Guten
Morgen und schönen Abend
zwei
Höflichkeitsfloskeln, die im Folkclub Bonn eine eigene Bedeutung
bekamen. Morgen und Abend war das Motto des 95. Folkclubs, der wie
immer mit einer weiteren Höflichkeitsfloskel begann: Laaadies
and Gentlemen.......
Inzwischen werden durch diesen Schlachtruf kaum noch Gespräche
unterbrochen, vielmehr wird es im Saal schon vorher ruhig, weil eben
alle auf diese Begrüßung warten – aber, ob Überraschung oder
Erwartung – die Wirkung ist da und so konnte das gesamte Publikum
sich sehr aufmerksam den Eröffnungsliedern von John
Harrison
und Eva
Henneken
zuwenden. Silver
City
ein Blues über eine Stadt am Rande eines Schürfgebietes, wie viele
im Silber- bzw. auch im Goldrausch entstanden sind. Danach wurde
Creole
Belle
besungen, eine Frau, die sowohl der schwarzen (weil zu dunkel) wie
auch der weißen Rasse (weil zu hell) in den Südstaaten
zugeschrieben wurde. Saß sie so immer zwischen den Stühlen, musste
sie ihre Anerkennung über ihre Schönheit bekommen. Zu dem folgenden
St.
Louis Blues
muss wohl kaum noch etwas gesagt werden, weil doch fast jeder Folkie
ihn kennt und versteht – aber in der vorgetragenen Version mit
einer klassisch angehauchten Geige und der „dreckig“ klingenden
Tri Cone Resonatorgitarre zumindest für mich ein besonderer
Leckerbissen.
Nach
den Ausflügen von John und Eva in die ancient time der
amerikanischen Geschichte (na gut, nicht ganz, denn die ancient time
war ja zwischen 3000 vor bis 500 nach Christi Geburt – wieder was
dazu gelernt), wurde es moderner. Karin
und Gerald
interpretierten in gewohnter Manier den Sunday
Morning
von Maroon 5 und bereiteten das Publikum so auf das Wochenende nach
dem Folkclub vor.
Der
Folkclub hat es ja schon oft geschafft viele Musiker zu neuen
Formationen zusammenzubringen. Unter dem Namen World
Music Bonn
traten nun zum zweiten Mal einige bekannte Gesichter aus der Folkclub
Szene auf. Mit dem jiddischen Lied Donna,
Donna
stiegen sie in die Präsentation ihrer Vielfalt ein. Ich finde ein
sehr gelungener Einstieg, denn, was kann Musik besser, als durch
Metaphern und melodiöser Schönheit den Wunsch nach Würde und
Freiheit auszudrücken. Das Lied von dem gebundenen Kalb, was sich
zur Schlachtbank führen lässt und dem spottenden Wind, zeigt dies
immer wieder eindrucksvoll auf. Mit dem Lied Tsen
Brider
blieb es jiddisch und so wurde wieder einmal eine Kultur in den
Folkclub gebracht, die nicht nur in der Musik großes geleistet hat.
Auch bei der WMB
gab es nun einen Sprung in neuere Zeiten. Mit dem Lied Vincent
beschrieb die Formation die nach wie vor ungebrochene Kraft der
Malerei von Vincent Van Gogh – wer sich den Film Vincent angeschaut
hat, dieser ist in der Form der Pinsel- und Farbführung seiner
Malereien „verfremdet“, wird das Lied jetzt noch besser
verstehen. Einen hätten wir noch – wenn ihr wollt, so die Frage
von John Hay nach dem Set und natürlich wollten alle. Mit Heute
hier, Morgen dort
wurde der Floorspot in gemeinsamen Singen beendet.
Und
schon war die Zeit da für den ersten featured artist des Abends.
Stefan
Mönkemeyer,
ein Gitarrenvirtuose des Fingerpickings hatte eine staureiche Anfahrt
aus Dortmund auf sich genommen, um die Besonderheit des FCB –
ausschließlich akustisch – selber zu erleben. War er am Anfang
noch skeptisch, ob sein leises und feines Spiel das Ohr auch des
hintersten Zuhörers erreicht, so war er am Ende des Abends mehr als
überzeugt. Wieder einmal zeigte sich, dass es eine Symbiose aus
guten Musikern und gutem Publikum geben kann – im FCB immer gibt.
Mit
einem Intro,
dessen Namen Stefan uns nicht verriet, spielte er sich und uns warm.
Sehr feine Töne, sehr harmonische Reihen, aber auch eingebaute
überraschende Momente machen sein Spiel ziemlich einzigartig. Ich
habe die Erfahrung gemacht, dass gerade reine Instrumentalisten ihrem
Spiel immer eine sehr persönliche Note geben, so dass sie aus allen
anderen Mitstreitern heraus zu hören sind. Einem Gefühl folgend
(„Ich sah alles klar vor mir und hatte das Gefühl alles erreichen
zu können“) schrieb Stefan den Song The
Sky Is The Limit
und zeigte damit zumindest mir, wo das Limit meiner
Fingerbeweglichkeit auf der Gitarre ist. Wenngleich Stefan - wie er
selbst sagte – nicht klüger als Andere ist und deshalb auch keine
Universallösungen auf die in den Nachrichten verbreiteten Probleme
der Welt hat, so sagt er sich selbst, dass ein Teil der Lösung Liebe
ist und weil er mit Liebe immer Musik verbindet, beendete er seinen
ersten Auftrittsteil mit einem Lied, das er der Liebe gewidmet und
kurz und knapp Love
genannt hat.
Als
Chronist möchte ich nicht zuviel springen, weshalb ich bereits an
dieser Stelle ausführe, dass Stefan im zweiten Set seinen Tribut an
das Thema des Abends mit den Stücken After
The Sunset
und Morning
Song
brachte. Einer besonderen, sich selbst auferlegten Verpflichtung
folgend, erzählte Stefan die Geschichte eines Zusammentreffens auf
einem Gitarrenfestival in Chesam in England mit der Tochter einer KZ
Gefangenen, die ihn bewusst als Deutschen in die Arme genommen hat
und sich für ihr Leben bedankte – ein KZ Aufseher hat ihrer Mutter
das Überleben ermöglicht und somit auch ihr die Chance gegeben, auf
die Welt zu kommen. Ich glaube auch solche Geschichten zeigen auf,
dass wir niemals unsere dunkle Geschichte vergessen dürfen, denn
selbst dort zeigen sich Beispiele für die Übernahme von ziviler
Verantwortung – und auch heute werden in vielen Zusammenhängen
solche couragierten Verantwortungsübernahmen notwendig.
Unterstrichen wurde diese Geschichte mit dem Lied Amazing
Grace,
dem Stefan augenzwinkernd die britische Nationalhymne zufügte.
Danach folgten zwei Potpouries ; einmal eines aus Beatles Liedern
("When
My Guitar Gently Weeps" und "Let It Be") und
eines auf dem Thema Oh,
When The Saints
aufgebautes (in welches auch die Deutsche Nationalhymne eingebaut
war).
Der
zweite featured artist des Abends war nicht zum ersten Mal im
Folkclub, jedoch zum ersten Mal mit einem Geiger – und brachte so
eine völlig neue Note ein (genau genommen waren es sogar sehr viele
Noten). Matthew Robb mit Band (diesmal war auch sein Sohn Sam dabei)
spielt – wie ihr alle wisst – bluesigen Country und das in
lässiger Reinkultur. Keine Schnörkel, keine Tändeleien, was gesagt
werden muss wird gesagt und mit verständlichen Melodien unterlegt.
Dies so einfach erscheinende Konzept ist bei näherer Betrachtung
jedoch alles andere als einfach und fast unnachahmbar. Entweder man
kann es oder man wird es nie können. Matt Robb kann es! Mit Spirit
Of The Form
stiegen sie in den musikalischen Reigen ein. Spätestens beim zweiten
Lied Dead
Men Have No Dreams
war das Publikum dabei. Hörten wir doch diesen Titel nicht zum
ersten Mal und außerdem ist der Refrain auch ohne ablesbare Vorlage
schnell und leicht zu merken. Eine schon chauvinistisch anmutende
Bemerkung war der Titel des nächsten Stückes. Bei You
Talk Too Much
sangen wieder alle begeistert mit.
Auch
bei Matthew springe ich zum zweiten Teil des Sets. Mit den Songs Come
Back Home
und Slave
Song
ging der Reigen weiter und auch wenn es sich anhören könnte, als
wäre alles gleich gewesen – nein, der Stil blieb sich treu, aber
die Stücke haben immer wieder neue Erlebnisse beim Hinhören
aufgetan. Mit dem mitreißenden Rhythmus und den Geigensolis ging die
Zeit der Musik schon fast zu schnell vorbei. Und was für Soli dies
waren!! Sascha Loss ist Autodidact und beweist damit, dass
Professionalität nicht immer von einer Ausbildung abhängt (bzw.
diese Ausbildung auch durch üben und Erfahrung mit vielen Musikern
zusammen erlangt werden kann. Auch zeigte Sascha wie wichtig es ist,
mit Enthusiasmus bei der Sache zu sein und den Funken des eigenen
Feuers auf das Publikum überspringen zu lassen (Eine Stimme nach dem
Konzert: „He played like his arse was on fire“) Mit Sinner
Man
und dem als letztes Stück angekündigten The
River
war der Gig jedoch noch nicht vorbei. Natürlich wurden auch Matt und
Band zu einer Zugabe genötigt, die sie auch gerne mit dem Stück
Pass
The Buck
gaben.
Blieb
noch zu vermerken, dass direkt nach der Pause Steve
Perry
nicht nur die Ansagen zu weiteren Veranstaltungen zum Besten gab,
sondern selbst auch zum Instrument griff und ein weiteres walisisches
Lied aus seinem Repertoire zum Besten gab. „Ar
Hyd y Nos“
oder „All
Through The
Night“
sind eigentlich zwei Lieder mit einer Melodie wobei der walisische
Text die Sterne als Himmelspforten besingt, die mit ihrem Strahlen
auch traurigen Menschen Trost spenden, während der englische Text
ein Lulaby, also ein Schlaflied beschreibt. Steve sagte zwar, dass er
das Lied nur gesungen hat, um beim abschließenden Jock Stewart mit
auf der Bühne sein zu dürfen – jedoch waren sowohl sein
Augenzwinkern, wie auch die wirklich tolle Interpretation Zeugen,
dass es doch eher um das Lied als solches ging.
Ein
weiterer Fingerstylist nach Steve auf die Bühne. Knut
Rausch
war zum ersten Mal im Folkclub und zeigte, dass auch auf der
12saitigen Gitarre Fingerstyle möglich ist. Den Älteren ist noch
Leo Kottke bekannt, der ja in den siebziger Jahren wohl der
bekannteste Vertreter des 12saitigen Fingerstyles war. Von Leo hatte
Knut zwar keine Lieder im Gepäck (deshalb dieser kleine Tip für
Knut von mir), aber mit dem Traditionell John
Barleycorn Must Die,
der Komposition Daybreak
In May
von Ulli Bögershausen und dem Beatles Stück Here
Comes The Sun
legte Knut ein tolles Debut auf die Bühne.
Schon
angemerkt und deshalb nicht weiter ausgeführt – natürlich endete
der Folkclub mit dem Tribut an unseren Schirmherren Jock
Stewart.
So,
wie ihr merkt, ist ein Bericht immer nur eine Erinnerung oder – wie
ich hoffe – ein anfixen für die nächste Veranstaltung. Deshalb
denkt daran: Am 2. November gibt es wieder den FCB – see you at
Dotty's . Out of the bedroom!
Mario
Hallo Mario,
AntwortenLöschenvielen Dank für Deine überaus netten Worte. Eigentlich wollte ich die Gitarre nach dem Auftritt ja an den Nagel, aber nach Deiner Kritik überlege ich mir das nochmal :-).
Mit Leo Kottke hast Du mir ein gutes Stichwort gegeben und ich hatte auch noch "Living in the Country" in seiner Version als kleine Zugabe vorbereitet, es aber dann doch nicht gespielt. Wie Du aber auf meinem Youtube Kanal (Knut Rausch) sehen kannst, habe ich schon einige Lieder von Ihm aufgenommen, bin großer Fan seiner Musik und er war auch die Initialzündung, die mich zur 12-saitigen Fingerstyle-Gitarre gebracht hat.
Beste Grüße
Knut