Dienstag, 3. Oktober 2017

Marios Bericht vom Folk-Club Nummer 83 am 1. September 2017


Sommerzeit ist Urlaubszeit und Urlaubszeit ist (gut) Essenszeit
„Laaadies and Gentlemen....“ – spätestens an diesen einleitenden Worten wird die geneigte Leserschaft merken, dass es sich um einen Bericht zum Folk Club Bonn handelt. Im konkreten Fall um den Bericht der 83. Auflage. Das Motto – wie schon in der Überschrift angedeutet – Essen.
Es heißt zwar „Essen ist der Sex des Alters“, trotzdem waren erstaunlich viele doch recht junge Menschen anwesend. Wie sich bald herausstellte, waren diese aber hauptsächlich hungrig auf ihre Superstars (und gleichzeitig Featured Artists des Abends) Bromo – aber davon später mehr.
Master John Harrison kredenzte dann auch zur Eröffnung ein komplettes Menü – mit Vor- Haupt- und Nachspeise. Als Vorspeise gab es die  Meeresfrüchte Cockles and Mussels, ein allseits bekanntes und zum Mitsingen anregendes irisches Volkslied. John erinnerte sich daran, wie in irischen Folkclubs immer Cockles and Mussels, bereits entschalt und in Essig eingelegt, angeboten wurden. Eine schmackhafte Sache – aber erst nachdem man durch mehrere genossene Biere den Mut aufbrachte, diese wenig ansehnliche Masse zu essen. Zum Hauptmenü lud John nach Louisiana ein und brachte Hot Tamales auf den Tisch – ein Fleischgericht mit gekochten Maiskolben. Nicht nur Barry lief das Wasser im Mund zusammen. Die Nachspeise setzte sich zusammen aus Erdbeeren und Himbeeren – welche allerdings erst noch gepflückt werden mussten. The Berry Fields o' Blair beschreibt, wie sich eine Region durch die Ernte eben jener Früchte verändert (There's tents and huts and caravans, There's bothies and there's bivvies, And shelters made wi tattie-bags, And dug-outs made wi divvies).
Nach John bestieg Dieter Fahring die Bühne und gab drei Gedichte zum Besten. Vom Fressen und gefressen werden berichtet das Gedicht von der „Pellkartoffel und dem Hecht“. Verstummte die Kartoffel in diesem Gedicht noch, nachdem das Wasser verkocht und sie sich daher pellte, so wurde die wahre Größe der Pellkartoffel in nachfolgenden Versen „Pelka“ deutlich. Wird sie in dem Gedicht auch rundum gequält (verhöhnt als Unrunde, gekocht und gepellt sowie mit der Gabel zerdrückt – vom Verspeisen gar nicht erst zu reden), so wird doch die, in dem Gedicht von Ringelnatz enthaltene Liebeserklärung, deutlich. Eine Zugabe wurde gefordert und die verabreichte Dieter dem Publikum in einer liebevollen Persiflage auf die Hassliebe zwischen Düsseldorfern und Kölnern. „Düsseldorfer am Himmelstor“ beweist, dass Petrus und Gott wohl doch Kölner sind, denn wie sollte es anders zu erklären sein, dass sie dem Düsseldorfer Anklopfenden lieber seine jahrelang gezahlte Kirchensteuer ersetzen als ihn einzulassen.
Chris Biederwolf ist ein schon bekannter Gast des Folkclubs und kam dieses Mal in Begleitung von Birgit Steinwald, alias Biggie. Nicht als Abkürzung, sondern als Inhalt nennen sich beide ChrisBi (Ich nehme mal an, dass die knackige, Süßwaren gemeint sind und nicht die italienischen Stiefel oder gar die Krücken). Whatever, wichtig ist ja doch, wie die Musik der beiden klingt, und die konnte sich hören lassen. Mit ihrer Interpretation von „Sag mir, wo die Wälder sind“ – einer Neutextung des allbekannten Pete-Seeger-Songs gaben sie ihren Folkclub Einstand. Weil aber das Motto des Abends food war, legten Sie gleich mit dem „Lied vom Einkaufszettel“ nach – alles, was an Essbarem zu denken ist, steht darauf.
Mit Essbarem ging es auch gleich weiter. „Homentashn“ ist en jidisches Lied, dass ich zum ersten Mal von Peter Rohland gehört habe, jenem großen, viel zu früh gestorbenen Musiker, der sich sehr um den Erhalt von traditionellem Liedgut bemüht hat. Jedes Jahr gibt es deshalb auf der Burg Waldeck einen Peter-Rohland-Singwettstreit – aber das ist eine andere Geschichte. Im Folkclub wurde das Lied von Teilen der Klingenden Brücke präsentiert. Die Klingende Brücke ist ein Bonner Projekt, um internationales, speziell europäisches Liedgut zu erhalten, Spaß beim Singen zu haben und die Musik als Brücken zwischen Menschen und Nationen zu verstehen. Als zweites Lied wurde „El buen pan d'Aragon“ gemeinsam mit dem Publikum gesungen, denn die Klingende Brücke nimmt Ihren Auftrag sehr ernst. Solange nicht jeder im Publikum mitsingen kann, wird weiter geübt. Der Programmdirektor Steve freut sich über diese langen Floorspots :-). Mit dem vielen bekannten Lied „Strawberry Fair“ rundete die Klingende Brücke ihr Programm ab.
Jetzt wurde es voll auf der gedachten Bühne von Dotty's Sports Bar. Die Quartierspatzen, unterstützt von dem Kleinen Chor Bad Godesberg stimmten zum Motto des Tages passend die „Kartoffelkantate“ an. Nach dem Motto, das Wenige was ich esse, kann ich auch trinken, folgte das mittelalterliche Trinklied „Tourdion“. Bei diesem Lied konnte die Größe des Chors richtig zur Geltung gebracht werden. Englischsprachig ging dieser Floorspot zu Ende. „The Goslings“ (die Gänseküken) ist ein Lied der wahren Liebe. Angefangen auf der Wiese endet diese tragisch auf dem Speiseplan.
Dieses Mal hatten einige eher in den Bereich des Publikums eingeordnete, ständige Folkclub-Gäste den Mut aufgebracht, sich zu präsentieren. Zwar haben wir Günter Engel schon häufiger in Chorformationen gehört, aber noch nie als Solosänger. Dies holte er mit seinem „Fruchtdessert“ schnell nach – und zeigte allen, wie auch die anscheinend einfachen Lieder manchmal ganz schon tricky sind.
Fast sind wir es schon gewohnt, dass etwas ganz besonderes oder ausgefallenes kommt, wenn ELPI die Bühne betritt. Diesmal unterstützt vom Gitarristen Andy wurde aus einem Floorspot eine Annette gemacht (Annette = ein Lied). Die beiden brachten nämlich die ineinander übergehenden Stücke „Intro_Kayleigh_Lavender“ von Marillion. Ein super Auftritt.
Und dann war es soweit – wäre der Folkclub elektrisch/ elektronisch ausgestattet hätte es geheißen, „Licht aus, Spot an“. Bromo, namentlich Dennis und Marvin Ledermann sind Kinder des Folkclubs. Wer erinnert sich nicht mehr daran, dass erst Dennis alleine, dann Dennis und Marvin und später die beiden als Bromo ihre ersten Auftritte hatten. Heute sind sie mehrfache Preisträger von regionalen Musikwettbewerben und bewiesen beim Folkclub wieder einmal, dass sie wissen, woher sie kommen, aber voller Selbstvertrauen das Publikum rocken – gut, ein Teil desselben war eine mitreisende Fangemeinde, was aber der Gesamtstimmung nichts anhaben konnte, sondern nur unterstrich, dass die Beiden einfach (oder zweifach?) Klasse sind. Ed Sheran, ihr großes Vorbild ist aus vielen Songs heraus zu hören. Trotzdem bewiesen Bromo, dass sie auch eigene Persönlichkeiten sind. Mit den Songs „Like a Picture“, „I'm on My WAY“, „Machine“ und „Wonderwall“ heizten beide dem Publikum (und sich selber) so richtig ein.
Nach der Pause wurde es noch einmal sehr romantisch. Traditionell sammelt  Barry Roshto ja das Publikum musikalisch wieder ein – diesmal gemeinsam mit Lena, die einen „Song for Bromo“ brachte. Wissen doch die Insider, dass Lena seit ihrem Zufallsauftritt mit Bromo zusammen in einem früheren Folkclub, eine sehr enge Beziehung zu einem der Bromos hat.
Springen wir kurz nach vorne, denn Bromo kamen ja noch einmal auf die Bühne und rockten mit „Burning up“, Nightwatch“, „Stitches“ und „I See Fire“ noch mal zum Ende des Folkclubs ab. Bei I see Fire kam auch Lena noch einmal auf die Bühne und rockte mit den Beiden weiter. Und selbst damit nicht genug, wurde eine weitere Zugabe fällig, die sie mit dem Lied „Lieblingsmensch“ auch gaben. Ich denke, es war nicht das letzte Mal, dass der FCB Bromo beheimatete – aber auch, wenn die Beiden mal so richtig berühmt sind, kriegt der Folkclub sowohl Sonderkonditionen, wie auch die Möglichkeit seine Statuten (rein akkustisch) durchzusetzen.
Aber was kam zwischen Bromo und Bromo? Zuerst kamen Frederico und Mike. Zwei Musiker, die Bonn wieder einmal als internationale Stadt präsentierten. Kennengelernt haben sich beide bei einem internationalen Arbeitgeber in Bonn und nun machen sie zusammen Musik. Das erste Stück (Tears Down) beschreibt die Art und Weise, wie auch Männer Emotionen zulassen – auch wenn die eigenen Eltern das gar nicht verstehen. Das zweite Lied war der versuch das Motto des Tages aufzugreifen. Frederico hat ein Lied über Essen geschrieben (Macy, Macy),  weiß aber inzwischen nicht mehr, was das Lied mit Essen zu tun hat :-). Beim dritten Song wurde es wieder emotional. Das Lied „Sung Places“ beschreibt die Antwort von Fredericos kleinem Bruder auf die Frage, was Liebe ausmacht bzw. wie Liebe erklärt wird.
Mit Sparkling Light kamen wieder bekannte Gesichter auf die Bühne. Zuerst ein Gedicht zu einem schottischen Nationalgericht rezitierend (Ode an Haggis), erfüllten sie die Anforderung an den Abend – food. Dann steuerten sie ihr musikalisches Terrain an und spielten die „Baker Street“ in einer sehr schönen Interpretation. Mit der „September Melodie“ wurde zwar nicht auf das Motto des Folkclubs abgehoben, aber es war doch ein sehr passendes Lied zum Monat September, dem Vater des 83. Folkclubs. Ich finde es immer wieder spannend neue Lieder durch den Folkclub kennenzulernen, was mit September Melodie und auch der Ursprungsinterpretin Marima gelungen ist. Für mich und viele andere Folkclubbesucher nicht neu und somit zum Mitsingen geeignet, war das letzte Lied von Sparkling Light. „She is Really Going Out With Him“ machte noch einmal so richtig Spaß und weckte die Lust, Sparkling Light noch oft im Folkclub zu hören.
Noch ein Duo, welches bisher eher als Publikum in Erscheinung getreten ist, waren Paul und Monika Haag. Ach wie herrlich, wenn frei von der Leber weg, in dem eigenen Dialekt gesungen wird. Nun bin ich des Rheinischen nicht 100 %ig mächtig, aber es reichte doch aus, um sowohl die Stimmung wie auch den Text zu verstehen und zu fühlen. Ein Lied zum Thema food ist die Geschichte der „Appeltaart“ allemal. Auch das zweite Lied hat entfernt mit dem Thema zu tun „Don se mir für ne Jrosche Kamelle“ handelt aber nur vordergründig vom Essen, vielmehr ist die Schlitzohrigkeit der beiden Buben, die im Geschäft ausgerechnet die Kamelle wollen, die im Glas ganz oben auf dem Regal stehen das Thema. Mit der Lieblingsspeise der Rheinländer dem „Riefkooche“ schlossen die beiden ihr Programm ab. Es war einfach erfrischend, wie bodenständige Folklore in Liedform präsentiert wurde.
Tja, über Bromo wurde schon geschrieben, Bliebe also nur zu sagen, dass auch diesmal der Patron mit seinem eigenen Lied „Jock Stewart“ zum Abschluss geehrt wurde.
Und das soll Euch alle daran erinnern, dass nach dem Folkclub vor dem Folkclub ist – see you at Dotty's on October 6th. Out of the bedroom!
Mario

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