Dienstag, 4. Dezember 2018

Detlefs Bericht vom Folk Club Nr. 96 am 2. November 2018


Folk Club Nummer 96 am 2. November – Hell und Dunkel

Wer sich das Motto ausgedacht hatte, muss sich gedacht haben: Das passt so gut wie zu allem! Und in der Tat, mit einigem interpretatorischen Geschick konnten so gut wie alle Lieder des Abends dem Thema zugeordnet werden.


Bei den Liedern, mit denen unser guter Geist John Harrison den Abend eröffnete, war das auch ohne Gebiege und Geziehe ganz klar der Fall. Dabei brauchte John nur in die Kiste seiner Lieblingslieder zu fassen und schon hatte er sie parat. „Night Watchman Blues“ von Big Bill Broonzy erfüllte dabei ganz nebenbei noch die willkommene Funktion des kleinen Werbeblocks für Johns Tätigkeit als Nachtwächter, der allmonatlich dem Publikum die Bonner Geschichte am Ende des 17. Jahrhunderts bei einem abendlichen Stadtrundgang in englischer Sprache nahe bringt – zum Teil auch gesungen (immer am zweiten Freitag des Monats). Überflüssig zu sagen, dass John wieder eine wunderbare Version des Blues-Klassikers hinlegte. „Black Bottom“ besingt nicht den schwarzen Popo sondern eine Gegend in Ufernähe des Mississippi, die von häufigen Überschwemmungen heimgesucht wird. Dort wohnen hauptsächlich Menschen mit dunkler Hautfarbe, die es sich bessere, trockenere Gegenden nicht leisten können. „Nowbody Knows You, When You’re Down and Out“ aus dem Jahre 1923 ist bekannt vor allem in der Version von Bessie Smith. Das Lied gehört aber auch zum Repertoire vieler Bluesgrößen, darunter auch der bekannte J.H. aus B.a.Rh. 


Peter Deteren ist immer für ein schönes Gedicht aus eigener Feder gut. Diesmal war es das Gedicht „Mittelmeerstrand“. Es beschreibt die Geschichte einer Wandlung, einer Metamorphose, unter dem Einfluss der Eindrücke des südlichen Meeres – wie schön!


Günter Peters, Gefolgsmann der ersten Stunde, begleitete Regine Perry-Mertens und Brigitte Scharff beim Klassiker „Old Folks at Home“, auch bekannt als „Swanee River“ auf dem Klavier. Das war eine feine Gelegenheit für das Publikum, mit zu singen. 


Fast schon zum Standardrepertoire eines jeden Folk Club-Abends gehören die Gedichte – meist op Bönnsch Plaat – die uns Gert Müller vorträgt. Diesmal gab es aber ein Gedicht auf Hochdeutsch. „Intermezzo“ beschreibt auf humorvolle Weise die Stimmung in einem Wartezimmer beim Arzt – köstlich.


Wolfgang Schriefer setzte den „Wortbeitrags-Block“ mit einer Geschichte von Roger Willemsen fort, die beschreibt, warum der Adler sich bei einer Show mit Heino erbrechen musste. Was soll der Adler auch im Studio?


Bromo, die Brüder Dennis und Marvin Ledermann, eröffneten dann den Reigen der „Featured Artists“ mit dem eigenen Lied „Night Watch“, das einen Bezug zur Fernsehserie „Game of Thrones“ hat – und auch einen Bezug zum Thema des Abends. „Roundabouts“ ist zwar nicht von Bromo, sondern von Michael Patrick Kelly, erzählt aber eine Geschichte mit viel Licht und Schatten, dazu wunderbar gespielt und gesungen von den Bromo-Zwillingen. Überdies gibt es zu diesem Lied in der Originalversion ein wunderschönes und ergreifendes Video auf Youtube. „Like a Picture“, wieder ein eigenes Lied, handelt davon, zusammen durch eine harte Zeit zu gehen. Die Brüder zeigten bei der Vorstellung des fein durchkomponierten Liedes eine reife Gesangleistung mit schön versetzten Stimmen – Glückwunsch an die beiden.


Marvin beendete das erste Set allein mit einer gesungenen Liebeserklärung an seine Freundin. „La Flaca“ (Das dünne Mädchen) der spanischen Gruppe Jarabe del Palo – Großer Beifall vom Publikum


David Blair, der Kanadier aus Berlin, der schon mehrmals im Folk Club aufgetreten ist, begann seinen Auftritt mit „What I’m Worried About“, einem eigenen, neuen Lied, das Hoffnung machen soll. Davids kraftvolle, variable und klar artikulierte Stimme macht das Lied zu einem echten „Hinhörer“. „Let‘s Just Talk“ hat den Streit mit seiner Schwester als Hintergrund, der aber überwunden ist. Miteinander reden heißt das Zaubermittel. Das Liebeslied „No Offswitch“ macht eine kleine Anleihe bei der amerikanischen Fernsehserie „How I Met Your Mother“, in der einer der Helden auch keinen Ausschalter besitzt. Vielleicht unbemerkt von vielen Im Publikum demonstrierte David gleich zu Beginn des schönen Liedes ein kleines Paradestückchen seiner Gitarrenkunst. In einer zu tiefen Tonart gestartet, schaltete er ohne zu zögern mit Barrégriff in eine einen Ton höhere Tonart um – Kapodaster überflüssig! – Großer Beifall vom Publikum für das schöne Set.


Ebenfalls Folk Club-erfahren sind Heike Winkhoff und Frank Loer. Die beiden hatten zuletzt einen umjubelten Auftritt im Januar 2017. Diesmal starteten sie mit dem Abba-Lied „The Day Before You Came“. Heike konnte die ganze Bandbreite ihrer eindrucksvollen Altstimme zu Franks perfekter Gitarrenbegleitung präsentieren. „7 t’s“ ist ein eigenes Lied, das nach Franks Aussage sogar vom Bassgitarristen Marcus Miller geklaut wurde (Frank nannte es euphemistisch „gecovert“). Ja, sie haben auch Lieder in deutscher Sprache: „In die Wildnis“ handelt von der Suche nach der Erleuchtung. In diesem Lied singt Frank die führende Stimme. Heike steuert eine ganz aparte Begleitstimme bei. „Time in Darkness“ war der Beitrag zum Thema des Tages, eindrucksvoll gesungen von Heike in tiefer Altlage. Bei „November“ zeigte Heike auch die höheren Lagen ihrer schönen Stimme. „Transience“ von Steven Wilson bildete den Abschluss ihres Sets – auch ein Beitrag zum Thema Dunkelheit – Toller Applaus vom Publikum für die beeindruckende Vorstellung der beiden.


Bernhard Meyer steuerte ein Lied über eine der dunkelsten Zeiten Deutschlands bei: „Der Landsknecht“ von Hannes Wader besingt die Erlebnisse eines Soldaten aus dem Dreißigjährigen Krieg. Bei „Salambo“ wird es ein bisschen heller. Das Salambo war ein Sex-Varieté auf der Großen Freiheit in Hamburg. Das Lied stammt von Klaus Hoffmann und beschreibt witzig und scharfzüngig die Erlebnisse eines Bediensteten im Etablissement – toll gesungen und gespielt von Bernhard. Noch spaßiger ging es dann bei „Always Look on the Bright Side of Life“, dem einst von Eric Idle gesungenen Klassiker aus „Das Leben des Bryan“ von Monty Python zu. Natürlich habe alle fleißig mitgesungen.


Daniel Bongart gehört mittlerweile fast zum Inventar des Folk Clubs. Aus seinem neuen Repertoire stellte er einige Lieder vor: Bei „Dreaming Tree“, einem ruhigen Lied, geht es um die Gemeinsamkeit mit der geliebten Person – eine einschmeichelnde Melodie und schönes Fingerpicking sorgen für Wohlgefühl. Rasant geweckt wurden die Zuhörer danach aus ihrem Schlummer von den Gitarrenakkorden zum Lied „Let Your Love Grow“, das dazu auffordert, die Kinder mit Verständnis und Liebe beim Erwachsenwerden zu begleiten. Auch neu ist „Fly Bird Fly“, das auf Daniels neuem Album (noch in Arbeit) „Little Bird“ zu finden sein wird. John Harrison begleitete Daniel auf der Mundharmonika – sehr apart. Danke an die beiden und viel Applaus vom Publikum.


Leider nur mit einem Lied traten Gerrit Witterhold und Lorena Manz aus Köln auf. „Wandering Souls“ nennen sie ihr Duo, und „Keep on Going“ war  der Titel ihres Liedes. Tja, euer Hofberichterstatter hätte gern mehr von den beiden gehört. Gerrit und Lorena waren einfach umwerfend. Lied toll, Stimmen toll, Gitarre fantastisch – und entsprechend fiel der Applaus aus. Ich glaube, das Publikum hegte ähnliche Gedanken wie ich. Es bleibt die Hoffnung auf einen weiteren Auftritt der beiden im Folk Club.


Ein weiterer Überraschungsgast – das Salz in der Suppe eines echten Folk Clubs – war Gordon Matthews aus dem südenglischen Portsmouth. Gordon war mehr zufällig auf der Durchreise in den Folk Club hereingeschneit. Was er a capella darbrachte, war aller Ehren wert: „Light in a Dark World“ ist der Titel seines eigenen Liedes. Selten hat euer Chronist im Folk Club eine derart klare, tragende und intonationssichere a capella-Darbietung gehört – eine beeindruckende Stimme zu einem eindrucksvollen Lied. Gordon, hoffentlich führt dich dein Weg bald wieder nach Bonn in den Folk Club.


Dennis Ledermann, der andere „halbe Bromo“, hatte nun einen Auftritt zusammen mit Lena Walbröl, oder ich sollte besser sagen, Lena hatte sich Dennis geschnappt, um sie bei ihren Liedern zu begleiten. Junge, Junge, Lenas Stimme und Liedinterpretation sind schon beeindruckend. „2002“ von Anne-Marie sang sie ohne das manierierte Knarzen in Anne-Maries Gesang am Anfang der Zeilen – mir gefällt Lena deutlich besser. Auch bei „Lieblingsmensch“ von Namika frage ich mich, wer denn der Star ist. Lena hat auf der Folk Club Bühne keinen Verstärker und keine elektronische Aufhübschung – es ist alles Natur und begeisternd. Nun, soll ich noch einen draufsetzen für Lenas Version von „Rolling in the Deep“? Sie braucht sich nicht hinter Adele zu verstecken. Wir werden von Lena sicher noch öfter hören. Bei all der Begeisterung für Lenas Gesang habe ich leider Dennis‘ gefühlvolle und präzise Gitarrenbegleitung und seine schöne Gesangsunterstützung bei den zweistimmigen Passagen unerwähnt gelassen – Ihr seid ein tolles Duo, und der Applaus sagte mir, dass das Publikum ganz meiner Meinung war.


Der Reigen war aber noch immer nicht zu Ende. Heike Winkhoff, David Blair und Frank Loer versammelten sich zu einem wunderbaren Trio. Heike sang zusammen mit David zu Davids und Franks Begleitung „I Want to Fall“ aus Davids Feder – beeindruckend. Welche schönen Kombinationen der Folk Club doch hervorbringt.

David beglückte das Publikum dann noch mit dem Lied „As You Let Go“, bei dem er sich – mal was anderes – auf dem Klavier begleitete. „Quietly Living“ ist ein zartes Liebeslied für ein Paar, das David in Antwerpen kennengelernt hatte. Die Frau hat Brustkrebs, und das hatte David besonders zu dem Lied angespornt.

Das Set beendete David unterstützt von Heike und Frank mit Bill Withers‘ Lied „Lean on Me“, einem echten Klassiker. Das Publikum sang begeistert mit.

Das war aber noch nicht ganz das Ende des Abends, der so viel Glückshormone produziert hatte. Wie fast immer musste noch der traditionelle Rausschmeißer Jock Stewart ran.


Zum Abschluss noch eine kleine Bemerkung: Im Laufe des Abends bekam der Folk Club viel Lob von den Musikern, das uns erneut darin bestätigt, einen wirklich guten Weg beschritten zu haben. Das übereinstimmende Urteil lautet, dass sie den Folk Club als einmaligen Ort erleben – als Ort, wo Freude und Konzentration gleichermaßen vertreten sind und die Musiker eine einzigartige inspirierende Resonanz vom Publikum erhalten. Wir hoffen, dass dies den Musikern und dem Publikum noch lang erhalten bleibt.



Auf Wiedersehen am 7. Dezember, mit unserem langjährigen Special Guest Simon Kempston aus Edinburgh, der uns Lieder aus seinem neuen Album „Broken Before“ vorstellen wird.

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