Nix Pommes, nix Bratwurst – einfach Musik - pur?
Um es vorwegzunehmen: Musik pur war es nicht, es war Musik spezial – aber dazu später mehr.
Ist der viele Regen schlecht oder gut? Ist die Klimaveränderung schlecht oder gut? Ist ein Streitgespräch schlecht oder gut? Ist der Urlaub unseres Folk-Club-Wirtes Ronald schlecht oder gut? – auch wenn in vielen Lesern jetzt möglicherweise der Wunsch erwächst, mir doch mal so richtig die Meinung zu sagen – ich glaube, diese Fragen sind gar nicht so leicht zu beantworten, denn jedes Ding, jede Situation hat immer Betrachtungsmöglichkeiten aus verschiedenen Blickrichtungen. So sorgt der viele Regen für verheerende Überschwemmungen, aber auch für das Auffüllen des Grundwasserspiegels, so sorgt der Klimawandel für verheerende Umweltveränderungen, hat uns im Rheinland aber moderate Energiekosten trotz horrender Preise beschert, so hat der Urlaub von Ronald (er sei ihm auf alle Fälle gegönnt) fast dazu geführt, dass der Januar-Folk-Club auf ein anderes Domizil ausweichen musste, aber die kluge Idee einen Folk Club in einem Room and Service light Ambiente durchzuführen, hat für eine schon fast vergessene Ruhe während der Darbietungen geführt. Bier gab’s aus Flaschen, Essen gar nicht (na gut Detlef hat ein paar Knabbersnacks am Anfang rumgebracht), und so musste nicht gesucht oder nachgefragt werden, wer die Currywurst bekommt und wer die Pommes speciale. Herzlichen Dank an Roland dafür, dass er alles so organisiert hatte, dass der Saal trotz seiner Abwesenheit für den Folk Club sogar mit Getränken zur Verfügung stand. Herzlichen Dank auch an Natalie, die uns mit den Getränken versorgt hat.
Fangen wir von vorne an: Wie immer mit dem Ruf „Laaadies and Gentlemen….“ eröffnete John Harrison den Reigen, erklärte kurz den speziellen Ablauf und setzte mit seinen vorgetragenen Gedichten und Liedern das Thema des Abends musikalisch um – Hoffnung. Wer zu was oder wem Hoffnung hat und machen will, wurde offen gelassen und den Musikern in ihre eigene Interpretation gelegt. Mit dem à capella vorgetragenen Lied des „King of Rome“ von Dave Sudbury zeigte John auf, dass auch bei denen, die nicht als Favoriten gehandelt werden, immer die Hoffnung auf einen Sieg bestehen sollte. Der King of Rome ist nämlich eine Brieftaube, die eigentlich nicht als die schnellste gehandelt wurde, jedoch einem glücklichen Umstand verdankend, nicht – wie alle anderen teilnehmenden Tauben – in einen Sturm geriet. So kam sie als Sieger ins Ziel – allerdings auch als einzige. Wirtschaftlich denkend, wie John nun mal ist, hat er den Rat von Detlef umgesetzt und die Kosten für die Stimmung des Klaviers als sinnvolle Investition gekennzeichnet, in dem er sein zweites Lied „Rocks In My Bed“ von Duke Ellington auf dem Klavier vortrug. Dafür, dass er vorher warnte, er sei kein guter Klavierspieler, fand ich, dass er es bravourös gemeistert hat. Mit dem, ebenfalls à capella vorgetragenem „If“ verabschiedete sich John für die erste Hälfte des FCB. Das Gedicht von Rudyard Kipling ist die Ansprache eines Vaters an den Sohn, die Wikipedia wie folgt beschreibt:
„Der Titel des Gedichtes („If—“) bedeutet „Wenn—“ oder „Falls—“ und leitet jeweils die Beschreibung einer Tugend ein.
So heißt es beispielsweise in der ersten Strophe:
„If you can wait and not be tired by waiting,“
„Wenn du warten kannst und vom Warten nicht ermüdest“
Nach einer Aufzählung von verschiedenen Tugenden, wie Aufrichtigkeit, Demut, dem Blick für das Wesentliche und Selbstdisziplin kommt die Schlussfolgerung:
„Yours is the Earth and everything that’s in it,
And - which is more - you’ll be a Man, my son!“
„Dein ist die Erde [dann] und alles, was auf ihr ist,
und – was noch wichtiger ist – du wirst ein Mann sein, mein Sohn!“
Um es vorweg zu nehmen, John kam in der zweiten Hälfte noch einmal auf die Bühne und präsentierte den wunderschönen Liebessong der Rolling Stones „Not Fade Away“, welcher allerdings ursprünglich für Buddy Holly geschrieben wurde.
Um der Wirtschaftlichkeit der Klavierstimmung noch ein goldenes i-Tüpfelchen aufzusetzen, brachte Hans Ihnen diesmal keine Gitarre mit, sondern setzte sich an die Tasten. Um die Lieder „Imagine“ und „What A Wonderful World“ zu interpretieren. Ich denke über den Inhalt der Lieder braucht nichts gesagt zu werden – auch die Beziehung zum Thema Hoffnung liegt auf der Hand. Was aber unbedingt gesagt werden muss: Lieber Hans, du spielst so schön Klavier – mach es bitte öfter im Folk Club! Danke dafür.
Andreas Kulik ein, wie er selber sagt, langjähriger auf der Gitarre Musikmacher, hat sich vor einiger Zeit gedacht, dass da doch sicher noch mehr herauszuholen sei und sich infolge vertieft mit dem Instrument auseinander gesetzt, eigene Lieder gespielt und sich in die musikalische Öffentlichkeit (sprich auf die Bühne) getraut. Und ich kann nur sagen: Recht getan. Mit einem eigenen, wunderschönen polnischem Lied (eine seiner zwei Muttersprachen) „Nie Zabieraj Mi Strun“ eröffnete er seinen musikalischen Reigen und machte deutlich, dass er das Picking auf der Gitarre nicht nur als reine Begleitung beherrscht, sondern durch kleine eingestreute Melodieübergänge auch instrumental zu begeistern weiß. Das Publikum begeisterte er dann auch mit einer spontanen Programmänderung, weil er wollte, dass alle Ihrer Hoffnung auf eine Zukunft durch Mitsingen Ausdruck verleihen sollten. „Father And Son“ von Cat Stevens gibt, ähnlich wie das oben zitierte Gedicht „If“, Lebensweisheiten von dem Vater an den Sohn weiter – worin kann mehr Hoffnung liegen? „Why Can’t I Change?“ von Passenger war sein letztes Stück und auch hier sieht man die Gedanken zum Thema Hoffnung direkt vor einem – die Frage, die mit Warum beginnt, kann zwar Frustration ausdrücken, beinhaltet aber die Hoffnung, dass der Weg zum anvisierten Ziel doch noch erfolgreich gemeistert wird.
Und nun kam, was weiter oben etwas kryptisch als „Musik pur war es nicht, es war Musik spezial“ bezeichnet wurde. Chansonkabarett, Inhalte so (v)erklärt, dass sie besonders deutlich, aber auf die Schippe genommen, erscheinen – das sind die beiden Frauen Grün & Huth (Stefanie Huthmacher, Ursula Hoffmann). Mal balladesk, mal jazzig angehaucht, mal auch leicht in die Klezmerrichtung deutend, aber immer dem Chanson treu. Witzige, aber hintergründige Texte, die die schon angesprochene Schippe immer zwischen den Zeilen mittragen und auch oft dem Zuhörer einen Spiegel vorhalten. Aber was soll die Interpretiererei – vielleicht auch nur einfach Spaß mit Schalk im Nacken. Jedenfalls berichteten die Lieder „Die Dinge des Lebens“ von Dingen, die gut sind und solchen, die nicht so gut sind, „Das kann ich“ von den Fertigkeiten Stefanies, „Morgen vielleicht“ von der Ausredefindigkeit Ursulas (oder der Hoffnung, sich doch irgendwann aufraffen zu können?), „Les Deux Filles à Marier“ von dem immerwährenden Thema: Hab ich Spaß und geh’ kaputt oder geh’ ich ohne Spaß kaputt. Und schon war auch die erste Hälfte des Folk Clubs vorbei – fast ohne dass ich gemerkt hätte, wie die Zeit verging. Natürlich gab es eine Pause, die wie immer zum Lüften des Raumes und der anwesenden Personen genutzt wurde – aber darüber will ich gar nicht berichten, sondern direkt in den zweiten Auftrittsteil von Grün & Huth springen. Natürlich geht es im Kabarett, welches das Leben aufs Korn nimmt, nicht ohne eine Betrachtung „Meines Einfamilienhauses“ – ach wie schön ist es doch, sich gut bürgerlich in einem Reihenhaus einzunisten und selbiges gut in Schuss zu halten, nach Feierabend im Garten auszuruhen und sich gut mit den Nachbarn zu verstehen. Natürlich nur zwischen den Zeilen steht, wie sich heimlich darüber geärgert wird, dass der Nachbar doch die schöneren Fliesen hat oder dass der Rauch vom Grillen rüberzieht oder die Häme, dass das Grillfleisch des Nachbarn nicht vom Biohof, sondern aus dem Supermarkt kommt (er kann sich halt nichts Anständiges leisten:-) ). „Alicia“ als nächstes Lied beschrieb zwar den Ernst des Lebens, aber auch dort mit einem zwinkernden Auge, dass sich die Stars (hier ein Pianist) gern anhimmeln lassen, aber, wie es ihr Wanderlebenberuf so mit sich bringt, gerne an jedem Ort von jemand anderem. „Für mich hat das Glück heute keine Zeit“ bedarf eigentlich kaum einer Erläuterung, würde diese doch möglicherweise den offensichtlichen Bezug zum Thema Hoffnung eher zerstören. Was wäre Hoffnung ohne Liebe – und was wäre Liebe ohne ein Liebeslied. Da es aber schon so viele Liebeslieder gibt, mit denen bereits alles gesagt ist, was gesagt werden kann, beschreitet Ursula neue Wege, indem sie die Liebe und Zusammengehörigkeit gesellschaftspolitisch über die Passfähigkeit beschreibt: Ich bin der Cognac, du der Schwenker, welch herrliche Metapher, sehe ich mich doch direkt in Selbigem versinken – fragt sich allerdings, wer trinkt ihn aus und zerstört die Liebe; oder: ich bin das Meer und du das Schwein – ein Schelm, wer hier an eine Tour mit der Yacht zu den Bahamas denkt.
„Hallo Ludwig“ wiederum ist eine Ode an den großen Bonner Musiker …. (na, Ihr wisst schon). Stefanie und Ursula träumen in diesem Lied davon ein Denkmal gegenüber Ludwig zu bekommen, um dann abends einander zuzuwinken und Kabarett und Klassik zu einer neuen gemeinsamen Musikform zu verbinden (Ähh, ist so ähnlich eigentlich der Punk entstanden?). Nun glaubt doch bloß nicht, dass das Publikum ob solcher intellektuellen Anforderungen froh gewesen wäre, dass alles vorbei war – mitnichten, es folgten noch zwei Zugaben. Mit der ersten wurde der kreative Prozess des Liedermachens beschrieben: Frau nehme die Gebrauchsanweisung von einem Haarfärbemittel, und vertone das Ergebnis danach. Kann denn Liebe Sünde sein, wurde im letzten Lied nicht gefragt, sondern die hoffnungsvolle Feststellung „Das muss Liebe sein“ getroffen – und ich kann nur allen empfehlen, ob nun beim vergangenen Folk Club dabei oder nicht, achtet darauf, wann Grün & Huth mit einem neuen Programm in den nächsten Kabarettfrühling starten und geht hin, hört es euch an – dann werdet ihr verstehen, warum der letzte Titel so heißt.
Nun einen Rückwärtssalto wieder zum Beginn der zweiten Folk Club Hälfte. Nachdem John diese eröffnete, durfte euer Chronist (Mario Dompke) an die Gitarre. Nun ist es immer etwas schwierig über sich selbst zu schreiben, weshalb ich weniger auf die Darbietung als vielmehr auf die Inhalte der vorgetragenen Lieder eingehen möchte. Mit einem Lied, welches durch viel irische Liedbeschreibungen der dortigen Landschaft inspiriert ist, begann der Reigen. „Lass doch die Blumen einfach blühen“ beschreibt die Schönheit der Natur, wenn man sie lässt – beschreibt wie viel unentdecktes Leben zu finden ist, wenn der Garten nicht gesellschaftskonform getrimmt wird (Denken wir an das Lied von Grün & Huth über Mein Einfamilienhaus :-) ). Das Lied ist aber, ich muss es zugeben, im Garten bei dem Gedanken, dass der Rasen auch mal wieder gemäht werden müsse, entstanden. „Schon wieder“ verlässt das Thema Schönheit und widmet sich der Dummheit – einer Dummheit allerdings, die seit Menschengedenken als Klugheit betrachtet wird, nämlich dem Führen von Kriegen. Ach, wie schön könnte die Welt doch sein, wenn nicht immer wieder aus Machtgelüsten Kriege angezettelt würden, und deshalb habe ich mir mit diesem Lied die Frage erlaubt „Wie dumm können Menschen eigentlich noch sein, zu glauben, dass ein Krieg zu gewinnen ist“. Wir alle wissen, er wird nicht gewonnen, er verschiebt höchstens Machtverhältnisse und sorgt dafür, dass die „Gewinner“ immer mit einem „Gegenkrieg“ rechnen müssen. Keinen Krieg, aber einen Entwicklungsprozess beschreibt das Liebeslied „Meine Hälfte“. Ist es vordergründig eine Mathematikaufgabe (Meine Hälfte ist ein Drittel unsrer ganzen Zweisamkeit. Meine Hälfte ihre Hälfte, ist ihr doppeltes zurzeit……..), beschreibt es doch die Danksagung an die Ehefrau und Mutter der gemeinsamen Kinder, dass diese das Leben immer wieder zusammenhält, organisiert und insgesamt angenehm gestaltet. Mit dem gemeinsam gesungenen Lied „Die neue Welt“ habe ich mich für den Abend von der Bühne verabschiedet und weiterhin der gemeinsamen Hoffnung auf eine friedvolle und antirassistische Zukunft Ausdruck verliehen.
Wolfgang Schriefer ist im Folk Club kein unbeschriebenes Blatt. Kam er früher eher als Gitarre spielender Sänger, hat sich seine Kunst nun stark der Poesie zugewandt. Mit der Kurzgeschichte „Geschichte einer Hoffnung“ trifft er nicht nur das Thema des Abends, sondern berührt auch in allen anwesenden Seelen den Ton, der immer wieder aus dem Dunkel ins Licht strebt,
Wisst ihr was ein Limerick ist? Schobert & Black haben es in den 70er Jahren so beschrieben: Ein Limerick ist ein Fünfzeiler, der in den ersten vier Zeilen nichts aussagt und das in der fünften zu einem Höhepunkt zusammenfasst. Einen etwas ernsteren Inhalt hat der Limerick von Wolfgang, der als „Limerick zum Jahreswechsel“ der Hoffnung auf ein gutes neues Jahr Ausdruck verleiht.
Lange nicht mehr im Folk Club erlebt, gab es diesmal wieder einen sogenannten Walk In. Jemand, der zufällig oder geplant beim Folk Club Abend anwesend ist, zufällig oder geplant ein Instrument dabeihat und zufällig oder geplant ein oder zwei Lieder zum Thema im Gepäck hat. So Uwe Holstein, der schnell seine Ukulele auspackte und sehr anrührig auf diesem kleinen Instrument, schon virtuos, zu seiner wunderschönen Stimme zwei Lieder von den Muppetts zum Besten gab: „Rainbow Connection“ und „I’m Going To Go Back There Someday“. Lieder, die nicht nur wunderschön anzuhören sind, sondern Hoffnung auf Mehr von Uwe wecken.
Tja, damit ging es auf das Ende des Abends zu, welches natürlich nicht ohne eine gemeinsame Huldigung unseres Patrons „Jock Stewart“ erreichbar ist. Geschmettert von allen Anwesenden – Künstlern und Publikum - erweckte es auch im Januar die Hoffnung auf den nächsten Folk Club.
Dieser findet am 2. Februar 2024 mit dem Thema „Dialekte“ statt, und deshalb rufe ich euch wie immer zu:
Nach dem Folk Club ist vor dem Folk Club – out of the bedroom und bis bald
Mario
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