…........waren auf dem Oktober(fest) Folkclub nicht vertreten. Vielleicht waren die woanders, denn ein Blick über das Publikum zeigte, dass noch ein paar Plätze frei waren, als das bekannte „Laaadies and Gentlemen....“ erscholl. Allerdings zeugten die freien Plätze nicht etwa von einer geringen Besucherzahl, sondern eher davon, dass der Folk Club Bonn inzwischen als regelmäßig „brechend voll“ bekannt ist. Ein kurzes Zählen brachte doch immerhin ca. 50 Besucher zusammen. Aber auch wenn die eine Lederhose oder das andere Dirndlkleid sich auf diversen Oktoberfesten vergnügten, gab es doch mindestens eine Gemeinsamkeit mit dem Folkclub – die Wälder. Sowohl das bayerische Oktoberfest wie auch die Special Guests des Abends kommen aus waldreichen Gegenden. Kanada und die Schweiz sind sozusagen die spendenden Gastländer der beiden besonderen Gäste – aber davon später mehr.
Zuerst nämlich schlug John Harrison wie gewohnt als Zeremonienmeister ein paar schöne Töne, in Form von drei Liedern, an. Das a capella Stück „A Begging I Will Go“ beschreibt die Tradition eines ehrenwerten Berufes, des Bettlers, der es durch die Annahme von milden Gaben aus reicher Hand ermöglicht, hierdurch deren Sünden ein wenig abzubauen. Natürlich ist der Bettler ein freier Unternehmer, der seine Zeit immer und an jedem Ort einteilen kann – nur schade, wenn längere Zeit kein Sünder vorbei kommt. Dass mit dem „Donkey Riding Song“ nicht etwa der Tier unterstützte Aufstieg auf den Drachenfels besungen wurde, sondern es sich um das Lied über eine mechanische Entladehilfe für Schiffe handelt, erläuterte John ebenso wie er nach verteiltem Text zum Mitsingen aufforderte. Dann griff er zur Gitarre und spielte das Lied über eine seiner Tätigkeiten, den „Night Watchman“. Ich denke, es ist jedem bekannt, dass John einmal im Monat in Bonn die musikalische, englischsprachige Nachtwächterführung veranstalte.
Lyrik mit oder ohne Musik – im Folkclub ist ja bekanntlich beides möglich und so gab Gert Müller, die eigentlich für den letzten Folkclub geplanten, Gedichte in bönnscher Mundart zu biblischen Geschichten, die im Zusammenhang mit Essen und Trinken stehen zum Besten. „Die Speisung der Fünftausend“ beschreibt die Überlegung, dass fünftausend Brote alleine zu trocken sind und fünftausend Fische stinken und zurückbleibende Köpfe und Gräten nur die Umwelt verschandeln – also gibt es eine Fischsuppe und Brot zum stippen. Auch die „Hochzeit von Kanaan“ hält sich in Bönnsch eng an die Originalvorlage – allerdings fragt am Ende der Kellermeister, ob aus dem Wasser wohl auch ein Fässchen Kölsch gemacht werden könne.
Die Bühne wurde nun von Gerd Schinkel bestiegen, der, wie schon zu anderen traurigen Anlässen gewohnt, ein Tribut für einen verstorbenen Musiker gab. Tom Petty ist zwar eher Rocker als Liedermacher gewesen, jedoch sind einige seiner schönsten Songs als Balladen sicher auch für akustische Interpretationen geeignet – denn, an wie vielen Lagerfeuern sind schon ganze Bands vertreten – die Lieder „Learning to Fly“, „Free Falling“ und erst recht „Into the Wide Open“ dafür umso mehr. Ich finde Gerds Tradition, geachtete, verstorbene Musiker durch ihre Lieder, übersetzt mit deutschen Texten, zu ehren, eine tolle Initiative. Bei den ausgewählten Tom-Petty-Liedern befürchte ich nur, dass die Melodien von vielen im Kopf sofort mitgesungen werden, so dass die Texte (Übersetzungen) leider nicht so beachtet werden – mit dem Erfolg, dass automatisch ein direkter Vergleich zwischen Original und Gerds Interpretation in den Köpfen angestellt wird.
Und dann war der erste Featured Artist des Abends dran. Vince Andrushko – ein Musiker aus dem kanadischen Winnipeg, der irgendwo zwischen Blueser, Rocker, Country Singer und Holzfällerlagerfeuer-Folkie anzusiedeln ist. Eine sehr große Bandbreite des Könnens also. Er begleitete sich in dieser Akustiksession auf einer recht kleinen Parlour Gitarre, die durch ihr geringes Volumen einen, dem Blues sehr angepassten, etwas „dreckigen“ Sound brachte. Um es kurz zu sagen: es passte einfach wunderbar zusammen. Und genauso breit (aber doch mit dem immer gleichen Kern) wie die musikalischen Stile, waren auch die Texte und Themen seiner Lieder. Ob er von den „New Shoe Laces“ sang und mit diesem Lied nichts Geringeres beschrieb, als das Glück zu spüren, wenn die Schuhe wieder fest am Fuß halten (ein echter Blues Text halt), oder in „Lucky Crow“ darüber philosophierte, ob eine Krähe die über den Baumwipfeln fliegt weiß, was Glück ist – Vince nimmt in seinen Texten eigene Gefühle auf und beschreibt in seinen Lieder das Leben. Auch in dem letzten Stück der ersten Folkclub-Hälfte „Passing By“ greift er die alltäglichen Dinge des Lebens auf, nämlich schlechte Nachrichten, die immer wieder kommen, die aber nicht verhindern, dass das Leben weitergeht. Aber nach der Pause kam Vince wieder und, um dies vorweg zu nehmen, spielte weiter in diesem Sinn die Songs „Tell Me One More Time“, ein Lied über die Entfremdung in einer Liebe, „Nuts“ ein Lied über die Fleißigkeit eines Eichhörnchens beim Verstecken von Nüssen für den Winter, dessen Vergesslichkeit beim Wiederauffinden und darüber, wie gefährlich es ist, ein Eichhörnchen zu sein. Den Song „Stop, Drop, Roll“ kündigte Vince selbst mit den Worten an „kein großer Text, einfach ein groovie song“ und so treibt die Melodie auch die im Text beschriebenen Personen an, immer weiter zu gehen. Auch „Winter is Just a Flower“ beschreibt, dass es immer weitergeht – auch der Winter ist nur eine Blume auf dem Weg. Natürlich durfte Vince nach diesem Lied nicht aufhören, sondern wurde durch den anhaltenden Applaus sehr deutlich auf den Wunsch des Publikums nach Mehr aufmerksam gemacht. Diesen Wunsch erfüllt er dann auch gerne mit dem Stück „Sitting on a Fence“, das, wie schon vom Titel zu erwarten, auch wieder über die große oder kleine Philosophie des Lebens handelt. Was wird kommen? Ich sitze auf einem Zaun und warte auf den Wind des Winters... den Rest kann sich jeder ausmalen, der weiß, wie Blues funktioniert und wie kalt es in Winnipeg werden kann.
Ein großer Gitarrist auf ungewöhnlichen Instrumenten ist Attila Vural. Der Schweizer war nicht zum ersten mal Gast im Folkclub, und so hatten sich auch einige Zuhörer sehr gespannt auf neue und alte Songs des Künstlers eingefunden. Mit seiner zweihälsigen Resonatorgitarre hörte man ihn bereits beim letzten Stück von Vince aus dem Hintergrund, denn dieser hatte ihn aufgefordert doch ein wenig mit zu bluesen. Als dann nicht nur der Ton sondern auch das Bild des Instrumentes erschien, waren einige Zuschauer erstaunt. Eine Resonatorgitarre, die mit einem zweiten Hals eine Mandoline oder zumindest ein mit vier Doppelseiten bestücktes, an Mandoline erinnerndes Instrument integrierte. Die offene Stimmung dieses Instrumententeils ermöglichte eine häufige Einbeziehung des speziellen Klangs direkt in die Gitarrenmusik. Attila spielt fast ausschließlich instrumental, so dass über die Lieder immer die eigene Interpretation und das eigene Gefühl, an was die Melodien erinnern, stehen. Zwar hat er erläutert, aus welchen Zusammenhängen die Lieder entstanden sind, jedoch kann schwer das Gefühl eines anderen nachempfunden werden, und so wird in jedes Lied das eigene Gefühl hineingelegt. Das schaffen seine Lieder aber meisterlich. Mit „Little Picture Gallery“ wurde ein Klangteppich aus perkussiven Elementen, Frettapping (also das klingende Aufsetzen der Finger auf die Saite, ohne diese anzuzupfen) und strumming – sowohl in Akkorden wie in der offenen Stimmung des Mandolinen ähnlichen Teils vom Instrument ausgebreitet. Die Vorstellung durch eine Galerie zu gehen und ein Gesamtbild aus vielen kleinen Einzelbildern zu sehen, wurde so hervorragend umgesetzt. „Scan“ ist ein Coversong von D. Miller – jedoch schaffen es Gitarrenvirtuosen immer wieder, aus fremden Themen eigene Kreationen entstehen zu lassen. Mit „Mysterious Feel of Stonehenge“ beschreibt Attila bereits im Titel, dass jeder Zuhörer sich ein eigenes Bild dieses mysteriösen Gefühls bilden muss. Die Musik unterstützt ihn dabei lediglich – allerdings in einer absolut virtuosen Art. Mit der Ankündigung „Constantinople“ sei die Neufassung des ursprünglichen Songs Istanbul, beweist Attila, dass ernste Kunst (instrumentale Kompositionen im Gegensatz zu textlich geprägten (Mitsing)liedern) nicht davon abhält, mit eben dieser Musik Spaß zu haben und diesen zu verbreiten. Es ist schwer, textlose Musik zu beschreiben, ohne in oft unverständliche Ausdrucksweisen von eigenen, empfundenen Gefühlen zu gelangen. Texte können nacherzählt werden. Geschichten, die durch Musik erzählt werden, sind oft nicht weniger inhaltsreich, aber jeder empfindet einen unterschiedlichen Inhalt. Deshalb möchte ich zu „Road That We Travel On“ gar nicht viel sagen, außer, dass auch in diesem Lied soviel Elemente des gitarristischen Könnens eingebaut sind, dass es einfach Pflicht ist die Lieder zu hören und sich die eigenen Gefühle zu der Interpretation der Titel selbst zu erklären. Als gedachten Abschluss hatte Attila Vural das Cover „The Moon is a Harsh Mistress“ von J. Webb im Gepäck – aber, wie sich die geneigte Leserschaft denken kann, blieb es nicht dabei. Eine vehement verlangte Zugabe wurde mit „Sounds of my Feet“ gerne gegeben. Da ich auch den geteilten Auftritt von Attila in einem Rutsch beschrieben habe, bliebe noch zu sagen, dass nach dem Stück "Mysterious Feel of Stonehenge" eine Pause eingelegt wurde.
Wie immer wurde die Pause durch Barry Roshto eindringlich beendet, indem er sich an das Klavier setzte und erst leise und vorsichtig, dann aber deutlich machend, dass die Pause vorbei ist, wieder zur Musik zurückführt. Mit dem Carol King Song „So Far Away“ sammelt er das Publikum wieder ein, um dann, gemeinsam mit Ruth und dem allen bekannten Stück „You've Got a Friend“ zu begeistern. Auch wenn es sich um ein bekanntes und im Folkclub schon oft interpretiertes Stück handelt, Barry und Ruth schafften es, neue Nuancen hineinzubringen. Neue Ansätze der Zweistimmigkeit im Gesang, die Aufteilung des Liedes in Parts des Solo und gemeinsamen Gesangs – ich finde es war ein Meisterleistung. Ein Lied, das sich Ruth ausgesucht hatte, beschloss den Floorspot der Beiden. „Grapefruit Moon“ von Tom Waits ist ein Liebeslied und beschreibt die Sehnsucht und Qual nach etwas (einer Liebe), das nicht mehr da ist, aber an das durch den Grapefruit Moon immer erinnert wird.
Der Folkclub ist ein Sammelbecken von Professionalität, Spaß, sich ausprobieren und auch spontaner Emotionen. In diesem Sinne setzte sich Günter Peters an das Klavier, nachdem er den neuentdeckten Poetryteil des Folkclubs mit ein paar heiteren rheinischen Anekdoten angereichert hatte. Ein kleines Medley bekannter Melodien bildeten den Übergang zu den Featured Artists. Günther spielt das Klavier mit dem Herzen und es ist immer wieder erfreulich zu sehen, wie professionelle Kunst mit emotionaler Kunst gemischt werden kann.
Tja, wie schon gesagt, nach Günter kamen die zweiten Teile der Featured Artists und nach denen.... – natürlich der Patron des Folkclubs mit seinem eigenen Lied „Jock Stewart“. Die Tradition, dass zum Schluss des Abends alle Künstler gemeinsam mit dem Publikum das Lied singen, ist gerade für Special Guests immer wieder überraschend. Aber ich höre immer wieder Begeisterung zu der breiten Identifikation des Publikums mit ihrem Folkclub – und Jock Stewart ist hierfür der anerkannte Ausdruck.
Denkt auch im November wieder an den FCB – see you at Dotty's on November 3th. Out of the bedroom and into the folk club!
Mario
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