfeiffer
aus Windeck an der Sieg die Bühne. Mit sechs Personen brachten sie richtig
Schwung in die Bude. Die Gruppe besteht aus Frank Christgen (Gitarre/Gesang), Richard Wegmann (Klarinetten und Flöte), Willi Fichtel (Gesang, Flöte und diverse Saiteninstrumente), Norbert Schuster (Kontrabass), Christoph Nigg (Drehleier, Mandoline)
und Monika Pleschka (Gesang). Die Gruppe, die bereits vor einem Jahr im Folk
Club aufgetreten war, hatte sich thematisch super auf den Abend eingestellt:
„Freiheit“ von Georg Danzer beschreibt ironisch wie die Freiheit sofort
verschwindet, wenn man ihrer habhaft werden will – herrlich hintersinnig. „Wenn
ich einmal der Herrgott wär“, das ursprüngliche Sauflied mit der Melodie von
Karl Binder und dem Text von Eduard Amthor hatte von Zupfgeigenhansel einen
neuen Text mit eher revolutionärem Inhalt bekommen, den Zaiten-Pfeiffer nun
einsetzte. „Auf See“ (Frei, wie der Wind) von Santiano passt natürlich auch in
die Thematik – Das Publikum gerät bei dem mitreißenden Lied in Wallung. „Ade
Mein Lieb“ ist ein ursprünglich von Robert Burns geschriebenes Lied mit einem
ins Deutsche übertragenen Text. Monika konnte hier ihre schöne Solostimme hören
lassen. Für alle Freunde des rheinischen Idioms gab es zum Schluss noch von De
Höhner „Wann jeht de Himmel widder op“ – ein Beitrag zur Flüchtlingsthematik.
Riesenapplaus für die Sechs, die das Publikum restlos begeisterten.
Neu im Folk
Club war Philipp Ossen aus Köln, der
zwei eigene anrührende Lieder beisteuerte: „Die rote Uhr“, auf dem Klavier
begleitet, beschreibt ein Erlebnis mit seiner Oma, die im Sterben lag und
deren rote Uhr ihm nun als Symbol für
die Vergänglichkeit dient. „Wenn der Zeiger nicht mehr wandert, bist du endlich
frei“ lautet eine Zeile. „Das kleine Licht“ – mit Begleitung auf der Gitarre –
besingt witzig und doch nachdenklich die Probleme von Menschen, die niemand
wahrnimmt. Egal was sie tun, es geht schief oder es wird von anderem
überstrahlt. Philipp, du meinst doch nicht wirklich dich selbst, oder? Das
Publikum ist jedenfalls angetan und fordert ein Zugabe. Philipp singt „Little
Lionman“ von Mumford & Sons. Recherche im Internet ergibt in den
amerikanischen Quellen gleich den prüden Hinweis auf „explicit language“, also
schmutzige Ausdrücke mit meist vier Buchstaben („f..k“ usw. für alle, die nicht
wissen, was gemeint ist). Gott sei Dank gibt es im Folk Club keine schrillen
Piepser, die die unliebsamen „Stellen“ übertönen wie im amerikanischen Radio.
Stimmgewaltig,
mit Gäsehautfaktor und schönem Timbre präsentierte sich Janine Schneider-Gündel aus Wesseling mit ihrem selbst
geschriebenen Lied „Lead Me Home“, wunderbar einfühlsam auf der Gitarre
begleitet von ihrem Mann Sascha –
eine tolle Entdeckung für den Folk Club. Vielleicht dürfen wir die beiden, die
sich „Second Movement“ nennen,
einmal wieder im Folk Club begrüßen.
Zum Thema des
Abends ließ es sich dann unser Mitstreiter Steve
Perry nicht nehmen, noch eines seiner schön-schmalzigen Cowboylieder
beizutragen: Ian Tysons „50 Years Ago“ – herrlich.
Zum Abschluss
des Abends und nach langer Zeit geduldigen Wartens spielte David Blair bekannte und neue Lieder aus seinem Repertoire. Und wie
bereits bei seinem umjubelten Auftritt vor genau einem Jahr bannte er das
Publikum mit seinem Witz, seiner stimmlichen Präsenz, dem gekonnten
Gitarrenspiel und seinen einfach schönen Liedern. „This is the Soundtrack to
Our Conversation“, „Say No“, „When I Think of You“, und „Stronger, Higher,
Faster“ lauteten die Liedtitel aus eigener Feder. Zum Schluss gab es noch als
Zugabe Gänsehaut pur mit dem unsterblichen Lied von Louis Armstrong „What a
Wonderful World“. David ist ein wahrer Edelstein und wir können ihm und seine
Entdeckung Jessica Alossery mit ihrer Musik nur viel Erfolg wünschen. Kompliment
auch an David für seine erfolgreichen Bemühungen mit der deutschen Sprache.
Nun, das
Publikum und – euer Chronist ist davon überzeugt – auch die Musiker waren
wieder vollgepumpt mit den allseits beliebten Glückshormonen und
verabschiedeten sich wie immer mit dem traditionellen Rausschmeißer „Jock
Stewart“.
Auf
Wiedersehen am 4. März bei einem Abend u.a. mit der US-Amerikanerin (die
momentan in Berlin lebt) Lauren Napier und dem Thema „Himmelskörper“. Wir sind
wie immer gespannt und dürfen uns auf einen schönen Abend freuen.
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