Folk Club
Nummer 96 am 2. November – Hell und Dunkel
Wer sich das Motto ausgedacht hatte, muss sich gedacht
haben: Das passt so gut wie zu allem! Und in der Tat, mit einigem
interpretatorischen Geschick konnten so gut wie alle Lieder des Abends dem
Thema zugeordnet werden.
Bei den Liedern, mit denen unser guter Geist John Harrison den Abend eröffnete, war
das auch ohne Gebiege und Geziehe ganz klar der Fall. Dabei brauchte John nur
in die Kiste seiner Lieblingslieder zu fassen und schon hatte er sie parat. „Night
Watchman Blues“ von Big Bill Broonzy erfüllte dabei ganz nebenbei noch die
willkommene Funktion des kleinen Werbeblocks für Johns Tätigkeit als Nachtwächter,
der allmonatlich dem Publikum die Bonner Geschichte am Ende des 17.
Jahrhunderts bei einem abendlichen Stadtrundgang in englischer Sprache nahe bringt
– zum Teil auch gesungen (immer am zweiten Freitag des Monats). Überflüssig zu
sagen, dass John wieder eine wunderbare Version des Blues-Klassikers hinlegte. „Black
Bottom“ besingt nicht den schwarzen Popo sondern eine Gegend in Ufernähe des
Mississippi, die von häufigen Überschwemmungen heimgesucht wird. Dort wohnen
hauptsächlich Menschen mit dunkler Hautfarbe, die es sich bessere, trockenere
Gegenden nicht leisten können. „Nowbody Knows You, When You’re Down and Out“ aus
dem Jahre 1923 ist bekannt vor allem in der Version von Bessie Smith. Das Lied
gehört aber auch zum Repertoire vieler Bluesgrößen, darunter auch der bekannte J.H.
aus B.a.Rh.
Peter Deteren
ist immer für ein schönes Gedicht aus eigener Feder gut. Diesmal war es das
Gedicht „Mittelmeerstrand“. Es beschreibt die Geschichte einer Wandlung, einer
Metamorphose, unter dem Einfluss der Eindrücke des südlichen Meeres – wie schön!
Günter Peters,
Gefolgsmann der ersten Stunde, begleitete Regine
Perry-Mertens und Brigitte Scharff
beim Klassiker „Old Folks at Home“, auch bekannt als „Swanee River“ auf dem
Klavier. Das war eine feine Gelegenheit für das Publikum, mit zu singen.
Fast schon zum Standardrepertoire eines jeden Folk Club-Abends
gehören die Gedichte – meist op Bönnsch Plaat – die uns Gert Müller vorträgt. Diesmal gab es aber ein Gedicht auf
Hochdeutsch. „Intermezzo“ beschreibt auf humorvolle Weise die Stimmung in einem
Wartezimmer beim Arzt – köstlich.
Wolfgang Schriefer
setzte den „Wortbeitrags-Block“ mit einer Geschichte von Roger Willemsen fort, die
beschreibt, warum der Adler sich bei einer Show mit Heino erbrechen musste. Was
soll der Adler auch im Studio?
Bromo, die
Brüder Dennis und Marvin Ledermann,
eröffneten dann den Reigen der „Featured Artists“ mit dem eigenen Lied „Night
Watch“, das einen Bezug zur Fernsehserie „Game of Thrones“ hat – und auch einen
Bezug zum Thema des Abends. „Roundabouts“ ist zwar nicht von Bromo, sondern von
Michael Patrick Kelly, erzählt aber eine Geschichte mit viel Licht und Schatten,
dazu wunderbar gespielt und gesungen von den Bromo-Zwillingen. Überdies gibt es
zu diesem Lied in der Originalversion ein wunderschönes und ergreifendes Video
auf Youtube. „Like a Picture“, wieder ein eigenes Lied, handelt davon, zusammen
durch eine harte Zeit zu gehen. Die Brüder zeigten bei der Vorstellung des fein
durchkomponierten Liedes eine reife Gesangleistung mit schön versetzten Stimmen
– Glückwunsch an die beiden.
Marvin beendete das erste Set allein mit einer gesungenen
Liebeserklärung an seine Freundin. „La Flaca“ (Das dünne Mädchen) der
spanischen Gruppe Jarabe del Palo – Großer Beifall vom Publikum
David Blair,
der Kanadier aus Berlin, der schon mehrmals im Folk Club aufgetreten ist, begann
seinen Auftritt mit „What I’m Worried About“, einem eigenen, neuen Lied, das
Hoffnung machen soll. Davids kraftvolle, variable und klar artikulierte Stimme
macht das Lied zu einem echten „Hinhörer“. „Let‘s Just Talk“ hat den Streit mit
seiner Schwester als Hintergrund, der aber überwunden ist. Miteinander reden heißt
das Zaubermittel. Das Liebeslied „No Offswitch“ macht eine kleine Anleihe bei
der amerikanischen Fernsehserie „How I Met Your Mother“, in der einer der
Helden auch keinen Ausschalter besitzt. Vielleicht unbemerkt von vielen Im Publikum
demonstrierte David gleich zu Beginn des schönen Liedes ein kleines
Paradestückchen seiner Gitarrenkunst. In einer zu tiefen Tonart gestartet, schaltete
er ohne zu zögern mit Barrégriff in eine einen Ton höhere Tonart um –
Kapodaster überflüssig! – Großer Beifall vom Publikum für das schöne Set.
Ebenfalls Folk Club-erfahren sind Heike Winkhoff und Frank
Loer. Die beiden hatten zuletzt einen umjubelten Auftritt im Januar 2017.
Diesmal starteten sie mit dem Abba-Lied „The Day Before You Came“. Heike konnte
die ganze Bandbreite ihrer eindrucksvollen Altstimme zu Franks perfekter
Gitarrenbegleitung präsentieren. „7 t’s“ ist ein eigenes Lied, das nach Franks
Aussage sogar vom Bassgitarristen Marcus Miller geklaut wurde (Frank nannte es
euphemistisch „gecovert“). Ja, sie haben auch Lieder in deutscher Sprache: „In
die Wildnis“ handelt von der Suche nach der Erleuchtung. In diesem Lied singt
Frank die führende Stimme. Heike steuert eine ganz aparte Begleitstimme bei. „Time
in Darkness“ war der Beitrag zum Thema des Tages, eindrucksvoll gesungen von
Heike in tiefer Altlage. Bei „November“ zeigte Heike auch die höheren Lagen
ihrer schönen Stimme. „Transience“ von Steven Wilson bildete den Abschluss ihres
Sets – auch ein Beitrag zum Thema Dunkelheit – Toller Applaus vom Publikum für
die beeindruckende Vorstellung der beiden.
Bernhard Meyer
steuerte ein Lied über eine der dunkelsten Zeiten Deutschlands bei: „Der
Landsknecht“ von Hannes Wader besingt die Erlebnisse eines Soldaten aus dem Dreißigjährigen
Krieg. Bei „Salambo“ wird es ein bisschen heller. Das Salambo war ein Sex-Varieté
auf der Großen Freiheit in Hamburg. Das Lied stammt von Klaus Hoffmann und
beschreibt witzig und scharfzüngig die Erlebnisse eines Bediensteten im
Etablissement – toll gesungen und gespielt von Bernhard. Noch spaßiger ging es
dann bei „Always Look on the Bright Side of Life“, dem einst von Eric Idle gesungenen
Klassiker aus „Das Leben des Bryan“ von Monty Python zu. Natürlich habe alle
fleißig mitgesungen.
Daniel Bongart
gehört mittlerweile fast zum Inventar des Folk Clubs. Aus seinem neuen Repertoire
stellte er einige Lieder vor: Bei „Dreaming Tree“, einem ruhigen Lied, geht es
um die Gemeinsamkeit mit der geliebten Person – eine einschmeichelnde Melodie
und schönes Fingerpicking sorgen für Wohlgefühl. Rasant geweckt wurden die
Zuhörer danach aus ihrem Schlummer von den Gitarrenakkorden zum Lied „Let Your
Love Grow“, das dazu auffordert, die Kinder mit Verständnis und Liebe beim
Erwachsenwerden zu begleiten. Auch neu ist „Fly Bird Fly“, das auf Daniels
neuem Album (noch in Arbeit) „Little Bird“ zu finden sein wird. John Harrison
begleitete Daniel auf der Mundharmonika – sehr apart. Danke an die beiden und
viel Applaus vom Publikum.
Leider nur mit einem Lied traten Gerrit Witterhold und Lorena
Manz aus Köln auf. „Wandering Souls“
nennen sie ihr Duo, und „Keep on Going“ war der Titel ihres Liedes. Tja, euer Hofberichterstatter
hätte gern mehr von den beiden gehört. Gerrit und Lorena waren einfach
umwerfend. Lied toll, Stimmen toll, Gitarre fantastisch – und entsprechend fiel
der Applaus aus. Ich glaube, das Publikum hegte ähnliche Gedanken wie ich. Es
bleibt die Hoffnung auf einen weiteren Auftritt der beiden im Folk Club.
Ein weiterer Überraschungsgast – das Salz in der Suppe
eines echten Folk Clubs – war Gordon
Matthews aus dem südenglischen Portsmouth. Gordon war mehr zufällig auf der
Durchreise in den Folk Club hereingeschneit. Was er a capella darbrachte, war
aller Ehren wert: „Light in a Dark World“ ist der Titel seines eigenen Liedes.
Selten hat euer Chronist im Folk Club eine derart klare, tragende und
intonationssichere a capella-Darbietung gehört – eine beeindruckende Stimme zu
einem eindrucksvollen Lied. Gordon, hoffentlich führt dich dein Weg bald wieder
nach Bonn in den Folk Club.
Dennis Ledermann,
der andere „halbe Bromo“, hatte nun einen Auftritt zusammen mit Lena Walbröl, oder
ich sollte besser sagen, Lena hatte sich Dennis geschnappt, um sie bei ihren
Liedern zu begleiten. Junge, Junge, Lenas Stimme und Liedinterpretation sind
schon beeindruckend. „2002“ von Anne-Marie sang sie ohne das manierierte Knarzen
in Anne-Maries Gesang am Anfang der Zeilen – mir gefällt Lena deutlich besser. Auch
bei „Lieblingsmensch“ von Namika frage ich mich, wer denn der Star ist. Lena
hat auf der Folk Club Bühne keinen Verstärker und keine elektronische
Aufhübschung – es ist alles Natur und begeisternd. Nun, soll ich noch einen
draufsetzen für Lenas Version von „Rolling in the Deep“? Sie braucht sich nicht
hinter Adele zu verstecken. Wir werden von Lena sicher noch öfter hören. Bei
all der Begeisterung für Lenas Gesang habe ich leider Dennis‘ gefühlvolle und
präzise Gitarrenbegleitung und seine schöne Gesangsunterstützung bei den
zweistimmigen Passagen unerwähnt gelassen – Ihr seid ein tolles Duo, und der Applaus
sagte mir, dass das Publikum ganz meiner Meinung war.
Der Reigen war aber noch immer nicht zu Ende. Heike Winkhoff, David Blair und Frank Loer versammelten sich zu einem
wunderbaren Trio. Heike sang zusammen mit David zu Davids und Franks Begleitung
„I Want to Fall“ aus Davids Feder – beeindruckend. Welche schönen Kombinationen
der Folk Club doch hervorbringt.
David beglückte
das Publikum dann noch mit dem Lied „As You Let Go“, bei dem er sich – mal was anderes
– auf dem Klavier begleitete. „Quietly Living“ ist ein zartes Liebeslied für
ein Paar, das David in Antwerpen kennengelernt hatte. Die Frau hat Brustkrebs,
und das hatte David besonders zu dem Lied angespornt.
Das Set beendete David unterstützt von Heike und Frank mit
Bill Withers‘ Lied „Lean on Me“, einem echten Klassiker. Das Publikum sang
begeistert mit.
Das war aber noch nicht ganz das Ende des Abends, der so
viel Glückshormone produziert hatte. Wie fast immer musste noch der
traditionelle Rausschmeißer Jock Stewart ran.
Zum Abschluss noch eine kleine Bemerkung: Im Laufe des
Abends bekam der Folk Club viel Lob von den Musikern, das uns erneut darin
bestätigt, einen wirklich guten Weg beschritten zu haben. Das übereinstimmende
Urteil lautet, dass sie den Folk Club als einmaligen Ort erleben – als Ort, wo
Freude und Konzentration gleichermaßen vertreten sind und die Musiker eine einzigartige
inspirierende Resonanz vom Publikum erhalten. Wir hoffen, dass dies den
Musikern und dem Publikum noch lang erhalten bleibt.
Auf Wiedersehen am 7. Dezember, mit unserem langjährigen
Special Guest Simon Kempston aus Edinburgh, der uns Lieder aus seinem neuen
Album „Broken Before“ vorstellen wird.
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