Folk Club Nr. 105 am 6. September – Stürmisches Wetter
Stürmisch waren einige Lieder, aber das Wetter meinte es durchaus
gut an diesem Folkclub-Freitag.
John Harrison und Eva Henneken eröffneten den
Abend gemeinsam mit Liedern zum Thema. Bei „Stormy Weather“ und „Stormy Monday“ nahmen sie es ganz wörtlich. Den Titel „The World Turned Upside Down“ muss man
entsprechend interpretieren, und dann passt es wunderbar. John interpretierte
das Lied als kleine Warnung um auf Boris Johnsons Attacke auf die Rechte des
britischen Parlaments. „Boris pass auf, Jakob der Erste wurde für den Anschlag
aufs Parlament geköpft“, war Johns Kommentar. Eva und John zeigten sich beide
spielfreudig wie immer. Eva glänzte mit wunderbaren Soli – die Geige bewies
durchaus auch Qualitäten für den Blues, und Johns Gesangsinterpretationen sind
einfach umwerfend – großer Applaus für die beiden.
Timmy, Evas kleiner Sohn, durfte danach zeigen, dass
er auch schon etwas auf der Geige kann (klar, bei der Mama) – „Hejo, spann den
Wagen an“ konnte das Publikum, begleitet von Timmy und der Mama im Kanon
singen, und das sogar dreistimmig.
Gert Müller, unser Mann für alle Gedichte, kann nicht
nur Bonner Platt. Gert glänzte diesmal – begleitet von Steve Perry auf der Gitarre – mit einer kleinen Kostprobe aus der
Bühnenshow „Rock ‘n Rollator Show“: Der „Altersheim Rap“ (Take a Walk On the
Wild Side) ist ein wunderbarer Spaß und eine fantastische Werbung für die
Rollator Show.
ElPi alias Lothar Prünte ist gleichfalls ein
Mann für alle Gelegenheiten, zumindest für die musikalischen. Sein Repertoire
scheint unerschöpflich. „Ride like the Wind“ von Christopher Cross passte
perfekt zum Thema und was viel wichtiger ist, das nicht ganz einfache Lied
wurde von Lothar mit einer Leichtigkeit gesungen und gespielt, das es eine
Freude war. Das Gleiche galt auch für „Take the Weather With You“ von
Christopher Cross. Lothars Beiträge sind immer ein Genuss.
Neu im Folk Club waren Isabel und Karolin,
beide mit Gitarre ausgestattet. Karolin steuerte die Gesangsstimme bei. Mit
„Til It Shines“ von Bob Seger starteten sie ihr Set. Auch das muss man einmal
lobend hervorheben: Karolin stellte die Stücke mit klarer und deutlicher Stimme
vor, so dass jeder verstehen konnte, was als nächstes zu hören war. Ziemlich
häufig gibt es leider bei dieser Gelegenheit nur verhuschtes Gemurmel. So klar
und deutlich wie die Vorstellung der Stücke war auch Karolins Gesang und zudem
ausdrucksstark und intonationssicher. Zusammen mit den beiden gekonnt
gespielten Gitarren boten Isabel und Karolin eine super Vorstellung für das
Publikum. Das alte irische Lied „The Star of the County Down“ ist ein
Klassiker, den man immer wieder gern hört. Meiner Erinnerung zufolge gab es das
Lied „Lonely People“ von America aber bislang im Folk Club noch nicht zu hören.
Wenn diese Erinnerung getrogen hat, dann dürft ihr im Blog gern einen Kommentar
hinterlassen. Ihr dürft aber ohnehin gern einen Kommentar abgeben, wenn es
nicht gerade Schmähkritik ist. Applaus für die Beiden verbunden mit dem Wunsch
nach einem weiteren Auftritt.
Die Geige hatte heute einen besonderen Tag, als ob sich die
Musiker abgesprochen hätten: Johannes Epremian, der ansonsten mit der
Gruppe „Le Clou“ auftritt, stellte als Solokünstler Cajun-Stücke vor. Cajun ist
oder war die Musik der französischsprachigen Bewohner von Louisiana im
äußersten Süden der USA. „Les Barbes de La Prison“ heißt der Walzer (der aber
kein Walzer ist). Johannes spielt Geige (und wie!) und singt dazu, eine
ungewöhnliche Kombination. Besonders ungewöhnlich aber ist Johannes‘ Stimme:
Wie ein Vulkan kommt sie daher und ist dabei doch einfühlsam, wunderbar tragend
mit leichtem Vibrato und zudem prägnant in der Artikulation – grandios. Für
Leute wie ihn ist eine Bühne ohne elektrische Verstärkung wie geschaffen. Nur
instrumental ist ein Stück, dessen Ursprung nicht ganz klar ist. Es heißt
„Michael Turner’s Waltz“. Diesmal ist es tatsächlich ein Walzer, also ein Stück
im Dreiertakt. Der Komponist, der schottische Arzt Michael Turner, hat die Melodie
vermutlich bei Mozart geklaut.
Eine witzige Geschichte steht hinter dem Lied „Blues de
Soulard“ (Saufkoppblues), das über ein Paar berichtet, die 77 Jahre lang
verheiratet waren. Gefragt nach dem Geheimnis ihres langen Lebens und ihrer
langen Ehe hätten sie unisono geantwortet: „Wir beide haben dasselbe Hobby, wir
saufen beide gerne!“ Tja, das sollten wir mal den Moralaposteln unter die Nase
reiben. Ein bemerkenswerter Beitrag von Johannes, der frenetischen Applaus
erntete.
Die Featured Artists des Abends haben sich den witzigen
Namen AGA+ gegeben. AGA+ steht für Astrid Kröger-Schönbach
(Akkordeon und Gesang), Gabriella Acsai, (Flöte und Gesang), Anja
Städtler (Violine und Gesang) sowie Frederic Schönbach als das Plus
am Kontrabass. Die drei Frauen und ihr männlicher Kollege widmen sich der
Kombination Klezmer-Tango-Jazz-Folk mit wahrer Leidenschaft. „Mit‘n Fidele“ ist
ein schwungvolles Klezmer-Instrumentalstück.
Miteinander kombiniert sind die Lieder „Ne aludj el“, ein
Liebeslied aus Gabriellas ungarischer Heimat und das serbische „Ajde Jano“, ein
altes Volkslied, das gern bei Partys gesungen und gespielt wird. Das Lied im
für den Balkan typischen 7/8 Takt ist mitreißend, dabei muss man einfach
tanzen! Wunderbar die Stimmen der drei Frauen.
Ebenfalls eine Kombination verschiedener Stücke nennt sich
„Stolen Moments“ und besteht aus den Tänzen Hora (langsam im ¾ Takt), Freilach
(etwas schneller im 4/4 Takt) und Bulgar (wild).
Land
„Land of Choice“, ebenfalls ein instrumentales Mischstück,
besteht aus Melodien der Stile Gipsy, Klezmer und Czardas. Umgearbeitet zu
einen Klezmerstück haben die Vier das Lied von Jason Derulo „Talk Dirty“ –
beachtlich. Als offizielle Hymne der Zigeuner gilt das Lied „Djelem Djelem“,
das Gabrielle in ihrer ungarischen Muttersprache singt – bezaubernd sowohl
Gabrielles Solopart mit ihrer wunderbaren Stimme als auch der vierstimmige
Refrain.
Zum Schluss, na ja noch nicht ganz, gab es noch ein
Instrumentalstück kombiniert aus den Tänzen Freilach und Kolomeike. Nun, wie
schon angekündigt, war das natürlich nicht ganz der Schluss. Als Zugabe durfte
das Publikum sich über das bekannte Lied „Bei mir bist du schön“ freuen und
auch ein wenig mitsingen.
Mit begeisterndem Applaus wurden die Vier entlassen.
Nun, wir haben die Reihenfolge nicht eingehalten und die
Sets von AGA+ vor der Pause und am Ende des Abends zusammengefasst. Es gab noch
mehr zu hören an diesem vielseitigen Abend:
Steve Perry eröffnete den zweiten Teil mit einem Lied
mit tiefschwarzem Humor von Sheldon Harnick (Wikipedia, das alles weiß, sagt,
dass das Stück entgegen weitverbreiteter Auffassung nicht von Tom Lehrer
stamme): „The Merry Minuet“ wurde bekannt in der Interpretation des Kingston
Trios. „They‘re rioting in Africa, they’re starving in Spain“ startet der Text zu
einer lustigen Melodie im Dreivierteltakt. Zur Lösung der Widrigkeiten des
Weltgeschehens haben die Menschen auch schon das richtige Mittel entwickelt:
Ein kleiner Druck auf den roten Knopf, und alles ist erledigt. Bei dem Lied
weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll.
Schahan aus Persien stellte uns danach ein Lied in
seiner Muttersprache vor. Leider gab es dazu keine vertieften Informationen,
aber ich kann versichern, dass es sehr schön gesungen wurde zu einer fein
gezupften Gitarrenbegleitung mit einer eher spanisch anmutenden Melodie. Dass
er sich der spanischen Musik verbunden fühlt, bewies Schahan auch mit seinem
zweiten Lied, das er auf Spanisch sang. So etwas erfreut das Publikum, und
entsprechend großzügig fiel der Applaus aus.
Mario Dompke und Sonja wollten eigentlich
schon im vorigen Folk Club mit einer weiteren Dame als Trio antreten, aber
damals musste Mario wegen der erkrankten Kolleginnen als „Bube ohne Damen“
spielen. Diesmal waren sie zumindest zu zweit. Statt des geplanten Namens
„Damen mit Bube“ musste nun ein anderer Name für die Gruppierung her: Die Wahl
fiel auf „Fomianderl“, eine Abkürzung für „Folk, Mittelalter-Musik und andere
schöne Lieder“ – die Abkürzung ist, wie man sieht, selbsterklärend. Das
präsentierte Lied passte so ungefähr zum Thema. Es stammt von Joan Baez und
behandelt die Stürme in ihrem Herzen nach der Trennung von einem gewissen
Robert Zimmerman alias Bob Dylan. „Diamonds And Rust“ lautet der Titel des
emotionalen Liedes, das Sonja mit ihrer feinen Stimme vortrug. Bravo Sonja und
Mario.
Etwas verlegen aber dann doch überzeugend stellten sich dann
die beiden Freundinnen Ulrike und Anouk mit jeweils einem Lied vor.
Ulrike
präsentierte ihre adaptierte Version des Liedes der Arctic Monkeys „Do I Wanna
Know“. Schön gesungen und gespielt, aber die Artikulation des Textes ist noch
etwas verbesserungsbedürftig. Euer Chronist, der alles andere als sattelfest
bei den aktuellen Popsongs ist, und die Hilfe des Internets beim Herausfinden
der Titel benötigt, hatte ganz schön Mühe, aus den wenigen verständlichen
Textfragmenten das Lied zu identifizieren. Aber ich habe es geschafft.
Bei Anouks Lied –
„Que Vendra“ von ZAZ – gab es weniger Identifizierungsaufwand. Anouk stellte
das Lied schlicht und einfach am Anfang vor. Zu dem lyrischen Lied mit einem
Text halb auf Französisch, halb auf Spanisch passte Anouks klare Stimme und das
differenzierte Gitarren-Fingerpicking wunderbar. Großer Applaus für Beide.
Fritz Kasper aus Köln, der bereits im Folk Club im
vorigen aufgetreten war kam diesmal mit zwei weiteren jungen Herren (Peter
Parnow, Bass, Gitarre und Gesang; Chris Frank, Schlagzeug) als
Gruppe „The Shift“. Die drei legten sofort mit ihrem eigenen Lied „The
Fear“ los und präsentierten Musik mit einem tollen Sound und ausgereiftem
Arrangement – alle Achtung! “Stormy Weather“, ganz passend zum Thema, ist eine
Coverversion eines Liedes
der britischen Band The Kooks. Mir gefällt die Version der drei Kölner Jungs
viel besser als das Original. Es ist vielleicht meinem Alter geschuldet, aber
die delikatere und stärker auf die Singstimme und weniger auf dröhnende Bässe und
Heavy-Metal-Gitarren fokussierte Präsentation spricht mich einfach mehr an. Das Lied hat zwar den gleichen Titel wie das erste Lied des Abends, das John und Eva vortrugen. Deren Lied "Stormy Weather" ist aber ein Klassiker von Harald Arlen und Ted Hoehler und aus dem Jahr 1933.
„Just a Song“ war dann wieder eine feine Eigenproduktion. Großer
Applaus für die Drei, von denen wir sicherlich noch viel hören werden.
Schon fast Stammgäste im Folk Club sind Volker Lindner
und Jan Hoffmann alias „Die Folkscheuchen“ aus Roisdorf, die uns
immer wieder mit ihren originellen Liedern überraschen und erfreuen. Volker
ordnet ihre Musik in die Kategorie „Akustikmetal“ ein. Die Texte der Lieder –
erfreulicherweise in deutscher Sprache – sind teils schräg und teils
nachdenklich und meist beides, auf jeden Fall unterhaltsam. „Die Geschichte des
Gehenkten“ ist ein gutes Beispiel dafür: Die Schlinge zieht sich nicht zu, und
der Delinquent überlebt – puhh, das ging gerade noch einmal gut. Wer von uns
hat – nicht ganz so dramatisch aber im übertragenen Sinne – solch eine
Situation nicht schon einmal erlebt?! Beim „Bildersturm“, der durch ein wildes
Geigensolo von Volker unterstrichen wird, geht es um einen Spaziergang im
Winter. Der Sturm der Bilder findet in diesem Lied eher in den Köpfen der
Menschen statt. Beim „Aufbruch“ geht es um den rastlosen Weg des Menschen, der
unaufhaltsam dem Ende zustrebt. Auch hier geht es oft stürmisch zu – leider
wahr, aber auch erschreckend. Dies war nicht das Endes des Abends, denn der
zweite Teil von AGA+ kam ja noch hinterher (siehe weiter vorn in diesem Text),
aber hiermit endet unser Bericht über den wieder unterhaltsamen, vielseitigen
und mit hervorragenden Auftritten gespickten Abend.
Aber halt, der Rausschmeißer „Jock Stewart“, quasi das
traditionelle Schlussgebet, mit dem die Gemeinde die Messe beendet, darf nicht
unerwähnt bleiben.
Auf Wiedersehen beim Folk Club Nr. 106 am 4. Oktober. Wir
dürfen uns auf Serena Finatti (die kleine Frau mit der großen Stimme)
und ihren Begleiter Andrea Varnier (kunstvolle Gitarrenunterstützung)
aus Italien freuen.
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