Mittwoch, 11. Januar 2023

Marios Bericht für FCB # 131 am 06.01.23

Sprachlos in Musik oder besser: Lost in music?
                                                    Photo courtesy of John Hurd 3SongsBonn

Ja, so sagte Master John zum Ende des 131. Folk Clubs: Es sind Menschen anwesend die zwei, drei oder sogar vier Sprachen sprechen, aber eine Sprache sprechen hier alle – nämlich Musik. Und so bedarf es gar keiner Worte (also sprachlos:-). 

 Aber, bevor wir uns gemeinsam in Musik verlieren, wie immer der Reihe nach. Bevor John sich in ruhigen Worten ergehen konnte, war wie immer der Eröffnungsruf „Laaaadieees and Gentlemen, Mesdames et Messieurs, Bonsoir und guten Abend…“ an der Reihe. Kaum war die Begrüßung ausgesprochen eröffnete John Harrison den musikalischen Reigen mit einem, dem Thema des Tages Harps and Banjos“ angepassten Mundharminikalied „Come On In My Kitchen" von Robert Johnson - natürlich ein Liebeslied und, obwohl das Wort Mundharmonikalied es nicht erwarten ließ, wie typisch für John ein Blues. Ja, gleich mit dem ersten Lied machte John deutlich, dass das Motto zwar nur zwei Instrumentennamen beinhaltet, damit aber drei Instrumente gemeint sind – nämlich die Mundharmonika, die Harfe (beides harps) und das Banjo. In seinem zweiten Stück griff John dann zur Gitarre und spielte das Stück „Rabbit Hills“ von Michael Chapman. Natürlich ein Liebeslied, welches den Weg zur See beschreibt, wo die Liebst wartet. Mit dem „Police Dog Blues“ von Blind Blake - nicht nur ein Blues sondern auch ein Liebeslied, beendete John seine musikalische Einleitung und begrüßte die Harfengruppe Spielplatz. Die hatten große Harfen dabei, bei denen ich mich immer wundere, wie die richtige Saite gefunden werden kann. Mit der Ode an die unglaubliche Gnade „Amazing Grace“ zeigte die Familie Engel gemeinsam mit Martin, Susa und Hannah welche Klänge die Harfen produzieren können und wie sie dabei den mehrstimmigen Gesang unterstützen und von diesem unterstützt werden. Das i-Tüpfelchen bildeten dann die Mandolinenbegleitung und ein rhythmischer Hintergrund durch eine Bodhrán. Aber nicht nur freiwillig empfangene Gnade war ein Thema. Mit dem vertonten Gedicht „The Stolen Child“ von William Butler Yeats wurde die erzwungene Gnade thematisiert und von irischen Feen erzählt, die Kinder in ihr Land holen. Da dort die Zeit viel langsamer vergeht, erkennen diese nichts mehr in ihrer Heimat nach ihrer Rückkehr. Tief versunken in die wunderschönen, teils sphärischen Klänge der Harfe wurde das Publikum nun zur Arbeit gerufen und durfte bei dem Lied „Auld Lang Syne“ den allseits bekannten Text mitsingen.

Harfenmusik rund um Gabriela Engel ist immer wieder schön anzuhören, und so bedurfte es eines tiefen Durchatmens, um sich auf den nächsten Künstler Winfried Bode zu konzentrieren. Winfried war auch schon früher im Folkclub, macht sich zwischen seinen Auftritten allerdings rar, so dass er stets wie eine Neuentdeckung erscheint. Nun sooo neu kann er nicht sein, hat er doch auch Eigenkompositionen aus den späten 80er Jahren mitgebracht. Aber begonnen hat er mit dem etwas launisch zu nennenden Lied „Tanze mich“, in dem er eine sehr eigenwillige Vereinigung zweier Menschen beschreibt – nämlich er als Musik und sie als Tänzerin. Toll, wie Winfried nicht nur einen phantastischen Text zustande gebracht hat, sondern auch durch orientalische Klänge dem Lied eine besondere Note gab. Mit dem zweiten Lied reihte er sich in die fast unendliche Reihe der „Keep On Moving“ Liederschreiber ein – aber, natürlich haben die Lieder nur den Titel gemeinsam. Inhalte und Melodien sind individuell, so auch bei Winfried. Einen besonderen Leckerbissen kredenzte er uns mit seinem dritten Lied – schon sehr alt, trifft das Lied doch nach wie vor den Zeitgeist. „Der Zauberer bin ich“ sagt ganz deutlich, jammern hilft nicht, helfen muss man sich zuerst allein – und wenn es dadurch ist, dass man bereit ist Hilfe anzunehmen. Ein alter Bekannter mit einem neuen Freund betraten nun die Bühne. 

Gerald Löhrer & Martin Riedel haben sich zusammengefunden, um ihre Leidenschaft Musik mit ihrem Bedürfnis nach Übernahme sozialer Verantwortung zu verknüpfen. Gemeinsam haben sie ein Projekt geplant, mit Straßenmusik Geld für die Flutopfer der Ahr zu sammeln. Als sie das Projekt dann umsetzten, hatte gerade der Ukrainekrieg begonnen und wir erhielten auch in Deutschland hilfesuchenden Besuch von Kriegsflüchtlingen – das Projekt wurde umdefiniert und Gerald und Martin sammelten etwa 1200,-- € mit Buskin für die Flüchtlinge. Hut ab, wieder einmal Menschen, die nicht nur reden, sondern auch handeln. Den Folk Club beglückten die Beiden mit tollem Gitarrenspiel und gutem Gesang bei den Stücken „Without You“ und „I still haven’t found, what I’m looking for“ von U2 sowie „Father and Son“ von Cat Stevens. 

Nun ist wieder einmal der Chronist verurteilt über sich selbst zu schreiben, denn ich durfte beim Folk Club die Banjo Fraktion vertreten. War es doch geplant mit den BandkollegInnen von Fomiander zu kommen, so brachten widrige Umstände es mit sich, dass ich allein ohne fremde Termin blieb und somit auch allein mit den vielen verschiedenen Banjos hantieren musste. Das 6-saitige Banjo, welches wir für die Präsentation von Blues gedacht hatten, habe ich dann auch kurzerhand durch die Gitarre ersetzt und mit Johns Hilfe auf der Harp (Motto Harps and Banjos) den „Deep River Blues“ vorgetragen. Tja und dann weiteres Geschichtliches versucht zu dokumentieren – nämlich, was im Deutschland der 60er Jahre aus der aus den USA herüberschwappenden Dixieland Musik gemacht wurde – Schlager. Ich danke an dieser Stelle dem Publikum für die gesangskräftige Unterstützung bei „Banjo Boy“, und Holger Riedel danke ich, dass er spontan einsprang, um die Banjo Ukulele zu meinem viersaitigen Banjo zu spielen. Als letztes Lied kam dann das im Bluegrass, aber auch in der Gospelmusik so beliebte 5-string Banjo zum Einsatz, indem ich gemeinsam mit Elena „Will The Circle Be Unbroken“ intonierte – auch hier wieder kräftig unterstützt vom Publikum. 


Pause und kräftig lüften – manchmal fällt es schwer nach so wunderschönen Liedern und Gefühlen wieder an die nach wie vor existierende Bedrohung durch das Corona Virus zu denken, aber wir haben immer ein paar Leute im Folk Club, die akribisch daran arbeiten durch kurzes Lüften während der Vorstellung und intensives Lüften in der Pause die Gesundheit aller Anwesenden so weit zu schützen, wie es möglich ist. 

Die zweite Hälfte wurde von Chris Livings eingeläutet. Chris wurde bei einer OpenMic Veranstaltung von Shay McVeigh auf den Folk Club aufmerksam gemacht. Bei der Kontaktaufnahme mit John, unterhielten sich beide in deutscher Sprache, bis sie feststellten, dass sie beide britischer Abstammung waren – sofort konnte English speakend alles geregelt werden – ach hättet ihr doch gleich in der universalen Sprache Musik miteinander kommuniziert :-) Chris schenkte uns ebenfalls selbst geschriebene Musik. Das erste Stück „Like Alice In Wonderland“ unterstützte er mit einer sehr ruhigen, melodieorientierten Begleitung auf der Ukulele. Dies wiederum unterstrich seine wunderbare Stimme. Und die durften wir im zweiten Lied direkt wieder bewundern. Diesmal mit einer gestrummten Gitarre begleitet, brachte uns das Lied „Full Moon Rising“ in ein Traumland. Abgeschlossen hat Chris seinen Auftritt mit „Driving Home“. Auch dies oft aufgegriffenes. Da Chris nach eigenen Angaben zwar in Trier wohnt, aber aus sehr persönlichen Gründen in letzter Zeit fast häufiger in Bonn anzutreffen ist, hoffen wir, dass wir ihn bald wieder im Folk Club begrüßen dürfen. 

Auch John Hay hat ein ähnliches Schicksal erlebt wie ich. Ist er doch auch für den Folk Club 131 seiner Begleitung Cayu verlustig gegangen, Aber John wäre nicht John, wenn er die Situation nicht gerettet hätte (erinnert mich das etwa an das Lied von Winfried Der Zauber bist du?). Erst knapp eine Woche auf der Welt, holte John sein neuestes, selbstgeschriebenes Lied „Es kann gelingen“ heraus und gab uns und der Welt den Auftrag, die Hoffnung nicht zu verlieren, sondern uns alle gegen Krieg und für Frieden und Liebe einzusetzen. John zeigte hierbei sowohl sein Geschick beim Fingerpicking wie auch die überraschende Schönheit eines Tonartwechsels im Lied. 

Dann wurde es laut (auch ohne Verstärkung) – wieder einmal mussten sich sonst im Verstärkersound versteckende Musiker rein akustisch beweisen – diese im Folk Club Bonn gepflegte Tradition hat im Vorfeld von Auftritten mit Musikern schon zu einigen Diskussionen geführt, aber immer wurde der Folk Club nach den Auftritten für diese Bedingung gelobt. Bei vielen Musikern entstand ein neues Gefühl zur Harmonie des Zusammenklangs von Stimme und Instrument. Viele Musiker und Musikerinnen waren selbst überrascht, welche neuen Möglichkeiten in Ihnen selbst stecken. Und das Publikum des Folk Clubs macht es auch allen Musikern leicht diese Bedingung zu akzeptieren, da es immer sehr konzentriert und andächtig zuhört, an den geeigneten Stellen mitmacht und sich stets der Musik gegenüber dankbar erweist. So haben auch HofJebräu (Michael Ralph Pfeil und Alex Meyer) dieses Erlebnis sehr positiv beurteilt. Sonst mit elektrischen Instrumenten und kräftigem Perkussionshintergund unterwegs, haben sich nun ihre Stimmen unverstärkt zu den ebenfalls unverstärkten Instrumenten durchgesetzt. Gut , das Cajon, da mit Fußpedal gespielt, wummerte etwas laut, aber alles war gut zu hören und zu verstehen. Ja und verstehen sollte man auch bei den vorgetragenen Stücken. „Strooßen in Kölle“ ist eine kölsche Interpretation von Domsturme des Klassikers Streets Of London und da Köln ja ebenfalls eine Großstadt mit allen Vor- und Nachteilen ist, konnte die Einsamkeit einiger Bewohner aus dem Lied gut herausgehört werden. Auch die Stimme von Axel passte wunderbar zu diesem Thema. Mit „Jraduss“ wurde das aus Michaels Sicht beste Lied von BAP forever vorgetragen. Was soll ich sagen – wenn der Name BAP fällt ist Qualität und Genuss vorprogrammiert und so schenkten uns die Zwei auch mit diesem Lied eine wunderbare Zeit. Aber damit noch nicht genug. Ein weiteres soziale Verantwortung tragendes Vorbild aus der „Krawallecke“ ist für die Beiden Stoppok. Und wer Stoppok kennt weiß, auch hier ist alles drin. Von leisen, aber tiefgründigen Balladen über pointierte Protestlieder bis hin zu rockig, fetzigen Songs. Mit „Schuften“ brachte uns HofJebräu mit mundharmonischer Unterstützung von John Harrison ein Lied aus der letzten Kategorie. Das Publikum war begeistert und blickt schon jetzt erwartungsvoll auf weitere Besuch der Beiden im Folk Club. Danach kam ein schon öfter gesehener Gast. 

Yawen die junge Chinesin aus Köln ist ein kontinuierlicher Quell von Überraschungen. Kaum hält sie eine Gitarre in der Hand, schon ist sie so geübt, dass sie im Folk Club begeistert. Aber auch der traditionellen Musik ist sie verpflichtet und spielt chinesische Traditionsinstrumente. Voller Erwartung sahen wir deshalb ihrem heutigen Auftritt entgegen, und ich muss sagen, wie immer hat sie gezeigt, dass sie sich in enormen Tempo weiterentwickelt und sich musikalisch selbst erprobt und neu erfindet. Leider ist ihr Erfindungsgeist diesmal über den Charakter des Folk Clubs hinausgeschossen. Yawen ist mit elektrischer Gitarre, diese verstärkt, mit Halleffekt veränderter Stimme und sogar mit einer LED Lightshow aufgetreten. Grundsätzlich klasse, wie sie sich auch in diese Situation herein findet und tolle Interpretationen von „Why’d You Only Call Me When You're High“ von Arctic Monkeys und „Perfect“ von Ed Sheeran darbrachte – aber, bitte nicht noch einmal im Folk Club. Wie oben geschrieben, ist es eine Besonderheit des Folk Clubs akustisch zu sein und zu bleiben. Und, liebe Yawen, du hast so oft bewiesen, dass du die elektrische Verstärkung gar nicht brauchst. Komme wieder zu uns in den Kreis der akustischen Musikanten, wir freuen uns auf dich. 

Aus Staub geboren und zu Staub zerfallen, oder hier: Mit Harfen begonnen und mit Harfen beendet. Das letzte Musikerpaar kam wieder mit zwei Harfen (nicht ganz so groß wie bei „Spielplatz“) auf die Bühne. Uwe Jendricke und Antje ten Hoevel waren in dieser Besetzung zum zweiten Mal im Folk Club. Auch damals war das Thema Harps und Antje und Uwe sind gekommen, um andere HarfenspielerInnen kennenzulernen. Kennengelernt haben sie damals nur Mundharmonikaspieler, aber wir haben sie kennen gelernt und uns deshalb riesig auf ihren Auftritt gefreut. Und dieser Freude haben sie voll entsprochen. Feine Klänge, mehrstimmige Melodien und viel Emotion wurden dem Publikum geschenkt. Mit „O'Carolan's Receipt For Drinking Whiskey“ wurde die Genesung eines Whiskey liebenden Iren beschrieben, dem vom Arzt selbiger Genuss verboten wurde, erst als es ihm ob solcher Brachialmethoden immer schlechter ging, erlaubte der Arzt ein Glas Whiskey pro Tag. Aus Dankbarkeit wurde dann das Lied des rezeptpflichtigen Whiskeys geschrieben. „Der letzte Tanz“ ist eine Komposition des Harfenlehrers der Beiden und zeigt, wie auch ein deutscher Komponist die Wellen der Emotionen für die Harfe einfangen kann. „Ritter Hadubrand“ ist eine Moritat auf einen nicht sehr beliebten Ritter. Und weil die Geschichte klar und deutlich ausgesprochen und nicht erst durchi langwierge Reimsuche verklärt werden sollte, wurden die Reime einfach selbst gebastelt. So reimte sich zum Beispiel auf sofort das Wort – geschwort. Auch im Mittelalter war also Do It Yourself schon beliebt. Mit gab uns Antje ein musikalisches Rätsel auf den Weg – weiß sie doch selbst nicht genau, welcher Stein eigentlich damit gemeint ist. Unser Rechercheur Detlef hat allerdings nicht allzu lange gebraucht, um herauszufinden, dass eine kleine Korrektur im Titel wie selbstverständlich zur Lösung führt. Ersetzt man Broadgar durch Brodgar, so entsteigt dem Atlantik das Archipel Orkney. Dort wiederum befindet sich der Brodgar Steinkreis. Aber genug Geografieunterricht, denn mit „Bells Are Ringing“ wurde in wunderbarer Kanonmanier das Publikum einbezogen und so beendeten die Beiden ihren Auftritt gemeinsam mit allen Anderen. 

Käme an dieser Stelle eigentlich der Patron des Folk Clubs zu Worte, so verschoben wir diesmal diese Tradition um eine weitere Liedlänge, denn das Lied „All The Tunes In The World“ passte zu wunderbar zu einem kürzlich Erlebnis von John und mir. Wir waren unterwegs, um die Möglichkeiten für weitere Auftritte der im Folkclub ohne Gage auftretenden, oft internationalen, Künstler auszuloten. Wir stießen auf viel Wohlwollen, aber überall hing das Damoklesschwert „22:00 Uhr“ über den Gesprächen. So heißt es in dem Lied „The managers friends are afraid, the music will bring in the cops“. Hier erwies sich der Folk-Club-Charakter der ausschließlichen akustischen Musik auch als sehr wertvoll. Denn, was in der Wohnung über der Kneipe und im Nachbarhaus nicht gehört wird, gibt keinen Anlass zu Beschwerden, aber wunderschöne Musik in der Kneipe selbst. 

Trotzdem durfte natürlich der gemeinsame „Rausschmeißer“ nicht fehlen und so erinnerten sich alle gegenseitig, dass einmal im Monat im Folk Club „The (hu)man you don’t meet every day“ (gegendert :-) ) wartet. 

In diesem Sinne 

 out of the bedroom und am 3. Februar 2023 bei Dotty im Folk Club – dann mit David Lübke als besonderem Gast Euer Mario

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