Freitag, 24. Mai 2019

FCB Nr. 102 als Zoologischer Garten

FCB als Zoologischer Garten
Ja, so in etwa könnte der Mai Folkclub beschrieben werden – waren doch in trauter Gesellschaft Enten, Möpse, Drachen, Pudel und auch Menschen vereint – allerdings sangen und erzählten nur Menschen über die Tiere, wäre ja mal interessant auch die „Gegenseite“ zur Sprache kommen zu lassen .
Begonnen wurde der Reigen nach dem Schlachtruf (schlechtes Wort im Zusammenhang mit poussierlichen Tieren) des Masters John allerdings erst einmal mit einem Frühlingslied. „Hail! Hail! The First Of May“ von Dave Webber, gesungen a cappella von John & John (Harrison and Hurd). Der Refrain wurden herzlich von allen Anwesenden mitgesungen. Mit einer verängstigten Ente. „Zeppelina“ ging es weiter. Aufgescheucht durch kriegsähnliche Zustände in der Rheinaue in Folge eines Rhein in Flammen Festes, hatte diese sich auf dem Balkon der Familien Harrison eingenistet und dort gebrütet. Nicht nur die Namensgebung durch die Tochter des Hauses, sondern auch die Verewigung der Geschichte in einem Lied war die natürliche Folge. Auch Enten sollten, wenn sie inkognito bleiben wollen, berücksichtigen, ob sie bei einem Songwriter Station machen. John Harrison, begleitet von Eva Henneken auf der Geige, schloss an diese tolle und lebensnahe Geschichte mit einem Liebeslied und dem darin enthaltenen Vergleich eines Mädchens mit der Zartheit von Bienenflügeln an. „Beeswing“ erschaffen von Richard Thompson erfreute nun den Folkclubbesucher. Mit dem Lied „The Hunting Song“ (vom Poeten John Clare in einer Vertonung von John Harrison) war es vorbei mit der Zartheit und dem Feinsinnigen. Eine Jadggeschichte hat immer zwei Seiten, die des Erfolges und die der Niederlage – aber bis zum Ende der Geschichte kann jeder seine eigene Hoffnung hegen, ob der Jäger oder der Gejagte gewinnt. Im vorgetragenen Lied war es denn doch der Jäger.
Nach John und Eva bestieg Holger Riedel, die ebenerdige Bühne und zeigte, dass nicht nur textlicher Inhalt, sondern auch der Ausdruck des Vortrages erheblich zum Verständnis von Gedichten beiträgt. Mit dem Mops von Ernst Jandel zeigte Holger sein ganzes Können – auch durch Körpersprache. Ein weiterer großer und unkonventioneller Dichter war Loriot (Viktor von Bülow), den Holger auch in seinem Repertoire hat. Mit dem Lied des Hundes Wum „Ich wünsch mir eine kleine Miezekatze“ rundete er seinen Vortrag ab. Bei dem Lied durften ihn Uta Schäfer auf dem Waschbrett und Mario Dompke auf dem Banjo begleiten.
Jörg Bohnsack zeigte nun seine internationale Seite. Kennen wir ihn doch eher von den norddeutschen Lieder, so zog er diesmal etwa 16.000 km weiter nach Australien und sang gemeinsam mit dem Publikum das Lied „Tie Me Kangaroo Down, Sport“, brachte also zum ersten Mal am Abend ein etwas exotisches Tier ins Gespräch. Für ein unmittelbares Australienfeeling sorgte hierbei Steve Perry mit seinem Didgeridoo und der Maultrommel.  Steve zeigte wieder einmal, dass er unser Experte für Instrumente außerhalb des Mainstreams ist.
Dialekte sind ja immer ein großes Thema, wenn es um die Verständigung zwischen Menschen geht. Dass Tiere jeden Dialekt verstehen beweisen Paul und Monika Haag, in dem sie im rheinischen Platt drei Lieder über Tiere zum Besten gaben. Zweimal kam dabei der Spatz – oder eben de Mösch – zu Wort und einmal ging es um den Schwanz der Ziege, der in „De Jeeßestetz“ von Wilhelm Raederscheidt besungen wurde. Die Spatzenlieder waren ganz einfach „De Mösch“ und „Et sooß en Mösch om Daach“. Einfach toll, dass und wie sich immer wieder Menschen um Traditionen und den Erhalt regionaler Kulturen bemühen.
Inhaltlich nicht ganz dem Thema zugewandt – dafür aber tierisch gut – erschien nun Fritz Kasper aus Köln mit eigenen Liedern. Mit wunderschönen, rhythmischen, mal leise und mal laut gespielten Gitarrenklängen begleitete er sich selbst zu seinen Liedern „Lalalike You“, „No Sleep“ und „My Girl“. Fritz erntet großen Beifall und versprach unbedingt in einem der kommenden Folkclubs wieder mit dabei zu sein.
Leider hatte ein Featured Artist absagen müssen. Atilla Vural könnte aus familiären Gründen nicht kommen. War dies auf der einen Seite ein großer Verlust für den Folkclub, so eröffnete es auf der anderen Seite die Möglichkeit dem zweiten Featured Artist (David Fisher) mehr Zeit einzuräumen – und Atilla hat versprochen, den Termin demnächst nachzuholen. David Fisher ist ein Singer-/ Songwriter, der sich sehr der Straßenmusik verschrieben hat. Wie jeder Musiker weiß, ist Straßenmusik etwas Besonderes. Es gibt keine vorgefertigten Abläufe, alles ist dem Zufall überlassen. Es gibt keine Bühnen, die Plätze müssen regelmäßig gewechselt werden und ob und welches Publikum angesprochen werden muss, ist völlig offen. David Fisher hat über diese Bedingungen ein Buch geschrieben, in dem er seine Erfahrungen aus mehreren Jahren Straßenmusik in über 300 Städten beschreibt. Diese Erfahrungen hat er aber nicht nur in dem Buch festgehalten, sondern er beschreibt sie auch in dem Song „People Say“. In seinem zweiten Song „Northwest Passage“ von Stan Rogers zeigte uns David den großen Tonumfang seiner Stimme und, dass er auch mit der Mundharmonika gut umgehen kann. Es ist erstaunlich, dass die Stimme Davids sich in hohen und tiefen Lagen so stark verändert, dass man mit geschlossenen Augen fast meinen könnte, es wären zwei Musiker auf der Bühne. Den ersten Teils seines Auftritts schloss David mit der wunderschönen Ballade „Rose of Turaida“, die im „echten Folkstil“ so aufgebaut ist, dass am Ende alle schaurig schön sterben. . Ein sehr intensiver Applaus begleitete David in die Pause, so dass er völlig entspannt zu seinem zweiten Teil des Gigs erscheinen konnte. Und hier beschrieb er in dem Song „Lofoten Island“ die Schönheit der Lofoten und seine Gefühle, als er in völliger Einsamkeit Sonnenauf- und –untergang beobachtete. Mit den „Two Sisters“ stieg er wieder mehr in die irish, schottische Tradition ein und führte uns seine Interpretation des musikalisch beschwingten, inhaltlich doch eher rustikalen Liedes über den Kampf zweier Schwestern um einen Geliebten vor. Als echter Busker (Straßenmusiker) kleidet David natürlich alle Erlebnisse und Gefühle in Lieder. So berichtet er mit dem Lied „ Girl from the Mountain Town“ über eine Begegnung in Australien mit eben einer Frau, die aus den Bergen kommt. Den eigentlichen Schluss seines Vortrags bildete „The Wild Goose“, einen sea shanty, also einem Lied, welches gleichermaßen die Seeleute durch seinen Inhalt erfreuen, wie auch durch seinen Rhythmus in der Arbeit unterstützen soll. Natürlich ließ das Publikum diesen charismatischen Musiker nicht ohne eine Zugabe von der Bühne. David ließ sich auch nicht lange bitten und erfreute uns mit einem weiteren Shanty, der allerdings so bekannt ist, dass der gesamte Folkclub mitsang – „What Shall We Do With The Drunken Sailor“ beschreibt einen Zustand, den die Folkclub Besucher nie nicht kennen (man achte auf die doppelte Verneinung).
Aber Sprung zurück, denn vor dem zweiten Auftrittsteil von David kamen natürlich weitere Leckerbissen der Folkmusik. Hans-Günther Peters sammelte alle ZuhörerInnen mit einem schönen Klavier Medley wieder ein, um dann gemeinsam mit der Unterstützung von Birgitta Schaaf, Hella Nowak und Regine Perry-Mertens, ein weiteres Arbeitslied zu singen (nicht zu verwechseln mit Arbeiterlied ). „Ich wollt ich wär ein Huhn“ beschreibt wie jeder weiß die Tätigkeit eines wichtigen Lebensmittelproduzenten.
Jutta Mensing kündigte bei den Announcments in altbekannter Manier nicht nur tolle Folkveranstaltungen im Feuerschlösschen an, sondern hielt auch die Tradition der deutschen Volksmusik hoch. Mit dem gemeinsamen Lied „Alle Vögel sind schon da“ stellte sie das Publikum auf die Probe der Textfestigkeit – es hat mich selbst erstaunt, die Meisten kannten tatsächlich alle Strophen.
Gert Müller entführte uns danach wieder in die Welt der Poesie und des Verzäälche. Diesmal nicht nur im bönschen Platt, sondern zuerst eher historisch, erinnerte er mit dem Gedicht seines Freundes Ferdinand Böhm „Mona Lisa“ an den 500sten Todestag des genialen Leonardo da Vinci. Wie wir es von Gert und dem Gedichteschreiber Ferdinand Böhm gewohnt sind, strapazierte dieses Gedicht eher unsere Lachmuskeln, als unser historisches Wissen. Mit dem Gedicht „Min Pudel“ betrat er dann wieder die Welt der Mundart und erzählte von einer seltsamen Form des Hummerk(l)au(f)s (Der Hummer verbiss sich im Schwanz des Pudels) und dem Versuch der Tierdressur (freies Zitat: dann pfeif doch deinem Hummer, dass er zurückkommt).
Schon fast vom Zeremonienmaster John gezwungen, machte Uta Schäfer ihre Idee wahr, ein Lied von Herrmann Löns zu singen. Uta zeigte damit, dass Schönheit eng mit Entschleunigung zusammenhängt, denn vieles wird in der heutigen Schnellebigkeit gar nicht mehr wahrgenommen. Mit dem Stück „Bittersüßes Lied“ oder auch „In dem Grünebusch“ genannten Lied entführte sie uns in eine Naturlandschaft.
Ein eher verstecktes Highlight der Veranstaltung war ein kleines Harfenkonzert von Hanna. Hanna ist nicht nur eine sehr junge Künstlerin (gerade mal 14 Jahre), sondern saß mit ihrer Harfe beim Folkclub zum ersten Mal auf einer öffentlichen Bühne. Mit dem Stück „Green Dragonfly“ verzauberte sie das Publikum, in dem sie sehr gekonnte feine Harfentöne mit kräftigen Begleitharmonien vereinigte. Der Applaus war brausend und verlangte nach einer Zugabe – und Hanna gab sie; eine Leistung die gar nicht hoch genug bewertet werden kann. Beim ersten Auftritt ist die Künstlerin normalerweise froh überhaupt gut durchgekommen zu sein – und dann noch so eine tolle Zugabe mit dem Stück „Latania“ hinzulegen, verlangt einfach nach mehr. Hanna hat aber auch gerne versprochen wieder zu kommen.
Spontan vorbei gekommen zum Folkclub sind die „The Hobo Jenssons“ eine Dottendorfer „Spaßband“ für gemütliche Grillabende (in Dottendorf). Diesmal vor internationalem Publikum (sogar aus Köln waren welche dabei), stiegen sie nun in das aufregende ShowBiz ein. Ursprünglich trafen die drei Musiker sich einmal in der Woche, um gepflegt ein paar Bier zu trinken, dann kam die Suche nach besseren Gründen und so bauten sie sich aus verschiedenen Kisten (Zigarren, Kaffee, Wein) eigene Instrumente und machten Musik. Wahrscheinlich hat die Finanzierung der Instrumente so viel Kapitalmittel verschlungen, dass es ab da nicht mehr ausreichte für die Treffen das Bier zu finanzieren, weshalb die drei mit ihrer Musik sich als feinsinnige Untermalung zu Dottendorfer Grillabende anboten – das Bier war wieder gesichert und die Gastgeber um eine Attraktion reicher. Auch im Folkclub bewiesen die drei mit den Liedern „Lonesome Moonlight Waltz“, "Just a Closer Walk With Thee“ und „Sonny's Dream“, dass sie musikalisch sattelfest und stimmungsgeladen sind. Ob das mit dem Biertrinken genauso gut klappt, konnte ich aus meiner Beobachterperspektive nicht nachvollziehen.
Wie sollte es anders sein, der Abend klang mit dem gemeinsamen „Jock Stewart“ aus und weckte die Erwartung an einen weiteren tollen Abend im Juni.
Deshalb: Nach dem Folklub ist vor dem Folkclub – kommt alle am 7. Juni zu Dotty’s. Das Thema sind Pflanzen (echte, unechte, kommische……)
Mario

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