Folk Club im Dezember 2023 mit Simon Kempston
Simon Kempston aus Edinburgh ist seit Jahren fester Bestandteil der Dezember-Ausgabe des Folk Clubs, und dafür sei ihm ganz herzlich gedankt. 2011 tauchte er erstmals auf unserer Bühne auf, damals noch im November. Aber bereits 2012 startete er die Tradition, die nur 2020 von den Corona-Maßnahmen unterbrochen wurde, alljährlich im Dezember im Folk Club aufzutreten und dabei auch jeweils eine neue CD vorzustellen. Simon hatte auch kein Problem das Motto des Abends „Träumen und Wünschen“ zu bedienen, denn in fast allen Liedern steckt irgendein Wunsch oder Traum.
Aber wie immer der Reihe nach: Los ging es, wie könnte es anders sein, mit einigen Beiträgen von John Harrison. „The Snow It Melts The Soonest“ ist ein englisches Lied aus dem Ende des 18. Jahrhunderts mit einer schönen, melancholischen Melodie. Im Lied geht es um die Zeit, die vergeht und den unvermeidbaren Wandel. Nichts bleibt, wie es war, und manchmal gibt es ganz unvorhersehbare Wendungen. „Blake’s Rag“ ist ein Instrumental, mit dem John sehr eindrücklich seine Fingerpicking-Künste demonstriert. Eigentlich auch ein Instrumental, aber im Vorspann eine witzige Geschichte ist das Stück „Albert McTavish’s Brand New Frigidaire“. Schon oft vorgetragen bekommt die Geschichte jedes Mal eine neue kleine Ausschmückung. Im Kern geht es darum, dass ein Mann, der im Norden Schottlands auf einer abgelegenen Insel lebt, dort plötzlich Gesellschaft von einer Frau bekommt. Die braucht einen Kühlschrank, und Albert, der Insulaner, macht sich auf den Weg in die Stadt und beschafft einen solchen. Aber er kauft den falschen, und das Unheil nimmt seinen Lauf – mehr verrate ich hier nicht. Viel Applaus für John, der eine fiese Erkältung gerade hinter sich hatte und dessen Stimme noch nicht wieder ganz auf der Höhe war.
Mario Dompke hatte fleißig geübt und einige wunderschöne Instrumentalstücke für seine auf DADGAD gestimmte Gitarre mitgebracht. Die Bearbeitung des Liedes „Gabriella’s Song“ (ist ja eigentlich schwedisch und heißt im Original „Gabriellas Sång“) von Stargitarrist Jens Kommnick ist wirklich etwas Besonderes. Mario meisterte das extrem anspruchsvolle Lied mit Bravour. Das gilt auch für „Ann Kathrins Walzer“, das von Jens Kommnick, komponiert wurde. Mit dem Lied verbunden ist eine witzige Geschichte: Kommnick las einst in einem Krimi, dass die Kommissarin namens Ann Kathrin sich bei einer Autofahrt eine Komnick-CD anhörte. Das hat ihn sofort dazu inspiriert, der Roman-Kommissarin ein musikalisches Denkmal zu setzen. Von Mario selbst arrangiert ist die das Instrumental zur Melodie von „The Water Is Wide“, an welches er den Double Jig „Tatter Jack Walsh“ anhängte - ebenfalls bezaubernd schön. Großer Applaus für Mario!
Jermexicana nennt sich eine Gruppe von eigentlich sechs Herren, die im Februar 2023 schon einmal im Folk Club aufgetreten waren. Da sie meist deutsche, mexikanische und US-amerikanische Lieder spielen, haben sie sich den witzigen Namen gegeben. Die Sechs sind Dany Henry Carpintero, Thomas Schwake, Martin Franzen, Benedikt Neikes, Miguel Garcia González und Walid Chaar. Diesmal fehlte leider Dany Henry. Aber auch zu fünft waren sie in der Lage, richtig Dampf zu machen. Zur gerade gestarteten Adventszeit brachten sie leicht bis ordentlich verfremdete Weihnachtslieder: „Kommet ihr Hirten“ als Samba, „Jingle Bells“ als Disco-Tanz und „Leise rieselt der Schnee“ in Hard-Rock-Version. Ungefähr in originaler Gestaltung erklang zum Abschluss ihres Sets José Felicianos Gassenhauer „Feliz Navidad“, und der Saal sang inbrünstig mit.
Ja, bereits zum zwölften Mal trat Simon Kempston als besonderer Gast im Folk Club auf. Natürlich gab es von ihm neu komponierte Stücke, aber auch ältere Lieder, die er schon früher im Folk Club gespielt hatte, durften nicht fehlen. Insgesamt war Simons Auftritt wieder eine runde Sache mit gesungenen Liedern und Instrumentalstücken aus seinem kürzlich erschienenen Album „Moonrise Over Mostar“. Irgendwie habe ich den Eindruck, mich stets zu wiederholen, aber es bleibt dabei: Simon wird von Jahr zu Jahr besser. Schon oft gehörte Lieder wie „Run With You Darling“ vom etwas älteren Album „Broken Before“ klingen aktuell noch virtuoser und noch lockerer als bisher schon. Auf der Bühne werden Simon und seine Gitarre Eins. Es gibt keine Anspannungen, und selbst komplizierte Griffe und Riffs kommen mit einer Leichtigkeit, die ihresgleichen sucht, von Simons voluminöser und variabler Stimme ganz zu schweigen. Die Kompositionen sind kleine Edelsteine und die Texte der Lieder Poesie, selbst wenn es um politische Forderungen geht. Rundum, es war wie immer ein Genuss ihm zuzuhören. Am Ende des Abends hätten die Zuhörer sicher gern noch ein oder zwei weitere seiner bezaubernden neuen Instrumentalstücke gehört, aber der Abend war doch schon recht fortgeschritten. Wer mehr hören möchte, der kaufe die CD „Moonrise over Mostar“ oder gehe auf Simons Youtube-Kanal, wo viele seiner Stücke zu hören sind. Auf Spotify ist Simon nicht vertreten, da er sich gegen das Geschäftsmodell wehrt, das Künstlern wie ihm keine Luft zum Atmen lässt. Weitere Lieder die Simon gespielt und gesungen hat, waren (in Klammern, der Titel des Albums) „Vulnerable Man“ (Vanishing Act), „Impunity“, „Of What are You So Ashamed“, „Laissez-faire Economy“ (alle von You Can’t Win Every Time), „Hand on My Heart“, „No more Evil“, “Still So Far To Go” (alle von Hand on My Heart) und das Instrumental „Rhineland Ruminations“ das er bei einem Sommeraufenthalt in unserer Stadt am Rheinufer komponiert hat und das auch auf dem Album „Moonrise Over Mostar“ zu hören ist.
Da es vor Simons zweitem Set nach der Pause auch noch andere Künstler zu hören gab, wollen wir euch diese natürlich nicht vorenthalten:
John Hay, der im Folk Club mit schöner Regelmäßigkeit seine neuesten Kreationen vorträgt, glänzte mit einem Liebeslied an seine Frau, das seiner Aussage zufolge das erste dieser Art aus seiner Feder sei. Immerhin, die Melodie von „Ich sag’s mit Pachelbel“ ist geklaut, von Pachelbel natürlich, das gibt John unumwunden im Text des Liedes zu. Na, ja, auf die Basis der Melodie (Kanon in D Dur) trifft das schon zu, aber John macht es wie die Meister in der Zeit dieses Komponisten: Basismelodie klauen und dann kräftig variieren. So entsteht auch ein neues Lied. Damals im 17. Jahrhundert und auch später noch war Urheberschutz ein Fremdwort, und die Komponisten haben abgekupfert, dass die Schwarte krachte. Ein bisschen merkt man John bei dem Lied auch eine gewisse Bewunderung für die Musik von Reinhard Mey an. Der Text aber ist ein echter Hay und wunderschön und herzerwärmend obendrein. Viel Applaus für den musikalischen Einblick in das Seelenleben von John.
Einen Soloauftritt ohne seinen Papa Matthew hatte Sam Robb mit drei Liedern: „If You See Her Say Hello“ von Bob Dylan, ein schönes, wenn auch etwas verrätseltes Lied, wunderbar gesungen und gespielt von Sam. „Highway Patrolman“ von Bruce Springsteen ist eine Ballade, wie sie nur aus den USA kommen kann. Law and Order gegen Familiengefühle in bester Country and Western-Manier. Bruce Springsteen hätte es nicht besser spielen können. Den Schluss seines Sets bildete ein eigenes Lied über, wie könnte es anders sein, Liebesleid. Das ist nun einmal der Stoff, aus dem die besten Lieder gemacht sind. Bravo Sam, komm bald wieder mit oder ohne Papa!
Volker Lindner, den wir hier meist mit seiner Geige erleben durften, hatte diesmal seine Gitarre dabei und einen richtigen Klassiker im Gepäck. Jahreszeitgemäß begeisterte er das Publikum mit „Merry Christmas“ von Slade. Ja, 50 Jahre hat der Hit von 1973 nun auf dem Buckel und – man lernt immer weiter dazu – ist das kommerziell erfolgreichste Weihnachtslied, das den Autoren jährlich 500.000 Pfund Sterling einbringt. Natürlich wäre Volker nicht er selbst, wenn er das Lied stur nachgespielt hätte, einige Verfremdungen mussten sein. Die machten den Klassiker aber noch interessanter. Schade, dass Volker nichts von den Tantiemen von Slade abbekommt.
Nun, ebenfalls passend zum ersten Türchen des Adventskalenders, das am Tage des Folk Clubs geöffnet werden durfte, präsentierte unser „rising star“ Yawen das Lied „Last Christmas“ von Wham, das etwas jünger ist als der Hit von Slade, aber sicherlich auch reichlich Tantiemen einspielt. Beeindruckend, wie die noch junge Yawen das Publikum gleich in ihren Bann zieht und mit ihrer klaren und intonationssicheren Stimme wie selbstverständlich loslegt, eine richtige Rampensau! Gänsehautgefühl kam dann bei „Have Yourself A Merry Little Christmas“ auf. Hammer, wie sie die kleinen Tempoverzögerungen und Triolen, die den Reiz des Liedes ausmachen, beherrschte und dazu ihre feine Stimme mit der richtigen Dynamik einsetzte. Yawen, bleib dem Folk Club treu und schenke uns weitere bezaubernde Lieder.
Nun, im wahren Leben kam nach Yawen das zweite Set von Simon Kempston, aber darüber hatten wir ja schon berichtet. Es blieb dann nur noch der Rausschmeißer mit dem ollen Schotten Jock Stewart (wer weiß, vielleicht war der ja sogar jünger als der Schotte Simon). Einerlei, alle sangen voller Inbrunst mit und verabschiedeten sich in die Weihnachtszeit.
Auf Wiedersehen am 5. Januar im neuen Jahr 2024. Das Motto lautet "Hoffnung"
An dieser Stelle sei schon einmal mitgeteilt, dass wir zwar wieder ein schönes Programm eingesammelt haben. U.a kommt das Musikkabarett-Duo Grün und Huth. Wegen des Urlaubs unseres Wirtes Ronald bekommen wir aber nur eine eingeschränkte Auswahl an Getränken. Wir müssen mit Flaschen (Bier und alkoholfreie Getränke) aus den Kühlschränken vorliebnehmen. Heißgetränke und Wein werden nicht serviert. Es gibt auch keine Bewirtung mit Essen. Also futtert vorher etwas oder bringt ein bisschen Proviant zum Knabbern mit (oder Beides).
Noch ein kleiner Hinweis: Am kommenden Donnerstag, den 04.012024 um 20.00 Uhr tritt die Band „HofJebräu“ gemeinsam mit unserem Folk-Club-Häuptling John Harrison in der Gaststätte Kater 26 an der Römerstraße 26, 53111 Bonn, auf. HofJebräu hatte bereits im Juli und im Februar 2023 im Folk Club das Publikum begeistert. Im Kater 26 erwarten euch zudem gepflegte tschechische Biere und Weine.
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