Sommerzeit ist Urlaubszeit und Urlaubszeit ist (gut)
Essenszeit
„Laaadies and Gentlemen....“ – spätestens an diesen
einleitenden Worten wird die geneigte Leserschaft merken, dass es sich um einen
Bericht zum Folk Club Bonn handelt. Im konkreten Fall um den Bericht der 83.
Auflage. Das Motto – wie schon in der Überschrift angedeutet – Essen.
Es heißt zwar „Essen ist der Sex des Alters“,
trotzdem waren erstaunlich viele doch recht junge Menschen anwesend. Wie sich
bald herausstellte, waren diese aber hauptsächlich hungrig auf ihre Superstars
(und gleichzeitig Featured Artists des Abends) Bromo – aber davon später
mehr.
Master John Harrison kredenzte dann auch zur
Eröffnung ein komplettes Menü – mit Vor- Haupt- und Nachspeise. Als Vorspeise
gab es die Meeresfrüchte Cockles and
Mussels, ein allseits bekanntes und zum Mitsingen anregendes irisches
Volkslied. John erinnerte sich daran, wie in irischen Folkclubs immer
Cockles and Mussels, bereits entschalt und in Essig eingelegt, angeboten
wurden. Eine schmackhafte Sache – aber erst nachdem man durch mehrere genossene
Biere den Mut aufbrachte, diese wenig ansehnliche Masse zu essen. Zum Hauptmenü
lud John nach Louisiana ein und brachte Hot Tamales auf den Tisch – ein
Fleischgericht mit gekochten Maiskolben. Nicht nur Barry lief das Wasser im
Mund zusammen. Die Nachspeise setzte sich zusammen aus Erdbeeren und Himbeeren
– welche allerdings erst noch gepflückt werden mussten. The Berry Fields o'
Blair beschreibt, wie sich eine Region durch die Ernte eben jener Früchte verändert
(There's tents and huts and caravans, There's bothies and there's bivvies, And
shelters made wi tattie-bags, And dug-outs made wi divvies).
Nach John bestieg Dieter Fahring die Bühne und
gab drei Gedichte zum Besten. Vom Fressen und gefressen werden berichtet das
Gedicht von der „Pellkartoffel und dem Hecht“. Verstummte die Kartoffel
in diesem Gedicht noch, nachdem das Wasser verkocht und sie sich daher pellte,
so wurde die wahre Größe der Pellkartoffel in nachfolgenden Versen „Pelka“
deutlich. Wird sie in dem Gedicht auch rundum gequält (verhöhnt als Unrunde,
gekocht und gepellt sowie mit der Gabel zerdrückt – vom Verspeisen gar nicht
erst zu reden), so wird doch die, in dem Gedicht von Ringelnatz enthaltene
Liebeserklärung, deutlich. Eine Zugabe wurde gefordert und die verabreichte
Dieter dem Publikum in einer liebevollen Persiflage auf die Hassliebe zwischen
Düsseldorfern und Kölnern. „Düsseldorfer am Himmelstor“ beweist, dass
Petrus und Gott wohl doch Kölner sind, denn wie sollte es anders zu erklären
sein, dass sie dem Düsseldorfer Anklopfenden lieber seine jahrelang gezahlte
Kirchensteuer ersetzen als ihn einzulassen.
Chris
Biederwolf ist
ein schon bekannter Gast des Folkclubs und kam dieses Mal in Begleitung von
Birgit Steinwald, alias Biggie. Nicht als Abkürzung, sondern als Inhalt nennen
sich beide ChrisBi (Ich nehme mal an, dass die knackige, Süßwaren gemeint sind
und nicht die italienischen Stiefel oder gar die Krücken). Whatever, wichtig
ist ja doch, wie die Musik der beiden klingt, und die konnte sich hören lassen.
Mit ihrer Interpretation von „Sag mir, wo die Wälder sind“ – einer
Neutextung des allbekannten Pete-Seeger-Songs gaben sie ihren Folkclub
Einstand. Weil aber das Motto des Abends food war, legten Sie gleich mit dem „Lied
vom Einkaufszettel“ nach – alles, was an Essbarem zu denken ist, steht
darauf.
Mit Essbarem ging es auch gleich weiter. „Homentashn“
ist en jidisches Lied, dass ich zum ersten Mal von Peter Rohland gehört habe,
jenem großen, viel zu früh gestorbenen Musiker, der sich sehr um den Erhalt von
traditionellem Liedgut bemüht hat. Jedes Jahr gibt es deshalb auf der Burg
Waldeck einen Peter-Rohland-Singwettstreit – aber das ist eine andere
Geschichte. Im Folkclub wurde das Lied von Teilen der Klingenden Brücke
präsentiert. Die Klingende Brücke ist ein Bonner Projekt, um internationales,
speziell europäisches Liedgut zu erhalten, Spaß beim Singen zu haben und die
Musik als Brücken zwischen Menschen und Nationen zu verstehen. Als zweites Lied
wurde „El buen pan d'Aragon“ gemeinsam mit dem Publikum gesungen, denn
die Klingende Brücke nimmt Ihren Auftrag sehr ernst. Solange nicht jeder im
Publikum mitsingen kann, wird weiter geübt. Der Programmdirektor Steve freut
sich über diese langen Floorspots :-). Mit dem vielen bekannten Lied „Strawberry
Fair“ rundete die Klingende Brücke ihr Programm ab.
Jetzt wurde es voll auf der gedachten Bühne von
Dotty's Sports Bar. Die Quartierspatzen, unterstützt von dem Kleinen
Chor Bad Godesberg stimmten zum Motto des Tages passend die „Kartoffelkantate“
an. Nach dem Motto, das Wenige was ich esse, kann ich auch trinken, folgte das
mittelalterliche Trinklied „Tourdion“. Bei diesem Lied konnte die Größe
des Chors richtig zur Geltung gebracht werden. Englischsprachig ging dieser
Floorspot zu Ende. „The Goslings“ (die Gänseküken) ist ein Lied der wahren
Liebe. Angefangen auf der Wiese endet diese tragisch auf dem Speiseplan.
Dieses Mal hatten einige eher in den Bereich des
Publikums eingeordnete, ständige Folkclub-Gäste den Mut aufgebracht, sich zu
präsentieren. Zwar haben wir Günter Engel schon häufiger in
Chorformationen gehört, aber noch nie als Solosänger. Dies holte er mit seinem
„Fruchtdessert“ schnell nach – und zeigte allen, wie auch die
anscheinend einfachen Lieder manchmal ganz schon tricky sind.
Fast sind wir es schon gewohnt, dass etwas ganz
besonderes oder ausgefallenes kommt, wenn ELPI die Bühne betritt.
Diesmal unterstützt vom Gitarristen Andy wurde aus einem Floorspot eine
Annette gemacht (Annette = ein Lied). Die beiden brachten nämlich die
ineinander übergehenden Stücke „Intro_Kayleigh_Lavender“
von Marillion. Ein super Auftritt.
Und dann war es soweit – wäre der Folkclub
elektrisch/ elektronisch ausgestattet hätte es geheißen, „Licht aus, Spot an“. Bromo,
namentlich Dennis und Marvin Ledermann sind Kinder des Folkclubs. Wer erinnert
sich nicht mehr daran, dass erst Dennis alleine, dann Dennis und Marvin und
später die beiden als Bromo ihre ersten Auftritte hatten. Heute sind sie
mehrfache Preisträger von regionalen Musikwettbewerben und bewiesen beim
Folkclub wieder einmal, dass sie wissen, woher sie kommen, aber voller
Selbstvertrauen das Publikum rocken – gut, ein Teil desselben war eine
mitreisende Fangemeinde, was aber der Gesamtstimmung nichts anhaben konnte,
sondern nur unterstrich, dass die Beiden einfach (oder zweifach?) Klasse sind.
Ed Sheran, ihr großes Vorbild ist aus vielen Songs heraus zu hören. Trotzdem
bewiesen Bromo, dass sie auch eigene Persönlichkeiten sind. Mit den Songs „Like
a Picture“, „I'm on My WAY“, „Machine“ und „Wonderwall“ heizten beide dem
Publikum (und sich selber) so richtig ein.
Nach der Pause wurde es noch einmal sehr romantisch.
Traditionell sammelt Barry Roshto ja das Publikum musikalisch
wieder ein – diesmal gemeinsam mit Lena, die einen „Song for Bromo“
brachte. Wissen doch die Insider, dass Lena seit ihrem Zufallsauftritt mit
Bromo zusammen in einem früheren Folkclub, eine sehr enge Beziehung zu einem
der Bromos hat.
Springen wir kurz nach vorne, denn Bromo kamen ja noch einmal auf die
Bühne und rockten mit „Burning up“, Nightwatch“, „Stitches“ und „I See Fire“
noch mal zum Ende des Folkclubs ab. Bei I see Fire kam auch Lena noch einmal
auf die Bühne und rockte mit den Beiden weiter. Und selbst damit nicht genug,
wurde eine weitere Zugabe fällig, die sie mit dem Lied „Lieblingsmensch“
auch gaben. Ich denke, es war nicht das letzte Mal, dass der FCB Bromo
beheimatete – aber auch, wenn die Beiden mal so richtig berühmt sind, kriegt
der Folkclub sowohl Sonderkonditionen, wie auch die Möglichkeit seine Statuten
(rein akkustisch) durchzusetzen.
Aber was kam zwischen Bromo und Bromo? Zuerst kamen Frederico
und Mike. Zwei Musiker, die Bonn wieder einmal als internationale Stadt
präsentierten. Kennengelernt haben sich beide bei einem internationalen
Arbeitgeber in Bonn und nun machen sie zusammen Musik. Das erste Stück (Tears
Down) beschreibt die Art und Weise, wie auch Männer Emotionen zulassen –
auch wenn die eigenen Eltern das gar nicht verstehen. Das zweite Lied war der
versuch das Motto des Tages aufzugreifen. Frederico hat ein Lied über Essen
geschrieben (Macy, Macy), weiß
aber inzwischen nicht mehr, was das Lied mit Essen zu tun hat :-). Beim dritten
Song wurde es wieder emotional. Das Lied „Sung Places“ beschreibt die
Antwort von Fredericos kleinem Bruder auf die Frage, was Liebe ausmacht bzw.
wie Liebe erklärt wird.
Mit Sparkling Light kamen wieder bekannte
Gesichter auf die Bühne. Zuerst ein Gedicht zu einem schottischen
Nationalgericht rezitierend (Ode an Haggis), erfüllten sie die
Anforderung an den Abend – food. Dann steuerten sie ihr musikalisches Terrain
an und spielten die „Baker Street“ in einer sehr schönen Interpretation.
Mit der „September Melodie“ wurde zwar nicht auf das Motto des Folkclubs
abgehoben, aber es war doch ein sehr passendes Lied zum Monat September, dem
Vater des 83. Folkclubs. Ich finde es immer wieder spannend neue Lieder durch
den Folkclub kennenzulernen, was mit September Melodie und auch der
Ursprungsinterpretin Marima gelungen ist. Für mich und viele andere
Folkclubbesucher nicht neu und somit zum Mitsingen geeignet, war das letzte
Lied von Sparkling Light. „She is Really Going Out With Him“ machte noch
einmal so richtig Spaß und weckte die Lust, Sparkling Light noch oft im
Folkclub zu hören.
Noch ein Duo, welches bisher eher als Publikum in Erscheinung
getreten ist, waren Paul und Monika Haag. Ach wie herrlich, wenn frei
von der Leber weg, in dem eigenen Dialekt gesungen wird. Nun bin ich des Rheinischen
nicht 100 %ig mächtig, aber es reichte doch aus, um sowohl die Stimmung wie
auch den Text zu verstehen und zu fühlen. Ein Lied zum Thema food ist die
Geschichte der „Appeltaart“ allemal. Auch das zweite Lied hat entfernt
mit dem Thema zu tun „Don se mir für ne Jrosche Kamelle“ handelt aber
nur vordergründig vom Essen, vielmehr ist die Schlitzohrigkeit der beiden
Buben, die im Geschäft ausgerechnet die Kamelle wollen, die im Glas ganz oben
auf dem Regal stehen das Thema. Mit der Lieblingsspeise der Rheinländer dem „Riefkooche“
schlossen die beiden ihr Programm ab. Es war einfach erfrischend, wie
bodenständige Folklore in Liedform präsentiert wurde.
Tja, über Bromo wurde schon geschrieben, Bliebe also
nur zu sagen, dass auch diesmal der Patron mit seinem eigenen Lied „Jock
Stewart“ zum Abschluss geehrt wurde.
Und das soll Euch alle daran erinnern, dass nach dem
Folkclub vor dem Folkclub ist – see you at Dotty's on October 6th. Out of the
bedroom!
Mario
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