Dezember, Geschenke, Amerika, Krankheit – der Dezemberfolk Club 2024
Der Dezember 2024 – nicht richtig kalt (manchmal eher Frühling), nicht richtig warm (sogar ein paarmal Frost) – also so richtiges Wetter zum Krankwerden. Was dann auch Einige waren. Ich selbst habe drei Bekannte, die wegen Krankheit nicht kommen konnten. Es war nicht ganz so voll wie sonst (was aber der Stimmung keinen Abbruch tat). Wenn wir diese Situation mit dem Motto in Verbindung setzen (Geschenke, Amerika) so sind viele Allegorien denkbar (Allegorie = bildliche Erklärung eines abstrakten Begriffs). Zum einen, dass das Wahlergebnis in Amerika ein Zeichen zum Krankwerden ist (oder das Ergebnis selbst krank ist?). Oder, dass es ein Geschenk ist in dieser Zeit krank zu werden und sich versorgen zu lassen – aber wir wollen ja nicht politisch werden und deshalb sei es laut betont: „Es war gut nicht krank zu sein und das Erlebnis FCB 152 mitzuerleben.“
Wie immer, und trotzdem immer überraschend, eröffnete John Harrison den Reigen mit seinem Belebungsruf „Laaadieees and Gentlemeen……“, um dann zu erklären, dass wie jedes Jahr der special guest Simon Kempston wieder mit einer neuen CD im Gepäck gekommen ist. Ja, der Folk Club Bonn ist aus mehreren Gründen etwas Besonderes – einer davon ist die Treue immer wiederkehrender Künstler, und Simon ist wohl der Treueste von Allen. Aber natürlich gab sich John nicht mit Erläuterungen alleine ab, sondern führte uns sein musikalisches Talent wieder einmal sehr gekonnt vor. Mit den Liedern „Walking Blues” von Son House, “Crossroads” von Robert Johnson verpackte John seine Geschenke wie üblich in bluesige Melodien. Er adressierte allerdings das zweite Thema des Abends – Amerika, denn die ersten zwei Stücke entstammen eben dieser Region. Mit einem eigenkomponoierten Lied “Albert McShah” schwenkte John wieder auf das Thema Geschenke um, denn Albert hatte zwei Seelen in seinem Körper – zum einen die Seele eines Schahs mit dem Wunsch einen Harem zu gründen und zum anderen die Seele eines schottischen Musikers, der den Blues liebte. Leider waren die in seinem Harem aufgenommenen Bluessängerinnen nicht in der Lage die Töne richtig zu intonieren und so wurde aus dem gedachten Geschenk eine lebenslange Qual. Aber etwas tröstet – echter Blues kann nur aus einer gequälten Seele kommen.
Eine besondere Interpretation von Geschenk erläuterte die Gruppe Georgia (Matthies Braun, Gesang, Thomas Meier an der Flöte und Gerald Matuschek Gitarre) dem Publikum. Erstens war der Gruppe der Name ihrerselbst gar nicht allgemein bekannt, weil zweitens dieser mal schnell für die Ankündigung im Folk Club zu der erzählten Geschichte des vorgetragenen Liedes vergeben wurde. Etwas weniger kompliziert: Für Thomas Meier ist es immer ein Geschenk, wenn er sich im Ausland befindet, dort in Plattenläden zu stöbern und besondere Musik als Erinnerung mit nach Hause zu nehmen. Einmal, in Georgien, fand er eine Platte der in Georgien geborenen Katie Melua mit dem Lied „Plane Song“. Dieses wurde nun im Folk Club sehr einfühlsam vorgetragen, und was lag da näher, als die Gruppe Georgia zu nennen. Musik ist halt Phantasie.
Das Ergebnis von Phantasie und Handwerk gekoppelt zeigte uns nun Antje ten Hoevel – uns allen bekannt als ein Teil des Harfenduos Harfenlicht. Heute mal solo unterwegs, zeigte sie uns eine besondere Art von Harfenklängen – nämlich solche aus einer kleinen Spieluhr. Dort werden die Töne durch das Anschlagen von Tonblättchen erzeugt und das Anschlagen wird durch Lochstreifen, die mittels Handrad über eine Walze gezogen werden, realisiert (wer es genauer wissen will: https://www.ma-boite-a-musique.com/mag/de/page-106283.htm). Die Lochstreifen stellt Antje selbst her und kann so auch mehrstimmige Stellen erzeugen. Handarbeit und Phantasie gekoppelt. Antje brachte uns zuerst den Bee Gees Song „Ellan Vannin“ dar – in einer Atmosphäre völliger Stille, denn die Spieluhr ist – trotz des Resonanzverstärkers (eine alte Wein- oder Apfelkiste) – ja, auch hier zeigt der Folk Club Bonn immer wieder seine Einzigartigkeit – der Musik wird immer sehr aufmerksam gefolgt, meist leise, mal aber auch durch intensives Mitsingen. Mit den weiteren Stücken „Vorfreude“ komponiert von ihrem Mann Uwe Jendricke, der bei der Komposition sicher an den nächsten Folk Club dachte :-), dem englischen traditionellen Weihnachtslied „God Rest Ye Merry, Gentlemen“, dem für Harfe geschriebenen Stück „Bei Resia“ von André und Lara Schubert oder dem „Gloria in Excelsis Deo“ zeigte sie nicht nur ihre handwerkliche Kunst der Lochung der Streifen in musiklaisch richtigen Abständen, sondern animierte das Publikum sogar zu leisem Mitsingen und -summen. Um es vorwegzunehmen, ein besonderes Geschenk brachte Antje dem Folk Club mit, indem sie zum Schluss des Folk Clubs noch einmal die Bühne erklomm und mit ihrer Spieluhr Jock Stewart vortrug.
Fast genauso oft Gast wie wegen Krankheit ausgefallen konnte wir diesmal wieder Lothar Prünte begrüßen. Allen bekannt als stimmgewaltiger Tina-Turner-Interpret kam er heute mit leiseren Liedern auf die Bühne. Den Anfang machte er mit dem BAP Song „Eins Für Carmen Un En Insel“. Leider zeigte es sich bereits hier, dass diese doch eher leisen Lieder zu einer gestrummten Gitarre schwer ohne Mikrofon zu bewältigen sind. So traten Melodie und Text etwas in den Hintergrund, was der Musik insgesamt nicht gutgetan hat. Aber Lothar wäre nicht Lothar, wenn er diese Anmerkung nicht schnell verinnerlichen würde und sicher das nächste Mal entweder mit stimmgewaltigeren Lieder kommt oder aber sich eine neue Technik des Gitarrespielens zulegt, die eben beide Musikteile (Gesang und Begleitung) besser zur Wirkung kommen lässt. Um keinen falschen Eindruck aufkommen zu lassen. Die Interpretationen der vorgetragenen Lieder war insgesamt sehr gut und gekonnt – ach so, ja, nach dem genannten BAP Song kamen dann noch zum Mitsingen „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen und eine Liebeserklärung an seine, im Folk Club anwesende, Frau „Frau, ich freu mich“ (auch von BAP).
Einer Weihnachtstradition folgend und gleichzeitig eine Hommage an unseren verstorbenen Freund Steve Perry sangen nun John Harrison und John Hurd (auch bekannt als JH2) a cappella das wunderschöne und theatralisch unterlegte stück „Good King Wenceslas“.
Was haben Annette und Cecilia gemeinsam – eigentlich nichts, außer dass Cecilia diesmal im Folk Club Bonn eine Annette sang (ein einzelnes Stück als spontane Idee). „Oh, Holy Night (Original: Cantique de Noël)” wurde mit einer super Stimme, und sehr ausgewogener Intonation a cappella vorgetragen. Ein Geschenk für uns alle zur Weihnachtszeit.
Aber nun – der special guest Simon Kempston. Nicht nur wir kennen ihn gut, auch er kennt den Folk Club inzwischen in- und auswendig und weiß so, wie er schnell das gesamte Publikum in seinen Bann zieht. Eine besondere Stimme, ein steter Wechsel zwischen klarer Intonation, Tremolo Gesang und auch passenden Einzellauten in Begleitung oder als Begleitung zu seinem starken, meist als Fingerpicking ausgelegtem Gitarrespiel, welches es versteht fast übergangslos leise Töne in gewaltige Akkorde zu überführen – ein Genuss, der weit mehr ist als Hintergrundmusik. Deshalb hörten ihm das gesamte anwesende Publikum aufmerksam zu. Ich für meinen Teil muss leider sagen, dass meine Kenntnisse der englischen Sprache nicht ausreichen, um die feine Poesie, die in Simons Texten liegt, unmittelbar mit dem Musikgenuss zu verstehen. Ich schaue mir in der Regel die Texte getrennt von der Musik an, vollziehe die in ihnen liegende Poesie und die Aussagen nach, um mir dann die Lieder noch einmal anzuhören und somit das Gesamtwerk zu vervollständigen. Um so vorzugehen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Viele der Lieder können auf Youtube oder Spotify gehört werden – am einfachsten ist es aber, die CDs von Simon zu erwerben und Stück für Stück die Lieder zu verinnerlichen. Nun bin ich etwas ins Schwärmen geraten, ohne euch zu verraten, welche Lieder er gesungen hat – ihr die ihr dabei wart, wisst es, und die anderen durften ruhig etwas warten, denn jetzt erzähle ich es. Mit „Run With You Darling” von der CD Broken Before eröffnete Simon den Reigen. „Vulnerable Man” von Vanishing Act folgte. Mit “The Normal Life” stieg Simon in die Vorstellung seiner neuen CD My Dreams Are Theirs ein. „Man Of Peace”, ebenfalls von Vanishing Act, ist dem Folk Club Publikum ebenso bekannt wie das instrumental vorgetragene „Till Death Does Us Part” von der CD Onwards She Travels. Simon liebt den FCB, weshalb er bereits in der ersten Hälfte noch zwei weitere Stücke vortrug. “The Time To Talking Has Passed” ist wieder ein Stück seiner neuesten CD und bezieht sich auf die momentan in der Welt sich abspielenden Krisen. Und Simon trug es diesmal auf dem Klavier vor. Ebenfalls aus diesem Album stammt das letzte Stück der ersten Hälfte „Where My Love Belongs“, ein Lied über die Liebe Simons zu seinem Kind. Ihr merkt schon, dass ich nicht wirklich auf die Inhalte der Lieder eingehe – das würde der Sache nicht gerecht. Simons Lyrik und Poesie mit meinen Worten auszudrücken würde alles verfälschen – deshalb macht es so wie beschrieben, und lasst euch selbst in das Geschenk von Simons Musik fallen. Hier springe ich mal nach vorne und liste die Stücke von Simon aus der zweiten Hälfte auf. „Broken Before” von der gleichnamigen CD, „Never The Bride” und „A Tale Of Two Unions” von You Can’t Win Every Time und das Instrumental “Moonrise Over Mostar” von der gleichnamigen CD. Bei dem nächsten Stück ging Simon noch einmal besonders auf den Folk Club Bonn ein – er spielte nämlich sein „What Led You To This” von der neuen CD gemeinsam mit John Harrison, der ihn auf der Mundharmonika begleitete. Auch wenn dieser Abschnitt Simon gewidmet ist, sei es gesagt, dass die Bewunderung für John gar nicht groß genug sein kann, so wie er immer wieder seine MusikerInnen Kollegen spontan und gekonnt auf diesem Instrument unterstützt. Aber zurück zu Simon. Ebenfalls von dieser CD ist sein Stück „Don’t Let Her Hear You Say That”, auch dieses im Folk Club auf dem Klavier vorgetragen. Mit „The Bus To Nairn” von A Fine Line wollte Simon sein Konzert beenden, jedoch forderte das Publikum eine Zugabe, die gerne von ihm mit dem Lied „Derry Walls” von der CD Impasse gewährt wurde. Ich bin mir sicher, dass die Dezembertradition auch im Jahr 2025 fortgesetzt wird und Simon sich selbst uns zum Geschenk macht.
An dieser Stelle ein kleiner Stilbruch. Da die zweite Hälfte des Folk Clubs von der Gruppe Fomiander eröffnet wurde (diesmal in der light Version), ich selbst zu eben dieser Formation gehöre und wir ein paar neue Lieder ausprobiert haben, die ich ungern selbst kommentieren wollte, habe ich Birgit Ihnen gebeten, diesen Teil zu schreiben. Ich füge ihn hier ein, ohne ihn bisher selbst gelesen zu haben. Ich werde auch keine Korrekturen oder Änderungen daran vornehmen – jedoch mich bereits jetzt herzlichst bei Birgit bedanken. P. S. Sollte – wovon ich ausgehe – euch der Schreibstil von Birgit gefallen, ermuntert sie gerne beim nächsten Folk Club, öfter zur Feder zu greifen:-)
Nach der Pause kommen Fomiander-light auf die Bühne. Sonja (Ukulele, Gesang), Karin (Querflöte) und Mario (Bouzouki, Gitarre, Gesang) präsentierten neue Songs aus ihrem Repertoire. Das Besondere dabei: die Stücke werden fast ungeprobt (kann man kaum glauben) vorgetragen. Das erste Lied ist dem Thema des Abends „Geschenke“ geschuldet: Karin und Mario wurden erst kürzlich mit Enkelkindern beschenkt. Dieses Lied, „Geh deinen Weg“ widmet Mario seinem 2. Enkel „Thilo“. Eine wundervolle, mutmachende Ballade, als Uraufführung vorgetragen. Beim 2. Stück „Dein eigenes Leben“ wird besungen, dass man sich dem ‚Geschenk des eigenen Lebens‘ bewusst sein sollte und es entsprechend annimmt. Eine einprägsame, schöne Melodie mit toller Begleitung auf der Querflöte. Mario „drohte“ an, den Song jetzt jedesmal im FCB zu spielen, bis alle den Refrain mitsingen können. Das 3. Lied ist möglicherweise laut Mario für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet. Es wird politisch. „Jan der Fischer“ beginnt fröhlich im Walzertakt und das Publikum ist aufgefordert mitzuschunkeln. Jan wohnt in einem ‚Hochstockmietshaus‘ und genießt die Freiheit auf See. Mit seinem jüngeren Kollegen Ole fährt er ins Mittelmeer und rettet dort etliche Flüchtlinge vor dem Ertrinken. Doch ach, vom Regen in die Traufe, werden die Geretteten gleich wieder weggesperrt und statt Dankbarkeit entsteht manchmal Hass. So wird aus dem lustigen Lied eine ernste Angelegenheit, die nichts an Aktualität verloren hat. Mit dem Satz: „So viele starben auf See“ wurde das zeitkritische und eindringliche Stück beendet.
So nun wieder von mir weitergeschrieben. Nach Fomiander eroberte Hans Ihnen die Bühne. Vor einiger Zeit bat ich Hans doch öfter sein Klavierspiel zum Besten zu geben. Diesen Gefallen hat er mir nun wieder getan, und ich darf sagen – er hat sich seinen Applaus mit Bravour verdient. Mit John Lennons „Imagine” begann Hans. Diesmal hatte er es raus, die richtige Lautstärkeverteilung zwischen Stimme und Klavier zu beherrschen. Natürlich sang das Publikum bei diesem Lied mit und nicht nur die Vorstellung von Frieden ist ein Geschenk, sondern die Interpretation von Hans war es auch. „Before The Deluge“ von Jackson Browne war das nächste Stück, und auch dieses meisterte Hans sehr professionell. Aber so richtig aufgefahren hat Hans mit dem Foxtrott „It Don’t Mean A Thing” von Duke Ellington. Boah, sowas möchte ich mal können :-). Auch die Art sich von kleinen Patzern nicht aus der Ruhe bringen zu lassen zeigt, dass Hans nicht nur gut ist, sondern sich auch mit dem FCB Publikum im Kreise der Familie fühlt.
Unser Hausdichter Wolfgang Schriefer kam nun zu Wort. Passend zum Jahreszeit behandelte er mit seinem Gedicht “Der Tannenbaum” die Tradition des Aufstellens von Tannenbäumen zur Weihnachtszeit und zeigte den Widerspruch zwischen der Geburt (neues Leben) und dem dieses symbolisierende Töten eines Baumes auf. Gelungen, ohne uns die Freude am Tannenbaum zu verderben. „Aus Alt wird Neu“ eine nachdenklich stimmende Geschichte zum Jahreswechsel. Hoffentlich wird alles im kommenden Jahr besser. Und sind wir erst dort, war früher alles besser (vor allem viel mehr Lametta).
So, über Antjes Geschenk „Jock Stewart“ auf der Spieluhr habe ich schon berichtet, bliebe mir also wie immer nur zu sagen: „Jock Stewart“ gemeinsam als Hommage an unseren Patron gesungen, bildetet den Abschluss des Folk Clubs. Aber auch diesmal: Nach dem Folk Club ist vor dem Folk Club, deshalb merkt euch den Termin 3. Januar 2025. Dann könnt ihr als featured artists Ismael de Barcelona & Thomas Monnerjahn erleben oder anderes ausgedrückt Jazz meets Flamenco.
In diesem Sinne out of the bedroom
euer Mario