Dynamik der Ruhe
geht das? Oder ist es ein Widerspruch? Der letzte Folkclub
oder besser gesagt die Featured Artists Serena Finatti und Andrea Varnier
zeigten, dass es möglich ist – aber dazu später.
Wie immer begann der Folkclub mit dem Weckruf des Masters John
Harrison „Laaadiees and Gentlemen, Mesdam et Messieurs, meine Damen und
Herren“! Zum Thema des Tages „Farben“ stieg John auch sofort in die
musikalischen Darbietungen mit den farbigen Liedern „Turn Your Money Green“ - einem Versprechen eines mittellosen
Liebenden an seine Frau, das wenige Geld bald grün zu färben (also aus Münzen
Dollarscheine zu machen). Weiter ging es dann mit „Colours“ einem schottischen Lied, das über die USA zurück nach Schottland
kam und dort von Hamish Imlach bekannt gemacht wurde. Viele werden das Lied
auch von Joan Baez kennen und erst durch Johns Erläuterungen erfahren haben,
dass es ein schottisches Lied ist. Seinen Floor Spot abschließend gab John noch
das Lied „Black Bottom“ zum
Besten, das über die Armenviertel in den Überschwemmungsgebieten des
Mississippi berichtet. Gebieten, die zwar durch den Überschwemmungsschlamm
recht fruchtbar, aber eben nur einen Teil des Jahres bewohnbar sind und deshalb
von der weißen Bevölkerung den schwarzen „Brüdern und Schwestern“ überlassen
wurden.
Daniel Bongart brachte die Farbe über einen kleinen
Umweg in sein Lied ein. Mit der Geschichte „Autumn Feeling“ wurde auch die Farbenpracht des Indian Summers
angesprochen. Ein Lied, das nicht nur zum Thema des Abends passte, sondern auch
die anstehende Jahreszeit einläutete – aber auch ein Lied, mit dem Daniel seine
neue CD „Little Bird“ promotete, die in der Pause von ihm verkauft wurde.
Lothar Prünte wartete dann mit zwei Songs auf, die
wieder einmal zeigten, was Lothar seiner Stimme – diesmal sogar trotz Erkältung
– zumuten kann. „Back to Black“
verwechselnd ähnlich zum Original von Amy Winehouse brachte Lothars Klasse zur
Geltung. Und auch wenn bei dem folgenden „Nights in White Satin“ der Text mal schnell zwischendurch aus dem
Internet geholt werden musste, brachte dies keine Einschränkung in den
musikalischen Genuss und den Spaß am Mitsingen. Lothar ist übrigens auch
häufiger Gastgeber der Featured Artists des Folkclubs an folgenden Abenden in
seinen Lokalitäten, was insgesamt den Künstlern den Weg nach Bonn interessanter
macht (zwei Auftritte direkt hinter einander).
Uta, Anke & Jörg, Günter sowie Steve setzten sich
nun mit einem gemeinsam mit dem Publikum gesungenen Kanon „Nach dieser Erde“
für die Umwelt ein. Sie haben dieses Lied auch auf der bundesweiten Demo für
ein zukunftsfähiges Klima gesungen. Bereits die erste Textzeile sagt eigentlich
schon alles aus und sollte jeden Menschen mindestens nachdenklich stimmen:
„Nach dieser Erde wäre da keine, die eines Menschen Wohnung wär'“
Wenn auf der Welt Aufreger passieren – und das ist wohl fast
jeden Tag der Fall – dann tritt sehr häufig Gerd Schinkel auf den Plan
und macht ein Lied daraus. Heute sang er Eines, das er bereits vor einiger Zeit
geschrieben, bzw. einen deutschen Text darauf gemacht hat und das neue
Aktualität durch die Brexit Debatte und die damit verbundene neue Trennung von
Nord- und Südirland durch eine Grenze erfahren hat. Ein Lied, das über den
irischen Bürgerkrieg geschrieben wurde und einfach und emotional leicht
verständlich die Situation der Bevölkerung darstellt. „Der Ort, in dem er gern noch wär“ bringt diese Emotion sehr gut
rüber. Mit wohlgesetzten Worten war die Anklage zu spüren, ohne dass diese
platt ausgesprochen werden musste. Mir hat dieses Lied sehr gut gefallen.
Ein weiteres Lied das „Colours“ heißt wurde von Doc Wolfman gesungen und gespielt.
Ebenso wie im Original von Donovan kam neben Stimme und Gitarre auch die
Mundharmonika zu Ton. Natürlich ist das Lied gut bekannt und das Publikum ließ
es sich nicht nehmen mitzusingen. Auch beim folgenden „Fiddlers Green“ kann nicht von einem unbekannten Lied gesprochen
werden. Die Geschichte der Reise von Fischern nach ihrem Tod in ihr
Fischerparadies hat wohl jeder schon mal gehört und so konnte auch bei seiner
deutschen Übersetzung mitgesungen werden. Beim Thema bleibend (Fischer) sang
Doc Wolfman nun eine deutsche Version eines Pete Seeger Liedes. „Windiges Wetter“ beschreibt eine
Fischfangfahrt (tolles Wort), bei dem die Fische am Fischkutter hochspringen,
um die Fischer am Fischfang zu hindern.
Shayan, bekannt durch einen Walk in Auftritt beim
letzten Folkclubs, hatte diesmal seinen ersten angekündigten Auftritt im FCB.
In persischer Sprache, deshalb von den Wenigsten im Raum inhaltlich verstanden,
sang er drei Lieder über die Liebe. Die Originaltitel kenne ich nicht, aber
Shayan kündigte die Lieder mit „Sultan
Herz“ und „Maybe I Love You“
und „Iran, Liebe Heimat“ an. Ich
bin sicher wir werden Shayan noch häufiger hören und bei dem Fortschritt im
Beherrschen der deutschen Sprache, den ich in einem Monat bei ihm feststellen
konnte, wird euer Chronist das nächste Mal sicher viel mehr über die Inhalte
der Lieder schreiben können.
Nun, das mit den Inhalten und der Sprachverwirrung war auch
bei dem folgenden Auftritt der Featured Artists „Serena Finatti & Andrea
Varnier“ ein bisschen vorhanden. Das Deutsche der Beiden beschränkt sich
wohl auf die Bestellung von zwei Bier, also erläuterte Andrea die Stücke meist
auf Englisch, und Serena sang auf Italienisch und bei einigen Lieder friaulisch
(hoffentlich habe ich das jetzt richtig geschrieben) – hier kommt die
Überschrift des Artikels ins Spiel. Die meisten Lieder handelten (wie übrigens
die meisten existierenden Lieder überhaupt) von der Liebe. Die Lieder der
Beiden sind häufig getragene Balladen – aber ich habe es bisher noch nie
erlebt, wie auch bei ruhigen Liedern so viel Körperdynamik mit ins Spiel kommt,
wie durch Gestik und Bewegung der Inhalt des Liedes dargebracht wird und wie
beim Vortrag die Emotion durch stimmliche und Bewegungsdynamik auf die Bühne
gebracht wurde. Wenn ich nicht vor lauter Begeisterung frenetisch hätte
klatschen müssen, wäre ich wahrscheinlich nach jedem Lied erst mal eine lange
Zeit in eine innere, begeisterte Reflexion jedes einzelnen Tones versunken. Ich
sag nur: Wenn die Beiden irgendwo in die Nähe eurer Aufenthaltsorte kommen –
unbedingt hingehen, das erlebt man nur selten. Aber nun wieder ganz nüchtern
(fällt schwer, denn selbst mit einem gehörigen zeitlichen Abstand kommt schon
wieder die Begeisterung durch). Diese Emotionalität wurde mit den Liedern „Bes Di Diu“, „Anin A Gris“ und „Fasin Un
Cjan“ vor der Pause und „Presunta
Realita“, „E Penso A Te“,
„Chissa“ und „Abbraciami“ nach der Pause dargeboten.
Ich glaube es ist fast unnötig zu sagen, dass natürlich eine Zugabe her musste.
Diese war dann nicht auf Italienisch, sondern zum Mitsingen wurde gemeinsam das
Lied „True Colour“ gesungen.
Aber ich bin schon nach vorne gesprungen, deshalb noch
einmal zurück. Nach der Pause wurde die ebenerdige Bühne von Steve und John
erklommen, um noch vor den Announcements das Lied des „Grand Old Duke of York“ zu singen. Ein Lied, das als Kinderlied
auch für Erwachsene sportliche Betätigung garantiert.
Shawn Spicer und Gregor Salz übernahmen nun
die Bühne und brachten ein paar Songs von Shawn zu Gehör. „Will Be Right As Rain“ eine Redewendung,
die in etwa ausdrückt, zwischen uns wird alles gut sein, zog den Zusammenhang
zum Thema Colours durch die innere Stimmung von Menschen, also einer
Stimmungsfärbung. Erschien das Lied mit einem überschaubaren Tonumfang, so
fesselte es (wie auch die beiden folgenden Lieder) durch den harmonischen
Zusammenklang der Stimme mit den zwei begleitenden Gitarren. Die eingestreuten
Soli der einen Gitarre zauberten wunderschöne Übergänge zwischen den Strophen
in die Ohren des Publikums. Ebenso ging es bei den Liedern „Where Does The Time Go“ (eine Frage,
die sich gerade Menschen in meinem Alter fast täglich stellen) und „The Blink Of An Eye“ weiter.
Die Gruppe Squint Side griff nach den eher ruhigen
Klängen in die Stimmungskiste. War es mit „Wagon Wheel“, einem Bluegrass/ Oldtimestück noch der Aufbau von
Stimmung, so brauste die gute Laune mit „Leef Marie“ gewaltig durch den Raum. Nach der kölschen
Glückseligkeit ging es wieder zurück auf die Baumwollfelder und mit „Cotton Fields“ in ebenfalls bekannte
Textgefilde, so dass das Publikum den bei Leef Marie begonnenen Chor auch
weiter stellen konnte.
Rabbits on Trees ist ein 23jähriger Songwriter
(Lukas Mattke), der nach eigenen Angaben „sein Studium geschmissen hat, um sich
mit seinen explosiven Folk-Punk-Songs über Herzschmerz und Tatendrang die
Finger wund zu spielen.“ Beim Folkclub ist er schon mal sehr gut angekommen und
konnte für seine Songs „Tree Hugging“
und „Stay There Kids“ großen
Applaus einsammeln.
Obwohl der Abend mit vielen Künstlern, lang andauerndem
Applaus und vielen Erklärungen zu den Liedern recht lang ausgefallen ist,
durfte natürlich das abschließende und Völker vereinende, gemeinsame Jock
Stewart nicht fehlen. Beschwingt mit dieser Melodie im Ohr, bin dann auch
ich nach Hause gefahren und freue mich seit dem auf den nächsten Folk Club, der
– wegen des Stillen Feiertages Allerheiligen am 1. November, der gleichzeitig
der erste Freitag des Monats ist – diesmal eine Woche später am 8. November
stattfindet.
Also: Out
of the bedroom – kommt am 8.November 2019 zum Folk Club ins Dotty's.
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