Montag, 7. November 2022

Detlefs Bericht vom Folk Club am 4. November 2022

Folk Club im November 2022 – Zurück zu altem Schwung? Aber ja!

Hurra! Inzwischen steht die Folk-Club-Lokomotive wieder unter Dampf. Der Saal wird voller, und die Musiker möchten aus der Durststrecke heraus. Für heute hat sich Gerd Schinkel aus Köln als besonderer Gast angekündigt und gleich mit Tomke Winterboer eine Freundin mitgebracht, die mit ihm zusammen singt und spielt aber auch Solostücke im Gepäck hat.

Aber wie immer der Reihe nach. Traditionell macht unser Vorturner John Harrison die Aufwärmübungen und startet dem Datum zu Ehren mit dem immer wieder gern gehörten Gedicht über das gescheiterte Sprengstoffattentat auf den englischen König Jakob I. und das Parlament am 5. November 1606. Bei dem Attentatsversuch ging es um Religion, denn Guy (er selbst nannte sich Guido) Fawkes, ein Katholik, wollte die Herrschaft der Protestanten in England beenden. Fawkes und seine Mitverschwörer wurden gefasst und mit der Höchststrafe hingerichtet: Hängen, Ausweiden und Vierteilen. Anders als seine Kumpanen konnte Fawkes dem Ausweiden (bei Bewusstsein, denn das vorangehende Hängen erfolgte so, dass der Delinquent dabei üblicherweise nicht starb) entkommen, indem er mit dem Seil um den Hals beherzt vom Schafott sprang und sich dabei das Genick brach. Das waren Zeiten! „Remember, remember, the Fifth of November“ lautet die erste Zeile des Gedichtes.

Heute hatte John eher die traurigen Stücke ausgesucht. Das von John selbst verfasste Lied über einen ehemaligen Klassenkameraden namens Kieran Patrick Flannery (der Titel des Liedes lautet „Flan“), der mit 15 Jahren erhängt aufgefunden wurde, war das ergreifendste aus der der Reihe. John berichtet, dass er das als niederschmetternd empfunden habe und jetzt noch immer von den Gedanken an das erschütternde Ereignis umfangen ist.

„Lemon Street Blues“ lautete der Titel eines weiteren Liedes, immerhin ein Liebeslied. Am Ende seines Sets präsentierte John das Lied „Trouble and Strife“ mit dem er im Jugoslawienkrieg seine Gedanken um die Ereignisse in dem abscheulichen Bürgerkrieg und ganz speziell über die Ereignisse in Sarajewo, wo auf Häuserdächern versteckte Scharfschützen Zivilisten beschossen und umbrachten,  verarbeitet hatte.

Einen nahtlosen Anschluss an die Thematik des Grauens bot uns Hans Ihnen mit dem Neil-Young-Lied „After The Gold Rush“. Hoffnungsvollere Stimmung verbreitete dagegen das Lied „Calypso“, mit dem John Denver in den 1970er Jahren seinem Freund Jacques Cousteau und dessen Forschungsschiff Calypso ein musikalisches Denkmal gesetzt hatte. Aber, was hatten wir hier schon wiederholt festgestellt: Die traurigen Lieder sind meist die schönsten! Das bewahrheitete sich erneut bei Mick Fleetwoods Lied „Where The Wind Blows“, das Hans mit viel Gefühl sang und spielte. Danke Hans, für deine schönen Liedinterpretationen!

Mit Felix Tilemann kam ein neues Gesicht in den Folk Club. „Black Is The Color Of My True Love’s Hair” ist der Titel eines wunderschönen traditionellen Liebesliedes, dessen Ursprung in Schottland vermutet wird, das aber in den amerikanischen Appalachen adaptiert wurde. Einen großen Sprung in die Gegenwart machte Felix mit dem Lied „Toxic“, das durch die Interpretation von Britney Spears bekannt wurde. Ermutigen soll das von Felix geschriebene Lied „H-Moll“, bei dem es um Gesundheit geht und das Felix vermutlich auf sich selbst gemünzt hat. Alles Gute für dich, Felix und komm bald wieder in den Folk Club.

Eine Kostprobe seiner Kompositionen stellte uns Stephan Weidt vor, diesmal allein und ohne seine Frau Ulrike Hund, die ihn oft auf der Querflöte begleitet. „Photo an der Wand“ heißt das Lied, das eine Trennung beschreibt, die beide nicht in Ruhe lässt – ein wunderbar instrumentiertes Lied mit überraschenden Synkopen und Melodiewendungen und einem eindruckvollen Text.

„Hat der Brecht Recht?“ ist der Titel des Liedes, mit dem Stephan billige Produkte aus Ländern mit zweifelhaften Erzeugungsbedingungen thematisiert. „Ist es ein Verbrechen, über Bäume zu reden“ lautet eine Zeile des Stückes, das Stephan mit brillantem Gitarrenspiel begleitet, frenetische Applaus des Publikums ist der Lohn.

Volker Lindner, der seit einiger Zeit solo auftritt, hatte sich eine neue Geige zugelegt, die er im Folk Club präsentierte. Beim Horo, einem Tanz aus Bulgarien, fällt sofort der ungerade siebenachtel-Takt auf, der so typisch für Musik aus Südosteuropa ist. Aus Bulgarien ging es dann musikalisch ans andere Ende der EU. „Irish Maiden“ ist Volkers Titel für ein Instrumental, das aus einer Zusammenstellung verschiedener irischer Melodien besteht. Ebenfalls mit einem Mix verschiedener Melodien unter dem Titel „Beethoven in Bonn“ beendete Volker seinen unterhaltsamen Beitrag.

Tomke Winterboer aus Köln, die Folk-Club-„Regular“ Gerd Schinkel  mitgebracht hatte, stellte ihre eigenen Lieder vor.  „For A While“ bietet einem erschöpften Menschen Ruhe und Erholung an. Als Lied für alle Frauen kündigte Tomke ihre Komposition „To Be Free“ an. Versuche nicht, es allen recht zu machen und immer nett zu sein, sondern sei du selbst, lautet die Botschaft. Bei „Flower“ geht es darum, dass die Menschen auch mit dem Scheitern umgehen müssen. Tomke spricht den Menschen, die zu ihren Defiziten stehen, ihre besondere Sympathie aus. Viel Applaus für Tomke, die gleich danach im Duett mit Gerd Schinkel auftrat.

Gerd ist der Meister der Neuinterpretation von Melodien anderer Künstler, und auch diesmal ging es gleich mit einem Gassenhauer los, diesmal aus Chile von der leider so früh verstorbenen, aber dennoch unsterblichen Violeta Parra. „Gracias a la vida“ heißt die Originalversion, sozusagen die heimliche Nationalhymne Chiles, vor allem bekannt durch die Interpretation der großartigen Argentinierin Mercedes Sosa. In der Version von Gerd heißt das Lied „Ich bin dem Leben dankbar“, wunderbar gesungen von Tomke und Gerd in Duett. Ebenfalls „recycled“ ist die Melodie von „Herbstwind“. Im Original heißt das Lied „Gulf Winds“ und ist von Joan Baez. „Herbstwind sing doch mal dein Lied“ lautet eine Zeile daraus. Es geht um die vielen Mauern, die uns umgeben.

Von Phil Ochs stammt die Melodie des Lieds „Nach dem Tod“. Mach die Dinge besser, solange du auf der Welt bist, lautet die Botschaft. 

Als „nicht von Adele“ kündigte Gerd das nächste Lied an, das zwar von der stimmgewaltigen Engländerin gesungen wurde, aber von Bob Dylan mal eben so in einer Konzertpause geschrieben worden war. Spürst du, wie ich dich lieb‘ “, heißt es in Gerds Fassung und einfühlsam von den beiden gesungen.

Ebenfalls Einfluss von Bob Dylan gibt es im Lied „Geduldsspiel“. Gerd teilt mit, dass er mit diesem Lied versucht hat, Gedanken von Dylan in einen anderen Zusammenhang umzumünzen. „Wie viele Erfahrungen muss ich sammeln, bis man mich für erfahren hält“ lautet die erste Zeile. Sehr eindrucksvoller Text und schöne Melodie. Die Probleme einer spät berufenen Pflegekraft behandelt das Lied „Pausenlos“.

Allein ohne die Unterstützung von Tomke sang Gerd dann zur Melodie von „Bella Ciao“, aber dem Anlass entsprechend in moll ein Lied für die im Iran in Polizeigewahrsam umgekommene Bürgerrechtlerin Mahsa Amini.

Zum Abschluss seines Auftritts gönnte Gerd dem Publikum dann noch etwas Witziges mit dem Lied vom Apotheker. Das französische Original stammt von Felix Leclerc. Der Mann liegt tot in seiner Apotheke und die gerade zur Tür hereinkommende Kundin, die sich zuvor in der Küche mit dem Messer verletzt hatte, wird für die Täterin gehalten. Sie hat Blut an den Händen, und das ist Beweis genug. So kann’s gehen, also passt gut auf, was ihr tut.

Viel Applaus für Tomke und Gerd für ihr unterhaltsames Programm mit viel Moral in den Liedtexten! Wenn ihr die Lieder von Tomke und Gerd noch einmal nachhören wollt, dann empfiehlt euch euer Chronist, einmal bei Gerds Youtube-Kanal (https://www.youtube.com/playlist?list=PLa2UnA6H08NCQmiAae_QdmnYQ2-bMVIl0) nachzuschauen. Ihr braucht euch bei den Liedern der beiden auch nicht durch einen Werbeblock hindurchzuwühlen.

Natürlich ging auch dieser abwechslungsreiche Abend nicht zu Ende ohne die Huldigung der gesamten Besatzung an Jock Stewart, den Schutzpatron des Bonner Folk Clubs.

 

 

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